Wie zeigen Introvertierte ihre Gefühle in Beziehungen?

Introvertierte und Gefühle, das ist fast so kompliziert wie alle anderen Menschen und Gefühle. Seien wir ehrlich, wir alle kämpfen mit Emotionen und der Kommunikation dieser. Das ist nichts, was Introvertierten oder ihren Partnern vorbehalten ist.

Doch es stimmt auch, dass Introvertierte und ihre Liebsten vor einigen spezielleren Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, wie sie Gefühle zeigen – oder eben auch nicht zeigen. Dieser Beitrag richtet sich daher an Introvertierte, die sich fragen, ob sie „normal“ sind und an Partner von Introvertierten, die wissen wollen, wie Introvertierte ticken.

Klar muss sein, dass jeder Mensch individuell ist. Es gibt nicht den einen Weg, um uns Introvertierte zu analysieren und einzuordnen. Doch bestimmte Informationen und Gedanken helfen dabei, zumindest zu verstehen, was das Gefühlsleben der Intros so bestimmt.

Lektüreempfehlung für diejenigen, die Introvertierte zu schätzen wissen (oder es noch lernen wollen): Introvertierte Weltveränderer: Moderne Probleme, introvertierte Lösungen!

Wie Introvertierte fühlen

Introvertierte Menschen sind sensibler als ihre extrovertierten Mitmenschen. Allerdings ist das leicht falsch zu verstehen: Nicht alle Introvertierten spüren tatsächlich mehr, wollen ihre Gefühle kommunizieren oder sie überhaupt zulassen. Mit Sensibilität ist in diesem Fall gemeint, dass Introvertierte Umwelteinflüsse und Impressionen weniger „gut“ filtern.

Daher kommt auch (hauptsächlich) das Bedürfnis nach Ruhe. Wenn Introvertierte viele Menschen treffen und viel erleben, dann geht ihnen das einfach näher als anderen, sie sind schneller erschöpft oder überfordert. Und bei manchen von ihnen, ist das auch bei Fragen der Liebe so.

Gleichzeitig ist die Ausrichtung nach innen ein Grund dafür, dass Introvertierte sehr viele ihrer Gedanken und Gefühle erst einmal (oder ausschließlich) mit sich selbst ausmachen. Nicht jeder Gedanke wird ausgesprochen und nicht jedes Gefühl in ein Liebesgeständnis (oder Problem) übersetzt.

Ob ein bestimmter Introvertierter mehr fühlt, als er zugibt oder tatsächlich zu den etwas kühleren Persönlichkeiten gehört, ist von außen fast unmöglich zu erkennen. Spoiler-Alarm: Später erhältst du den Tipp, selbst nachzufragen, statt falsche Schlüsse zu ziehen.

Warum Introvertierte schwerer zu lesen sind

Wer weniger spricht, gibt weniger von sich preis. Kein Wunder also, dass introvertierte und ruhige Menschen häufig als komisch oder gar gruselig wahrgenommen werden. Man kann ihnen nun mal nicht an der Nasenspitze ansehen, wer sie sind oder sein wollen.

Gefühle nach außen zu kommunizieren, ist für fast alle Introvertierten eine Herausforderung. Für die eher logischen und pragmatischen Persönlichkeiten ist es schwer, Zuneigung zu zeigen. Für die sensiblen und empathischen Persönlichkeiten, ist es schwer, viele verschiedene Gefühle zu verarbeiten und in für andere verständliche Worte zu fassen.

Für Außenstehende (oder für vorsichtig Interessierte) ist es also ein richtiges Rätsel, was Introvertierte eigentlich genau fühlen. Extrovertierte sind meist dafür bekannt, Gefühle schnell und enthusiastisch zu zeigen – das sind viele Menschen daher auch gewohnt. Mit Introvertierten muss gearbeitet oder gewartet werden, um an das Gelbe vom Ei zu kommen.


Daher hier ein Tipp für jeden, der sein Herz an einen Introvertierten verloren hat (oder gerade dabei ist, es zu tun): Bring etwas Zeit mit. Introvertierte öffnen sich nicht sofort, manche sind sogar niemals wirklich bereit, absolut alles preiszugeben.

Aber auch ein Tipp für die Introvertierten: Früher oder später müsst ihr lernen, ein wenig besser auszudrücken, was ihr eigentlich fühlt. Aber das heißt auch nicht, dass ihr eure zurückhaltende Art vollständig aufgeben müsst, okay? Die Antwort ist nicht 0 oder 100, sie liegt irgendwo dazwischen und hat viel damit zu tun, wem euer Herz gehört.


Zu den Gründen, warum Introvertierte schwerer zu lesen sind, gehört außerdem, dass sich viele verschließen, nachdem sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wer von Natur aus weniger Gefühle zeigt und weniger Einblick in die eigene Psyche gibt, sich dann aber vorwagt und verletzt oder belächelt wird, der zieht sich noch weiter zurück.

