Freundschaften, Beziehungen, Familie, Menschen generell – sie sind angeblich die Quelle des menschlichen Glücks. Sozial sein, heißt glücklich sein. So zumindest die allgemein vorherrschende Annahme in der modernen westlichen Gesellschaft. Dahinter steckt die Idee, dass Menschen von Natur aus sozial sind.
Einerseits stimmt das. Andererseits ist der berühmte Spruch „Der Mensch ist ein soziales Wesen“ aber nicht gerade auf den Alltag zu beziehen. Soziale Kontakte sind wichtig – aber vor allem dann, wenn sie auch hochwertig sind. Weniger wichtig und sogar toxisch wird der Kontakt zu anderen Menschen, wenn dieser Stress auslöst.
Die Gründe dafür, dass andere Menschen Stress verursachen, sind zahlreich. Einige Menschen sind aufdringlich oder unhöflich und rauben Energie. Die Ursache kann aber auch in Hochsensibilität, Introversion oder einem generell falschen Umfeld liegen.
Es lohnt sich also, auf Ursachenforschung zu gehen und zu schauen, woran es vielleicht bei dir liegt, dass dich Menschen stressen. Denn nur wer die Ursache kennt, kann sinnvolle Lösungen ableiten. Aber Achtung: Die Chancen stehen gut, dass Menschen dich immer irgendwie auch stressen werden.
Die unterschiedlichen Formen von Stress durch andere Menschen
Zunächst geht es darum, die unterschiedlichen Stressauslöser in Menschengestalt zu bestimmen. Menschen stressen mich zum Beispiel vor allem, wenn sie in Gruppen auftreten und ich meine Aufmerksamkeit teilen muss. Einzelne Personen bekommen seltener die Chance, bei mir Stress auszulösen. Die Unterscheidung ist wichtig. Du wirst sehen, warum das so ist.
Personen, die Nerven rauben
Einzelne Menschen können enormen Stress auslösen. Meist liegt das daran, dass sie bestimmte Eigenschaften mitbringen, die viel abverlangen. Unhöfliche Menschen stören zum Beispiel die Menschen, die einen starken Gerechtigkeitssinn haben und selbst sehr höflich sind. Rücksichtslosigkeit raubt denen die Energie, die sehr empathisch sind. Und manche Menschen sind einfach das, was man in Fachkreisen als „dämliche Arschgeigen“ bezeichnet.
Logischerweise stresst es uns, wenn Einzelpersonen mit negativen Eigenschaften Teil unseres Lebens sind. Ganz besonders dann, wenn sie in verschiedenen Lebensbereichen auftauchen. Auf Arbeit, in der Schule, in der Familie und sogar im Freundeskreis können diese Persönlichkeiten einen festen Platz einnehmen und wieder und wieder Stress bedeuten.
Gruppen und unbekannte Menschen
Menschengruppen sind irgendwie von Natur aus anstrengend. Das würden wohl viele auch so unterschreiben. Nur lassen sich einige Menschen darauf ein und andere gehen darin verloren. In Gruppen unwohl fühlen, ist also ein typischer Stressauslöser.
Wer morgens in eine volle Bahn steigt, in einem Großraumbüro arbeitet, sich mit Freunden in der belebten Innenstadt trifft und dann noch in eine WG zurückkehrt, ist permanent von vielen Menschen umgeben. Ohne Pausen von diesem Trubel können schnell mentale und körperliche Symptome auftreten.
Generell von Menschen gestresst
Es ist auch okay, falls du nicht genau weißt, was dich an Menschen stresst. Manchmal hat man das Gefühl, alle Menschen sind anstrengend. Das liegt dann wahrscheinlich daran, wie du Reize verarbeitest oder welche Erfahrungen du bisher gemacht hast.
Für dich sind die Themen Hochsensibilität und Trauma also besonders relevant. Am besten liest du bis zum Schluss, um noch etwas mehr Kontext zu erhalten – und wichtige Tipps natürlich.
Deshalb stressen uns Menschen
Nun soll konkret in die Ursachen geschaut werden. Denn „Introvertierte Menschen sind schneller gestresst“ ist zwar im Normallfall korrekt, aber nicht zielführend. Wenn du schauen willst, wie du mit dem menschengemachten Stress besser umgehen kannst, musst du schon vollständig verstehen, wie du tickst. (Oder wie andere Menschen ticken. Auch Verständnis für andere ist wichtig. So lernst du unter anderem, dass es gar nicht so ungewöhnlich ist, von Menschen genervt zu sein.)
Stress durch Menschen bei Hochsensibilität
Hochsensible Menschen sind – dem Namen entsprechend – extrem empfindlich für Reize. Somit sind Gerüche, Geräusche, Gefühle, Erfahrungen und andere Menschen auf Dauer eine Belastung. Das ist nicht etwa eine Schwäche oder nur ausgedacht. Leider gibt es immer noch viele Vorurteile. Man solle sich doch mal nicht so haben.
