Menschen sind anstrengend: Gib es ruhig zu!

Ich finde Menschen anstrengend. Grundsätzlich und in spezifischen Fällen. Macht mich das zu einer Misanthropin oder Außenseiterin? Ich denke nicht, ganz im Gegenteil.

Ich vermute, dass die große Mehrheit der Menschen andere Menschen anstrengend findet. Sie fordern uns, überfordern uns, verärgern uns und enttäuschen uns. Was uns an ihnen anstrengt, ist individuell, doch dass uns etwas anstrengt eher universell.

Dieser Beitrag soll genauer betrachten, was anstrengende Menschen eigentlich so anstrengend macht. Das richtet sich natürlich danach, wer Du bist und was Du von anderen erwartest, doch die ein oder andere allgemeinere Aussage dürfte schon drin sein.

Neben der kleinen Analyse und ein paar beruhigenden Worten, falls Du dachtest, es wäre komisch, dass Menschen Dich so anstrengen, gibt es zwischendurch noch eine schöne Liste mit Dingen, die Menschen erst so richtig anstrengend machen – ja, ich gucke Euch an, Ihr Freizeitpfeifer, die Ihr uns mit Euren lästigen Melodien quält.

Sind alle Menschen anstrengend?

Bevor Du (berechtigterweise) heftigste Kritik äußerst, soll eines klargestellt werden: Es gibt Personen, die nicht anstrengend sind. Sie wirken beruhigend, durchschnittlich, einfach nicht besonders kraftraubend. Es gibt gute und gerechte Menschen auf dieser Welt, die wahrscheinlich einfach niemanden nerven.

Nein, nicht alle Menschen sind anstrengend, doch Menschen an sich sind es. Durch ihre Art, durch ihre Handlungen, durch ihr Auftreten und durch das, was sie von uns fordern. Kommunizieren ist Aufwand und soziale Kontakte sind Stress – nur äußert sich das für jeden anders.

Um nichts anderes soll es in diesem Beitrag gehen. Es geht nicht um Menschenhass, es geht darum, dass wir uns nicht mehr in die Tasche lügen und so tun, als wäre es komisch, nicht alle Menschen gut und wichtig zu finden.

Menschen die Energie rauben

Ich finde Menschen anstrengend

Da ich introvertiert bin, ist es für mich grundsätzlich energieraubend, wenn ich unter Menschen gehe. Daher brauche ich gar nicht zögern, wenn mich jemand fragt, was ich von Menschen halte: Ich finde sie anstrengend, aber es gibt ein paar Heinis, die sind die Anstrengung wert.

Als Introvertierter ist man häufig sensibler und aufmerksamer im Umgang mit anderen Menschen. Wenn diese Menschen uns wichtig sind – zum Beispiel Freunde, Familie, Partner, Emma Watson –, dann kann es durchaus sein, dass wir die Zeit mit ihnen problemlos genießen können. Dann ist das Anstrengungslevel nicht so hoch wie bei Fremden.

Wenn ein Introvertierter sagt, dass ihn soziale Kontakte anstrengen, dann meint er das erst einmal nicht böse. Selbst die Menschen, die wir über alles lieben, können uns Energie rauben. Das ist nicht dramatisch oder problematisch, das ist einfach so.

Aber selbstverständlich gibt es Menschen, die uns aus sehr spezifischen Gründen anstrengen. Vor allem stark extrovertierte Personen können uns sehr viel schneller Energie rauben, als wir wieder auftanken können.

Somit gelten die folgenden Gründe dafür, dass Menschen anstrengend sein können, auch für Introvertierte und wahrscheinlich sogar noch etwas mehr für Introvertierte – doch sie haben auch eine gewisse Allgemeingültigkeit. Ich habe keinen Zweifel daran (unter anderem, weil ich es schon live miterlebt habe), dass auch meine extrovertierten Mitmenschen oft genug denken, dass die Sache mit der Menschheit ein ganz nettes Experiment war, aber es dann doch mal Zeit für eine Zombieapokalypse wäre.

Menschen nerven mich

Wieso sind Menschen anstrengend?