Wer sich wirklich Mühe gibt, auf eine Party zu gehen und sozial zu sein, dann aber ständig hört, wie komisch er oder sie ist, wird es erst einmal wieder lassen. Wer in einer Beziehung gedrängt wird, mehr Gefühle zu zeigen und dann trotzdem verlassen wird, ist erst einmal wieder verschlossen. Wer jemanden gefunden hat, dem er vertraut und sich ihm öffnet, die Freundschaft dann aber zerbricht, der fühlt sich allein und will sein Herz beschützen.

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Ein Introvertierter braucht Zeit, um sich mit dir wohlzufühlen

Allgemeingültigkeit ist schwierig, wenn wir 20 bis 50 Prozent (je nach Definition) der Menschheit beschreiben wollen. Trotzdem gilt für eine überwältigende Mehrheit der Introvertierten, dass du ihnen etwas mehr Zeit geben musst, bis sie sich wohlfühlen und somit mehr Gefühle zulassen und vor allem zeigen.

Introvertierte nutzen den Ansatz „Qualität vor Quantität“. Sie machen also lieber eine Sache richtig, als zu viele auf einmal und dann nur halbgar. Das gilt auch für ihre sozialen Beziehungen. Ein, zwei gute Freunde sind ihnen lieber als zehn Bekanntschaften.

Somit testen Introvertierte in der Kennenlernphase von Beziehungen, ob ihr Gegenüber einen dauerhaften Platz in ihrem Leben bekommen wird. Diesen Platz erhält nicht einfach jeder. Introvertierte müssen sich sicher fühlen und daran glauben, dass du ihnen nicht einfach davonläufst – viele haben das nämlich zu oft erlebt.

Je näher man einem Introvertierten kommt, umso wichtiger wird man für ihn. Wie gesagt, die meisten Introvertierten suchen sich ihre Kontakte sehr genau aus – wirst du also zu einem Dauerläufer im Marathon eines Introvertierten, dann bekommst du dafür Zeit, Aufmerksamkeit und Liebe. Lässt du ihn dann jedoch fallen, verliert er einen wichtigen Teil seines Lebens.

Es gibt einen berühmten Satz, den sehr, sehr viele Introvertierte schon einmal gesagt haben: Ich bin eigentlich total introvertiert, aber mit den richtigen Leuten, taue ich auf. Dahinter steckt, dass soziale Kontakte für Introvertierte zwar immer anstrengend sind, aber deutlich weniger, wenn Introvertierte sich mit jemandem (oder einer kleinen Gruppe) wohlfühlen. Das muss also auch das Ziel in einer Beziehung sein: Sozialer Kontakt muss etwas sein, bei dem sich der Aufwand lohnt.

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Wie Introvertierte Gefühle zeigen

Wie zeigt man jemandem, dass man ihn liebt: Ich liebe dich, hier hast du ein Geschenk, lass uns ganz viel Zeit miteinander verbringen, ich schreie es von den Dächern dieser Welt!

Wie ein Introvertierter zeigt, dass er jemanden liebt: Ich bin gerne in deiner Nähe, ich habe das hier gesehen und an dich gedacht, lass uns noch etwas länger bleiben, ich habe meinen Eltern von uns erzählt.

Das könnte jetzt so stehenbleiben, doch es ist wohl sinnvoller, noch mehr ins Detail zu gehen (gesprochen wie ein wahrer Introvertierter, oder?).

Gemeinsame Zeit ist ein Liebesbeweis

Introvertierte wissen ihre Zeit alleine sehr zu schätzen – geben sie also in irgendeiner Form freiwillig etwas davon ab, um mit jemandem zusammen zu sein, dann ist das ein Zeichen von Zuneigung. Leider empfinden andere Menschen das häufig nicht so.

Denn gemeinsame Zeit ist für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit – unter Freunden, Familie, auf Arbeit oder eben in romantischen Beziehungen. Daher sehen sie es auch als selbstverständlich an, wenn ein Introvertierter mit ihnen Zeit verbringt. Gleichzeitig sind sie empört, wenn es einmal nicht so ist.

Wer Introvertierte liebt, muss sie erst verstehen. Dann wird nämlich klar, dass ein gemeinsames Abendessen nach einem langen Arbeitstag für Zuneigung steht. Dass sich Liebe zeigt, indem ein Introvertierter nachfragt, ob man nicht gemeinsam irgendwo hingehen möchte. Und dass „Ich bin gerne mit dir zusammen“ praktisch genauso viel Wert ist wie ein „Ich liebe dich“.