Aber die Körper hochsensibler Menschen reagieren wirklich anders auf Reize. Das ist keine Entscheidung, sondern eine Automatik. Das zu verstehen, ist sehr wichtig. Daraus folgt nämlich, dass man sich nicht mehr anstrengen muss, um unter Menschen „normaler“ zu sein. Viel mehr musst du lernen, deine Hochsensibilität anzunehmen und sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört zum Beispiel, dich seltener an lauten und unübersichtlichen Orten zu treffen. Ein Sparziergang mit Freunden wird dich weniger stressen als ein Abend in einer überfüllten Bar.
Stress durch Menschen bei Trauma
Hast du etwas Traumatisches erlebt, kann dich das dein Leben lang begleiten. Viele Menschen unterschätzen, wie sehr Trauma auf alle Bereiche des Lebens wirkt. Dazu gehören logischerweise auch die sozialen Kontakte.
Unter Umständen erwartet dein Gehirn unbewusst Schmerz oder sonstiges Leid, wenn du unter Menschen gehst. Es möchte dich davor schützen und löst Stress aus, damit du die Situation wieder verlässt. Hilfe durch einen Therapeuten ist in solchen Situationen sehr empfehlenswert. (Artikel wie dieser hier können dir zwar Anhaltspunkte geben, aber sie sind niemals ein Ersatz für therapeutische Aufarbeitung.)
Stress durch Menschen bei Introvertiertheit
Introvertierte Menschen bevorzugen Einzelgespräche, tiefgründige Kontakte und Ruhe. Das Gegenteil davon sind laute Umgebungen und Oberflächlichkeit. Somit entsteht schnell Stress, wenn die falschen oder zu viele Menschen in der Nähe sind.
Der große Vorteil der Introvertierten ist, dass es viele Maßnahmen gibt, um mit diesem Stress umzugehen. So können laute Umgebungen gemieden werden. Mit Freunden über die eigenen Bedürfnisse zu reden, ist ebenfalls sinnvoll. Statt aufregende Party-Wochenenden mitzumachen, kann dann eher auf ein gemeinsames Frühstück oder einen Filmabend gesetzt werden.
Zur introvertierten Art gehört meist auch eine gute Beobachtungsgabe. Das Problem dabei ist, dass die schlechten Seiten anderer Menschen oftmals nicht ignoriert werden können. Ein verlogener Kollege ist daher für einen introvertierten Menschen meist eine echte Belastung, während ein Extrovertierter vielleicht einfach darüber hinwegsieht oder sich zumindest nicht zu sehr davon stressen lässt.
Tipps, um unter Menschen weniger gestresst zu sein
Die folgenden Vorschläge sind eben genau das: Vorschläge. Leider kenne ich dich nicht persönlich, also weiß ich auch nicht genau, welche Tipps am besten für dich sind. Sorry. Für leere Versprechungen musst du dich an abzockerische Internet-Gurus wenden, die dir das Blaue vom Himmel versprechen.
Seltener unter Menschen gehen
Die einfachsten Tipps sind manchmal die effektivsten. Deshalb kann es sein, dass du einfach seltener unter Menschen gehen solltest, um weniger gestresst zu sein. Unabhängig von der konkreten Ursache solltest du ein paar Schritte zurückgehen und dich auf das Wesentliche besinnen.
So findest du nämlich heraus, wie viel Zeit allein du brauchst. Wichtiger ist aber, dass du auch einen klareren Blick darauf erhältst, welche Kontakte dir helfen und welche dich einfach nur stressen. Manchmal halten wir an Freundschaften fest, die uns nicht guttun. Oder wir arbeiten in einer toxischen Umgebung. Eine große Veränderung durchzumachen – den Job zu wechseln, den Partner zu verlassen oder eine Freundschaft zu beenden –, ist schwierig. Dafür sollte man sich Zeit nehmen.
Manchmal muss es aber nicht so drastisch sein. Bist du erschöpft und gestresst, dann sag einfach ein paar Termine ab. Sollte dir deshalb jemand böse sein, dann erkläre deine Situation. Ist die Person dann immer noch sauer, scheint ihr dein Wohlbefinden nicht so sehr am Herzen zu liegen. Klingt fast so, als könnte man einen solchen Kontakt also gut und gerne streichen.
Zeit mit Menschen begrenzen
Möchte man soziale Kontakte trotz Stress behalten, dann ist der nächste Tipp hilfreich (und beinahe genauso simpel): Einfach die Zeit reduzieren. Möchtest du deine Freunde am Freitagabend treffen, obwohl es dich erschöpft, dann geh halt früher. Oder nimm dir den nächsten Tag frei. Kompromisse sind eine gute Idee, wenn verschiedene Bedürfnisse aufeinandertreffen.