Es gibt (zum Wohle dieses Beitrags) drei Gründe dafür, dass wir andere Menschen als Stressfaktor wahrnehmen. Diese steigen hier in ihrer Intensität auf und können sicherlich auch anders sortiert werden. Mir gefällt es aber, meine Umwelt auf einer Skala von minimal anstrengend zu maximal nervenraubend einzuteilen.

PS: Falls wir uns persönlich kennen, rate doch mal, wo Du landest.

Soziale Kontakte sind Verhandlungen

Jeder Kontakt mit einem anderen Menschen ist eine Verhandlung. Wir vergessen ganz gerne mal, dass wir gewisse tierische Eigenschaften hatten und haben, doch es stimmt: Neue Dinge müssen wir erst einmal einschätzen.

Das heißt, wenn wir eine Person treffen, die wir kennen, müssen wir sehen, ob sie sich verändert hat: Wir interpretieren ihre Aussagen, ihre Bewegungen, selbst ihren Geruch und den Tonfall ihrer Stimme. Vertrauen und Erfahrung beeinflussen diese Dinge zwar, doch sie werden nicht einfach so ausgestellt.

Treffen wir eine neue Person, müssen wir einschätzen, ob wir sie mögen oder nicht (oder auch als Bedrohung empfinden). Gleichzeitig verhandeln wir Macht, Einfluss, Gefühle, Wahrheiten. Das passiert zwar meist unterbewusst, aber es ist nun mal eine Aufgabe, die unsere Gehirne bewältigen. Ergo ist es ziemlich anstrengend – manch einer ist besser darin, manch anderer eben nicht, gemeinsam haben die meisten, dass sie sich dieser Vorgänge gar nicht wirklich bewusst sind und somit auch nicht verstehen, was sie eigentlich so erschöpft. 

Manche Menschen sind besonders fordernd

Also ist grundsätzlich jede Interaktion eine kleine Anstrengung. Aber meist denken wir nicht an Otto N., wenn wir an anstrengende Menschen denken, sondern an ganz bestimmte Menschen(-typen). Das liegt daran, dass nicht jeder Mensch auf die gleiche Art Aufmerksamkeit fordert.

Vielredner, Unruhige, psychisch Kranke, Verletzte und enge Kontakte funktionieren etwas anders als der „Durchschnitt“. Sie wechseln vielleicht häufig die Meinungen, Launen oder sozialen Kontakte. Oder sie verlangen von uns, dass wir uns um sie kümmern. Oder wir wollen uns um sie kümmern, doch sie wehren sich dagegen.

Es sind die Umstände, die diese Menschen zu einer Anstrengung machen. Sie können problemlos zu den tollsten und aufregendsten Menschen unseres Lebens gehören, denn das eine schließt das andere nicht aus. Aber es bleibt dabei, dass einige Menschen anstrengender sind und wir damit umgehen müssen.

Das Gegenteil von ihnen sind übrigens beruhigende Persönlichkeiten. In diesem (englischen) Artikel geht es etwas mehr darum, wieso manche Menschen auf andere positiver wirken und somit Stress eher entgegenwirken: Some people are just annoying.

Menschen, die einfach nerven

Der ein oder andere hätte diesen Punkt vielleicht früher erwartet, denn hier kommen die offensichtlichsten Probleme: Menschen, die uns anstrengen, weil sie einfach nerven, gemein sind, uns nicht gut tun.

Du kannst glauben, dass die Anzahl dieser Menschen bei 10 Prozent liegt oder bei 90 Prozent (ich weiß, in welche Richtung ich steuere), aber jeder kennt sie, die Idioten:

  • A-löcher, die andere körperlich verletzen
  • Idioten, die Unsinn reden
  • Menschen, die andere psychisch fertig machen
  • Personen, die andere im Stich lassen
  • Narzissten, die denken, die Welt würde sich um sie drehen
  • Manipulatoren, die Menschen wie Gegenstände behandeln
  • Rücksichtslose A-geigen

Wir können es versuchen, doch den wenigsten von uns gelingt es, diese Menschen vollständig aus unserem Leben zu verbannen. Das liegt auch daran, dass wir ihnen immer wieder begegnen: Auf Arbeit, in der Familie, unter Freunden, beim Einkaufen, im Straßenverkehr, … überall, wo Menschen sind, lässt sich früher oder später auch jemand von der schlimmsten Sorte finden und oftmals treten sie sogar in Herden auf.

Die nervigsten Dinge, die Menschen tun

Wir können über die folgende Liste gerne streiten. Manch einer stört sich einfach nicht an diesen Dingen oder er tut diese Dinge und versteht das Problem nicht. Hier die Antwort: Die meisten Punkte auf dieser Liste betreffen nicht nur die Person, die sie tut, sondern auch die Menschen im Umfeld dieser Person. Rücksichtnahme sollte nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein, oder?

Menschen nerven, wenn sie:

  • Lieder in der Öffentlichkeit pfeifen
  • Türen öffnen und dann nicht schließen
  • Immer nur Small Talk betreiben
  • Andere nicht zu Wort kommen lassen
  • Heuchler sind*
  • Fehlverhalten nicht einsehen
  • Tiere wie Gegenstände behandeln
  • Lästern
  • Sich an der Kasse vordrängeln
  • Kellner (und andere Servicemitarbeiter) von oben herab behandeln

*Damit meine ich speziell, wenn sie Dinge selbst machen, die sie bei anderen kritisieren.

Die Kommentarfunktion ist offen, Du kannst also gerne ergänzen, was für Dich absolut auf diese Liste gehört.

von sozialen kontakten gestresst

Warum wir darüber reden müssen, dass Menschen anstrengend sind

Wer sich fragt, warum es diesen Artikel überhaupt braucht, dem möchte ich diesen letzten Absatz widmen. Denn gerade Optimisten (nicht alle, aber viele) wollen ja alles immer positiver sehen, als es eigentlich ist.

Und das ist okay. Wenn Du persönlich sagst, dass Menschen Dich nicht anstrengen und Du der Meinung bist, dass es mehr gute als schlechte Menschen gibt, dann sei Dir das gegönnt.

Doch ich habe diesen Beitrag aus zwei Gründen geschrieben: Erstens, weil ich weiß, dass unglaublich viele Menschen sich etwas hilflos vorkommen, weil sie denken, es wäre ungewöhnlich, andere Menschen anstrengend zu finden. Und zweitens, weil ich denke, dass wir unter dem Deckmantel des „Nobody is perfect“ oftmals schlechtes Verhalten durchgehen lassen.

Letzteres stört mich. Wir sollten persönlich und als Gesellschaft den Anspruch haben, uns zu hinterfragen und aus unseren Fehlern zu lernen. Das ändert nichts daran, dass viele von uns Menschen anstrengend finden, aber trotzdem kann ich doch hoffen, dass wir uns zum Positiven entwickeln wollen?

Dass ich Menschen anstrengend finde, ist wohl durchdacht, gut begründet und jeder, der möchte, bekommt von mir eine ganz ausführliche Erklärung. Und ja, auch mich werden einige Menschen anstrengend finden. Doch ich hoffe sehr, dass es daran liegt, dass jeder Mensch nerven kann und nicht etwa daran, dass ich rücksichtlos, gemein oder aggressiv wäre.

Somit schäme ich mich auch nicht. Meine Introversion macht mich empfindlicher gegenüber meiner Umwelt und meine Persönlichkeit macht mich ihr gegenüber kritischer. Ob man meine Einstellung nun mit Weltschmerz begründet oder mit zu harter Verurteilung? Keine Ahnung. Aber ich möchte Dir sagen, wenn Dich Menschen anstrengen und Du merkst, dass Dich nur wenige von ihnen wirklich verstehen und glücklich machen, dann ist das okay. Zwing Dich nicht dazu, andere zu ertragen oder sie zu „mögen“.


Zum Schluss findest Du hier noch zwei ältere Beiträge, die Dir vielleicht weiterhelfen: Menschen, die wenig reden und Introversion einfach erklärt. Und ja, es kann gut sein, dass Du gar nicht kritisieren würdest, dass ich Menschen anstrengend finde, sondern dass ich nicht härter darüber schreibe wie stressig sie werden können. Ich verweise erneut auf die Kommentare: Leg ruhig richtig los und tob Dich aus. 

21 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen Beitrag!
    Ich stimme voll zu, dass viele Menschen denken, sie müssten sich in Gesellschaft wohl fühlen, einfach, weil es so erwartet wird. Vielen ist (noch) nicht bewusst, dass wir Intros uns besser schützen müssen damit unser Energielevel im Lot bleibt.