Vollständig zu akzeptieren, dass man andere Sozialbedürfnisse hat, ist ein Prozess. Aber jeden Tag verstehen mehr und mehr introvertierte und/oder hochsensible Menschen, dass sie auf ihre Körper hören müssen, um Zufriedenheit zu erfahren. Eine Balance zwischen Zeit allein und Zeit unter Menschen zu finden, ist dabei die wohl wichtigste Aufgabe.
Aktive Entspannungsmethoden
Sozialer Stress kann in vielerlei Hinsicht so bekämpft werden wie andere Stressformen auch. Meditation, Atemübungen, Ruhezonen, Musik – all das kann helfen, um dem Körper eine kleine Auszeit zu geben.
Einerseits kann dies in aktiven Stressphasen genutzt werden. Auf Arbeit einige Minuten die Augen zu schließen und tief durchzuatmen, kann akuten Stress reduzieren. Der nervige Kollege wird dann anschließend nicht zum besten Kumpel, aber er raubt auch nur den vorletzten und nicht den letzten Nerv.
Andererseits können Entspannungsmethoden die Qualität der Ruhezeiten erhöhen. Nimmst du dir bereits Zeit für dich, kann diese noch angenehmer werden, wenn du sie mit anderen Maßnahmen kombinierst. Lange Spaziergänge, ein warmes Bad, lesen, Mittagsschlaf, Sport – was dir auch guttut, du solltest es in deine „Me-Time“ integrieren.
Mehr über Stress lesen
Wissen ist Macht. Mir hilft Kontext immer, besser mit schwierigen Situationen umzugehen. Somit ist Wissen darüber, was Stress auslöst und was ihn mindert, sehr wichtig. Auf diese Weise habe ich verstanden, dass rücksichtslose Menschen für mich extreme Stressauslöser sind. Oder dass Menschenmassen mich nicht grundsätzlich stark stressen, aber die Zeit „in“ ihnen trotzdem begrenzt sein muss.
Lies also mehr, höre Podcasts über Stress oder tausche dich auch mit Menschen in deinem Leben aus. Wichtig ist vor allem, dass man sich dem Stress nicht einfach hingibt. Leider passiert es sonst nämlich, dass man falsche Schlussfolgerungen zieht. Statt die nervigen Menschen im Leben zu reduzieren, gibt man dann beispielsweise noch mehr Ruhe auf – eine falsche Entwicklung. Also, hier entlang: Was ist eine soziale Batterie und wie füllt man sie auf?
Fazit: Menschen nerven mich und ich stehe dazu
Es gibt liebevolle, nette, großzügige, herzliche und allgemein schöne Menschen. Auf keinen Fall soll hier ein Bild voller Hoffnungslosigkeit und Menschenhass gezeichnet werden. Gleichzeitig brauchen wir aber auch nicht so tun, als wären Menschen generell eine Bereicherung. Viele Menschen sind gemein, anstrengend, hinterhältig, nervig oder einfach böse. Gerade dann, wenn Menschen in Gruppen unterwegs sind, können sich auch noch weitere Dynamiken wie Gruppenzwang oder Rücksichtlosigkeit auftun, die richtig Energie rauben. Von Menschen gestresst zu sein, ist nicht ungewöhnlich. Umso tragischer ist es, dass so wenige Menschen verstehen, dass sie dagegen aktiv etwas unternehmen können, um sich selbst zu schützen beziehungsweise Zufriedenheit zu erlangen.
Wie immer schön be-und geschrieben. Der „Energiehaushalt“ bei Intros und speziell bei mir, ist gerade ein großes Thema für mich.
Auch wenn ich schon länger hier mitlese und mich mit dem Thema Introversion auseinander setze, so habe ich beim Lesen bemerkt, dass mir der Begriff „Me-Time“ immer noch ein komisches Gefühl auslöst.
Für die meisten ist schon ein „Rückzug“ nicht akzeptabel. „Me Time“ bedeutet für mich tatsächlich für mich zu sein und mich intuitiv meinen Gedanken und Gefühlen hinzugeben. Das kann sein, dass ich im Reiseführer noch mal Gedanken an den letzten Urlaub hoch hole, oder einfach nur sinnlos was im Fernsehen oder bei Youtube gucke. Vielleicht gehe ich auch an mein Musikinstrument und klimper was, was toll klingt , oder ich wage mich an was neues ran oder man hängt in der BAdewanne seinen Gedanken nach.
Ich kann das inzwischen für mich als „Me-Time“ akzeptieren und weiß inzwischen auch, dass es eben typisch intro ist, aber wem außer den Leuten auf dem Blog kann man das erklären???