    • Hallo Jennifer,

      ein schöner, humorvoller Text.
      Ich bin auch introvertiert und sehe das bis heute als Nachteil im Alltag. Im Beruf ist es schwer, sich verbal gegen einen wortgewandten Kollegen durchzusetzen.
      Auch was kostspielige Handwerksarbeiten an Haus, Wohnung oder Auto angeht hat der Extrovertierte Fliesenleger, Klempner oder Mechaniker im Bekanntenkreis.
      Der Introvertierte muss für sowas bei Firmen sehr viel Geld bezahlen.

      Eine befreundete Psychologin hat mal gesagt: Jeder Mensch ist ein soziales Wesen, der eine mehr, der Andere weniger.

      Ich denke das stimmt. Ich kenne keinen Menschen, der komplett, wirklich komplett ohne soziale Interaktion auskommt. Dann ist man einsam.

      Es gibt einen Youtuber, der seit Jahren alleine im Wald lebt – Dieser hat einen Hund als sozialen Gefährten, wie viele.

      Früher habe ich versucht, extrovertiert zu werden. Habe das sogar hin und wieder mit Aufputschmitteln wie EnergyDrinks oder verschreibungspflichtigen Medikamenten wie Tramadol oder Lorazepam gemacht.

      Ich sehe Introvertiertheit bis heute als Makel, auch wenn ich im Gegenzug sehr gut mit Zahlen und Formeln umgehen kann.

      Ich habe das Glück, einen Beruf zu haben, wo mich Menschen mal können. Was mir nur fehlt, ist ein Lebenspartner.

  2. Hallo Jennifer
    Ja, Menschen sind anstrengend sogar sehr anstrengend!
    Durch Zufall bin ich auf deinen Blog aufmerksam geworden, weil ich mir heute wieder anhören musste wie schweigsam ich doch sei und ich mehr reden müsste! Darauf hin habe ich bei Google mal Schweigsame Menschen eingegeben und bin dann hier gelandet!
    Viele deiner Texte sprechen mir wirklich aus der Seele und bin froh dass ich nicht alleine auf der Welt bin mit meiner Schweigsamkeit!
    Ich habe viele Jahre sehr darunter gelitten und oft gedacht ich sei nicht normal und habe mich dafür gehasst!
    Irgendwann kame ich auf die Idee,dass Drogen mir helfen könnten „lockerer zu werden“ was aber ganz böse nach hinten losgegangen ist und ich fast 20 Jahre gebraucht habe um zu merken das mir Drogen auch nicht helfen konnten! Na ja bin jetzt 10 Jahre clean und bin eigentlich ganz glücklich wie ich bin! Lebe mein leben jetzt so damit ich glücklich bin! Habe eine gute Arbeit, wo ich auch nicht mit vielen Leuten in Kontakt komme, manchmal schon,aber das stellt für mich kein großes Problem da,da ich mich in diesen momenten nur über fachliche Dinge unterhalten muss oder die Menschen merken schnell dass ich nicht grad ne Quasselstrippe bin!
    Ich wünsche dir viel Erfolg mit deinem Blog und Danke dafür das sowas machst!!

    • Hallo Ralf,

      vielen Dank für deinen tollen Kommentar. Ich bin unglaublich froh, zu hören, dass du die Drogen hinter dir gelassen hast und dich jetzt so akzeptierst, wie du bist. Das ist für viele ein schwerer Weg und manch einer geht ihn nie – deshalb höre ich so gerne, wenn es jemand schafft.

      Ganz liebe Grüße und viel Erfolg mit deinem Leben als Schweigsamer 🙂

  3. Danke Jennifer, für diesen Blog!
    Die Beiträge sind Balsam und Bestätigung für meine Seele, die von Kindesbeinen an gerne mit sich allein ist und schon lange keinen Bock mehr darauf hat, sich ständig zu rechtfertigen, warum man so ist wie man ist.
    Ich bin ich sehr froh, dass Introvertiertheit endlich gesellschaftsfähig wird, auch wenn es doch noch für viele befremdlich und wie eine Krankheit wirkt.

    • Hey Mara,

      schön, dass Du Dich in den Beiträgen wiederfinden kannst. Es ist wirklich so, dass mehr und mehr Menschen Introversion verstehen, aber auch noch ein langer Weg vor uns liegt.

      Liebe Grüße!

  4. Hey Jennifer,
    Danke für diesen tollen Beitrag. Ich empfinde Menschen – ganz im allgemeinen – auch als ziemlich anstrengend. Ich würde sogar sagen, dass ich ein „too much“ an sozialen Dynamiken – und damit quasi jede Arbeit außerhalb des eigenen Homeoffice – schlichtweg nicht auf Dauer ertrage. Ich selbst bin bestimmt auch nicht unbedingt „unanstrengend“, da ich ziemlich sprunghaft bin, ständig meine Weltsicht bereit bin zu hinterfragen (und dies auch tue) und irgendwie immer unterbewusst voraussetze, dass andere meine psychologischen Erkenntnisse instant nachvollziehen können 😉

    Dennoch gibt es tatsächlich Menschen, mit denen auch ich mich nahezu permanent umgeben könnte. Mein Ex-Freund zum Beispiel. Er ist zwar ein bisschen „langweiliger“ drauf als ich, hat aber eine total beruhigende Wirkung auf mich. Am schlimmsten sind negativ gepolte Menschen und solche, die alles und jeden in die gröbst möglichen Schubladen stecken („alle Ausländer“, „alle Jugendlichen“, „die Behinderten“…).

    Da ich meine Kraft fast ausschließlich aus dem Alleinsein und aus meinen Gedanken beziehe (gern auch aus den Gedanken anderer, die aber dafür nicht physisch im Raum sein müssen -> Youtube, Blogs…), würde ich mich als introvertiert bezeichnen. Gleichzeitig kann ich aber auch eine „Rampensau“ sein, könnte Comedy auf einer Bühne machen oder Speaker sein. Allerdings möchte ich danach nicht am Biertisch mit zwanzig Leuten gleichzeitig quasseln, sondern lieber – nach der Performance – durch den Hinterausgang raus.. Kann man gleichzeitig intro- und extravertiert sein?!? 😀

    Liebe Grüße
    Sebastian

    • Hey Sebastian, Du hast den Beitrag zur Ambiversion ja schon gefunden 🙂

      Und Du hast in Deinem anderen Kommentar ja ADS erwähnt – ich werde mich wahrscheinlich in Zukunft mal genauer damit befassen, da ich denke, dass die Kombi introvertiert und neurodivers noch mal richtig interessant sein kann.

      Liebe Grüße

  5. Okay, schön, dass man nicht allein ist mit dem genervt sein. Glaube aber, dass viel mit einem selber zu tun hat. Wenn z.B. jemand fröhlich n Lied flötet und damit nun wirklich niemanden weh tut, sollte man vllt auf sich schauen und hinterfragen wieso es einen so nervt. Vllt erlaubt man sich schier nicht selber mal so ausgelassen zu flöten.

    Anmerkung aus der Redaktion: Hier wurde ein Link entfernt.

    Liebe Grüße

    • Hey Kaddi,

      das kann bei einigen Menschen sicherlich der Fall sein. Aber der Grund, warum ich zum Beispiel nicht pfeifend oder singend durch die Gegend laufe, ist, dass ich meine Mitmenschen respektiere. Ich gebe ihnen den gleichen Raum, den ich auch haben möchte. In der Öffentlichkeit hat man gesellschaftliche Verantwortung. Und davon auszugehen, dass ich einfach mein Ding machen kann, ohne dass andere davon beeinflusst werden, ist schon sehr selbstbezogen. Das sehe ich aber unter anderem auch so, weil ich genug darüber weiß, wie anstrengend die Welt für neurodiverse Menschen sein kann. Pfeifen, laut sein, umherfuchteln – also einen Aufriss um sich machen, ohne dabei an andere zu denken – kann für Menschen mit Autismus, ADHS, Sensibilität und weiteren Dingen extrem problematisch sein.