Ich tue mich noch schwer die scheinbare „Sinnlosigkeit“ zu akzeptieren, das Unbestimmte, das Spontane, das Intuitive.
Selbst wenn es um Entspannung und Freizeit geht, was häufig als „Qualitytime“ bezeichnet wird, muß das immer meßbar sein in der Kommunikation mit anderen…
Enstpannung ist ne Stunde auf der Liege in der Sonne liegen… OK:.. oder in den Wellnesstempel fahren, aber dann kommt die Frage, wie war`s… und dann heißt es 3 mal Sauna, ein Dampfbad und eine Massage und schon wird geschlußfolgert, dass es ein voller Erfolg war und der Mann oder die Dame jetzt wieder hergestellt ist…
„Saufen“ ist in der Wahrnehmung auch Quality Time, wenn am Ende genügend Bier inklusive Kotzen steht.
Und die Party war ein voller ERfolg, wenn nur genügend Leute da waren, wenn es länger ging als geplant am Ende alles besoffen ist und man womöglich noch jemanden abgeschleppt hat.
Schon möglich, dass auch Intros aus solchen Aktivitäten mal ab und an Kraft ziehen, aber so ne richtige „Me-Time“ für Intros ist einfach sauschwer zu erklären finde ich. Das geht wirklich nur unter Insidern, oder man wird einfach nicht ernst genommen…. Deshalb finde ich es besonders schön,d ass Du hier noch mal das Thema „Umgang mit Menschen für Intros“ aufgreifst…
Ich finde es mal wieder typisch, dass das „Menschenbild“ mal wieder von Extros für Extros entstanden ist von wegen „wir sind alle soziale Wesen“ Super, dass es mal wieder einen Artikel gibt der da gegensteuert!!!
So weit mal meine spontanen Gedanken.
Gruß von
Olli M
Hi Olli,
danke für deine Gedanken! Wie immer muss ich auch ein bisschen die Extrovertierten verteidigen – auch unter ihnen gibt es genug, die Me-Time ähnlich wie du sehen. Allerdings stellen sie das seltener heraus. Sie tun das meist, weil sie sich gut dabei fühlen und nicht direkt, um den Stress zu verarbeiten, den andere Menschen auslösen. Aber du hast auf jeden Fall recht, dass in der heutigen Gesellschaft selbst Entspannung und Rückzug von vielen optimiert werden. Da haben wir leider eine ziemlich toxische und stressbeladene Kultur geschaffen. Aber es gibt auch Gegenbewegungen. Viele Menschen wenden sich beispielsweise dem Stoizismus zu, reduzieren ihre Arbeitszeit oder versuchen es mit Minimalismus. Ich denke, ein gewisses Umdenken findet bereits statt 🙂
Liebe Grüße
Ich bin leider Betroffener. Den Artikel finde ich ganz gut. Er hilft mir aber in der Praxis kein bisschen weiter. Eine Dosierung von Menschenbegegnungen ist bei der Bevölkerungsexplosion bzw Überbevölkerung gar nicht mehr möglich. Früher konnte ich mal noch spazieren gehen, ohne jemandem zu begegnen. Oder ein längeres Stück wandern allein.Heute undenkbar! Überall Menschen, die meisten mit Hunden. Davon die meisten wiederum freilaufend. Mein persönlicher Freiraum wird selten respektiert. Genauso wenig die Waldtiere und das dann verunreinigte Ackerland.
Vor einigen Jahren konnte ich noch entspannter einkaufen/shoppen gehen. Heute ist es fast überall stets überlaufen.
Abstandhalten oder gesittenes Benehmen – Fehlanzeige! Dafür übertrieben stolze Eltern, die ihre laute Brut nicht im Griff hat.
Die Menschen wollen alles und kriegen auch alles. Sie haben zu viel Freizeit und zu große Möglichkeiten im Bezug auf Finanzen und technischer Fortschritt.
Es geht den Menschen einfach zu gut. Es fehlt überall an Demut und Respekt gegenüber den Mitmenschen, den Tieren und der Natur.
Man könnte unendlich viel aufzählen, z.b. noch die Motorradfahrer, die sich an jeder Ampel und an jedem Stau vorbei und vordrängeln, die am Wochenende in großen Gruppen mit viel Getöse spazieren fahren. Und immer gilt: je lauter desto besser.
Oder die Radfahrer, die Verkehrsrowdys schlechthin, für die anscheinend keine Regeln gelten.
Meine persönlichen top five der unerträglichsten und stressigsten Menschen sind Radfahrer, Motorradfahrer, Raucher, Hundehalter und junge Eltern!
Diese Menschen sind im großen und ganzen der Inbegriff von Egoismus und Rücksichtslosigkeit für mich.
Wenn ich dann noch das Profilbild der Autorin mit Hund betrachte…