      Ich persönlich möchte freiwillig zurückstecken, wenn ich in Gesellschaft bin, um Respekt und Rücksicht an erste Stelle zu packen. Dabei gebe ich meine Persönlichkeit nicht etwa auf. Ich bin immer noch ich. Aber Verhaltensweisen, die andere negativ beeinflussen können, kann ich doch einfach für andere Situationen reservieren. Das tut mir nicht weh. Die „Sei wer du bist, entschuldige dich nie, du bist schon perfekt“-Ideologie, die in den letzten Jahren sehr auf dem Vormarsch ist, hat sicherlich auch positive Effekte gehabt (mehr Selbstbewusstsein, mehr Diversität). Aber leider führt es auch dazu, dass einige Menschen jedes Verhalten mit „Hab dich mal nicht so“ oder „Ich entschuldige mich für nichts, auch wenn ich im Unrecht bin“ kommentieren.

      Die Antwort ist jetzt ziemlich lang geworden 😀 Aber Beiträge wie der obige sollen halt unter anderem Rücksicht fördern und denen eine Stimme geben, die nicht verstehen, warum Menschen manchmal so sind wie sie sind. Daher wollte ich lieber ausführlich antworten 🙂 Trotzdem kann Projektion natürlich bei dem ein oder anderen auch dahinterstecken. Ich würde nur nicht annehmen, dass es hier der Mehrheit so geht.

      PS: Den Link zum Video musste ich leider entfernen, da ich nicht auf Menschen verweisen möchte, die Coachings anbieten.

      Liebe Grüße

  6. Hallo, zunächst einmal tut es total gut von anderen zu lesen, denen es genauso geht. Ich selbst bin zwar nicht schüchtern oder auf den Mund gefallen, dennoch fällt mir mit zunehmdem Alter immer wieder auf, wie wichtig mir Ruhe ist, um Kraft zu tanken. Ich bin sehr höflich, zuvorkommend und rücksichtsvoll und erwarte dies auch meist von meinem Umfeld. Leider stosse ich dabei immer wieder auf ignorante Menschen, die denken sie leben Alleine auf diesem Planeten. Generell empfinde ich viele Menschen als sehr anstrengend, weshalb ich mehr davon habe, mir eine schöne Zeit in Ruhe zu gönnen, z.b. im Garten und den Vögelchen zu lauschen (Quality Time). Schnell hört man dann mal das berühmte: stell dich nicht so an…manche sind halt so. Es gibt Tage, an denen mich das richtig wütend macht, zum einen die Wichtigtuer mit Scheuklappen, zum Anderen die Herunterspieler. Zunehmend nerven mich auch grölend feiernde Nachbarn zu jeder Tageszeit, Mütter die ihre Kinder sich ausschreien lassen, erzwungene Familienfeiern aus Pflichtgefühl, laute Telefonate direkt neben mir (warum man das Handy nicht ans Ohr halten kann anstatt vors Gesicht werd ich nie begreifen), gedankenlose Autofahrer, Raucher am Nebentisch wenn ich Esse, alkoholisierte Menschen und Schnäppchen- oder Ramschjäger vor den Feiertagen. Mit Sicherheit habe ich einige vergessen, aber auch wenn ich diese Sorte von anstrengenden Menschen nicht ändern werde, so komme ich nicht umhin mit bösen Blicken eben solche Leute daran zu erinnern, das es da draussen noch andere Menschen auf der Welt gibt. Viele liebe Grüsse an Alle mit-rücksichtnehmer da draussen, denen es genauso geht! 🙂

  7. Liebe Jennifer, und liebe Christine,
    Ihr sprecht mir total aus der Seele. Ich bin schon 60 und habe erst vor kurzem bewusst wahrgenommen, dass ich introvertiert bin, und dass das NICHT heißt, dass etwas mit mir nicht stimmt und ich mich ändern muss. Ich habe teilweise latent, teilweise ganz direkt, praktisch mein ganzes Leben darunter gelitten, dass ich bei jeglicher Art von Beziehung – im Beruf, in der Partnerschaft, im allgemeinen sozialen Umfeld – nicht mit anderen Menschen „mithalten“ kann. Ich gehe zu Seminaren: fast alle haben schon am Eingang Freundschaft mit anderen Teilnehmern geschlossen und unterhalten sich fröhlich, während ich mich wundere, wie sie das so schnell hingekriegt haben und nur hoffe, dass der Trainer uns die persönliche Vorstellungsrunde erspart.
    Na, seitdem mir ein tolles Buch über Introvertierte zufällig in die Hände gefallen ist, ist mir klar geworden, dass ich nicht seltsam bin, wenn ich Ruhepausen nach Begegnungen mit anderen Menschen brauche und manchmal sehr erschöpft bin, einfach nur, weil ich mich intensiv mit jemandem unterhalten habe – auch wenn ich das Gespräch bereichernd fand. Was für eine Erleichterung! Ich kann endlich zu mir selber stehen, auch wenn es mir noch nicht so gut gelingt, meine Bedürfnisse angemessen zu kommunizieren.
    Mit der Erkenntnis, wie wichtig Ruhe und auch Stille für mich sind, ging einher, dass mich andere Menschen mit lautem oder sonstwie gedankenlosem Verhalten immer extremer nerven. Das jemand vor sich hin pfeift, geht für mich gerade noch, aber Radfahrer mit Radio am Lenker, Mütter, die 10x durch das ganze Schwimmbad brüllen „Yvonne, nun spring doch endlich“, fremde Einfahrten zuparken, ihren Motor laufen lassen, während sie sich eine Pizza abholen und dergleichen gehen mir mittlerweile dermaßen auf die Kiste, dass ich manchmal auf einen geliebten Abendspaziergang verzichte, weil ich mich die Kontakte während meines Arbeitstages, auch wenn sie nicht negativ waren, emotional so wundgescheuert haben, dass mir einfach keine Kraft mehr bleibt, Begegnungen mit lauten Zeitgenossen innerlich auszubalancieren. Ich bin sehr froh, diesen Blog gefunden zu haben. Es stärkt mich, zu wissen, dass es anderen ganz ähnlich geht wie mir. Danke für die vielen tollen Artikel, liebe Jennifer!

    • Hallo Anke,

      danke für dein Feedback. Ich verstehe total, dass dich vermeintliche „Kleinigkeiten“ so richtig schaffen. Hat man erst einmal erkannt, dass man rücksichtloses Verhalten nicht einfach hinnehmen (oder gar mitmachen) muss, sieht die Welt auf einmal anders aus. Schön, dass du deine ruhigere Art jetzt etwas mehr zu schätzen weißt. Genau für Menschen wie dich gibt es Artikel wie diesen und den ganzen Blog.

      Liebe Grüße
      Jennifer

  8. Hallo in die Runde,
    Die Diskussion ist schon etwas älter- aber ich möchte trotzdem darauf antworten, da ich mich trotz meiner Extrovertiertheit angesprochen fühle.

    Ich habe gegoogelt in Richtung „Kollegin findet mich anstrengend“ und bin hier gelandet.
    Ich rede recht viel, schweife dabei oft ab, bin ein Witzbold und kann nicht gut stillsitzen.
    ADHS wurde auch schon in meinen 20 ern überlegt, ich bin mir aber selbst nicht sicher, ob ich das wirklich habe. Möglicherweise habe ich nur Anteile davon.
    Aber: ich kann meine lustige, impulsive Art manchmal auch nicht einfach so stoppen.
    Du schreibst, dass es ADHSler oder Autisten aus ihrer Struktur bringen könnte-ich weiß was du damit meinst-aber ich kann das auch nicht einfach ändern und ich leide auch darunter.

    Eine Lösung habe ich nicht.
    Jede neue Arbeitstelle (ich bin Erzieherin und da muss man eng zusammen arbeiten) hat eine Kollegin die mir das dann ins Gesicht sagt, dass ich anstrengend und speziell bin.
    Auch nicht leicht für mich.

    Ein paar Freunde habe ich schon, habe auch zwei süße Kinder – aber ich hadere seit langem mit meiner Persönlichkeit und es ist keine Lösung in Sicht 🤷‍♀️

    Liebe Grüße 🖖

    • Hallo Jule,

      erst einmal danke für deine Kommentar – diese Sicht zu haben, ist auch sehr interessant. Ich habe auch jemanden in meinem Leben, der manchmal nicht stoppt und somit über das Ziel hinausschießt und anstrengend wird. Ich kann ihm dann sagen, dass er übertreibt, mal zurückschalten muss oder anstrengend ist. Da er das über sich weiß, sagt er kurz „oops sorry“ und gut ist. Wenn man sich besser kennt und gut versteht, ist das tatsächlich möglich, ohne dass jemand verletzt sein muss. Leider müssen auch wir introvertierten und hochsensiblen Menschen erst lernen, wie wir unsere Bedürfnisse vernünftig formulieren und einfordern – manchmal verletzten wir im Selbstschutz unsere Mitmenschen unabsichtlich.

      Haben die Kollegen denn mehr gesagt als nur „Du bist anstrengend“? Wenn sie da etwas genauer definieren würden, was sie belastet, kannst du ja auch schauen, inwieweit du Verhaltensweisen verändern kannst – manchmal muss man auch wirklich lernen, „social cues“ zu verstehen. Das heißt nicht, dass du kein glücklicher oder aufgeschlossener Mensch sein darfst! Wie aber Tina schon geschrieben hat, scheinst du ja schon länger mit der Situation zu kämpfen. Du kannst also gerne hier Austausch suchen, aber ernsthaft mit so einer persönlichen Situation zu helfen, wird schwierig. Hast du mal mit Freunden oder einem Therapeuten über die Situation gesprochen?

      Liebe Grüße

  9. Hi Jule, diese Zeilen spiegeln einen enormen Leidensdruck wieder!
    Was für eine Ursache sich dahinter verbirgt, sollte durch einem Fachmann bzw. Arzt abgeklärt werden. Dieser Weg könnte eine mögliche Lösung sein, damit Du Deine Persönlichkeit verstehen lernst, sowie zukünftig besser mit dieser umgehen kannst.
    Viele Grüße Ambi

  10. Hey
    Ich bin auf deine Seite gestoßen weil ich jeden Tag wirklich mit der Menschheit hadere.
    Sie sind für mich nicht nur anstrengend, ich hasse sie regelrecht.
    Ich hoffe du weißt wie ich das meine.
    Ich bin ein Ambivertierter Mensch heißt ich bin quasi beides, Intro und extrovertiert.
    Es kommt immer drauf an wo ich mich befinde und mit wem. Auf Arbeit bin ich eher introvertiert während ich bei einer Freundesgruppe als Beispiel sehr extrovertiert bin. Ich brauche einfach beides, ruhe und soziale Kontakte im gewissen Ausmaß.
    Und je nach dem wie ich mich grade fühle (introvertiert oder extrovertiert) sehe ich auch meine Welt. Entweder stresst mich alles und jeder und ich möchte einfach nur nach Hause oder ich genieße es unter Menschen zu sein und will mein Leben feiern. Es ist sehr anstrengend so eine Art zu leben aber ich brauche das so. Und dann stressen einen die Menschen noch zusätzlich.
    Durch viele Erlebnisse habe ich irgendwann richtig Hass entwickelt auf die allgemeine Menschheit. Ich bin immer froh wenn ich Menschen kennenlerne die mir das Gegenteil beweisen. Aber es gibt leider viel zu wenig gute Menschen, die meisten sind Egoisten und handeln demnach auch so. Oder sie sind einfach im Charakter schlecht…
    Ich bin froh wenn ich mal meine extrovertierte Seite ausleben kann, dann stresst es mich wenigstens nicht ganz so sehr auf solche Menschen zu treffen.
    Lg

    • Hi Yvi, ich weiß, was du meinst. Manchmal ist der Zustand der Menschheit einfach kaum zu ertragen – und manchmal rauben uns Individuen jegliche Energie. Umso mehr sollten wir diejenigen schätzen, die uns ein gutes Gefühl geben 🙂 Liebe Grüße

  11. Moin Yvi, mir geht es da genauso wie dir!
    Mich kotzt diese selbstgefällige Art vieler Menschen mittlerweile nur noch an …
    Menschen haben jetzt offenbar den anthropologisch eingebauten Drang, permanent ihre Großartigkeit berechtigt oder unberechtigt zur Schau stellen zu müssen.
    Ich verliere hier jetzt mal ganz bewusst die Netiquette:
    „Hey ihr Großartigen, behaltet endlich von nun an eure selbstgefällige Art für euch!“
    Ende der Durchsage! Beste Grüße

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