Kleinigkeiten sind wichtiger als große Gesten

Introvertierte sind oftmals sehr detailverliebt. Wie etwas ist und funktioniert, ist wichtiger, als was es ist. Somit sind große Gesten, teure Geschenke und überschwängliche Liebesbekundungen nicht immer die erste (oder fünfzehnte) Wahl bei Introvertierten.

Sich an ein Detail zu erinnern, von dem ein Partner vor Jahren mal erzählt hat. Beim Einkaufen etwas mitbringen, was nicht auf der Einkaufsliste steht, weil man glaubt, es könnte dem Partner gefallen. Interesse an einem Hobby zeigen, das man eigentlich nicht mag oder braucht.

Das sind Kleinigkeiten, die viel wichtiger für Introvertierte sind, als alles, was in Liebesfilmen so dargestellt wird. Sie zeugen von tiefen Gefühlen, nicht von großen.

Zufriedenheit braucht keine Tagesschau

Apropos Liebesfilme: All diese großen Gesten, wie tausend rote Rosen, Ghettoblaster, Flashmobs oder öffentliche Heiratsanträge? Selten für Introvertierte geeignet. Denn zwei Dinge, die als romantisch gelten könnten, brauchen sie nicht: tägliche Liebesupdates und öffentliche Liebesbekundungen.

Wenn ein Introvertierter weiterhin mit dir Zeit verbringt und Aufmerksamkeit schenkt, dann sind die Gefühle weiterhin vorhanden. Fertig. Wie gesagt, gemeinsame Zeit ist keine Selbstverständlichkeit, also bleibt sie ein Liebesbeweis – auch nach einer Woche, fünf Monaten oder zwanzig Jahren.

Gleichzeitig stehen nur sehr wenige Introvertierte darauf, wenn ihre Beziehung öffentlich stattfindet. Damit ist gemeint, dass es nicht tägliche Instagram Bilder geben muss, nicht jeder Kollege und Kassierer im Supermarkt wissen muss, dass sie in einer Beziehung sind und es ein großer Schritt sein kann, überhaupt den Facebook-Status* zu ändern.

*Lasst mich, ich bin alt und es ist kompliziert.

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Tipps für Beziehungen mit Introvertierten

Es ist unklar, wie viele Extrovertierte diesen Text lesen werden, doch es wird sich schon der ein oder andere verirren. Dann herrscht womöglich immer noch große Verwirrung, da hier viele neue Gedanken und Informationen zu finden sind.

Zum Abschluss soll es daher drei Tipps geben, die helfen können. Wie gesagt, ein Introvertierter bleibt ein Individuum, doch eigentlich sind die Tipps jetzt auch nicht sonderlich revolutionär oder ausschließlich für Introvertierte geeignet.

  1. Frag Introvertierte nach ihren Gefühlen

Nachfragen ist okay – nur nicht jeden Tag. Wenn du bis hierher gelesen hast, weißt du ja bereits, dass Introvertierte viel mehr mit sich selbst ausmachen als mit ihrer Umwelt. Das heißt, auch ihre Zufriedenheit ist nicht immer etwas, was offen kommuniziert wird.

Also frag nach! Introvertierte wissen ja, dass sie etwas anders funktionieren. Also sollten sie auch in der Lage sein, dir zu verraten, was sie denken und fühlen, wenn du nachfragst. In einer Beziehung geht es nicht ohne Kommunikation und bevor du zu verunsichert bist, ist es besser, das Gespräch zu suchen.

Das gilt natürlich auch, wenn du das Gefühl hast, dass sich dein Intro zurückzieht. Das kann nämlich an dir liegen oder an einer Million anderer Gründe. Manchmal sind Introvertierte überfordert und merken es nicht oder bitten nicht um Hilfe, weil sie es nicht anders kennen. Dann darfst du ruhig zur Seite stehen.

Aber, aber, aber: Nicht jeden Tag nachfragen. Wenn dir ein Introvertierter sagt, er liebt dich, dann glaube ihm. Wenn du jeden Tag versuchst, das verifizieren zu lassen, fühlt sich dein Introvertierter nämlich schlecht, weil du ihm offensichtlich nicht glaubst oder vertraust.

  1. Bitte Introvertierte darum, mehr Gefühle zu zeigen

Es ist okay, darüber zu sprechen, ob man nicht etwas mehr Gefühle zeigen oder Gedanken teilen kann. Nur weil Introvertierte aus den oben genannten Gründen meist weniger Gefühle kommunizieren, heißt das nicht, dass sie nicht lernen könnten oder sollten.

Nein, Introvertierte werden auch nach einem langen Gespräch nicht den Eifelturm mieten, ein Feuerwerk veranstalten und sich deinen Namen auf die Stirn tätowieren lassen. Aber wenn du ihnen nicht sagst, dass du etwas mehr Offenheit brauchst, können sie bekanntlich auch nichts ändern.

Solange du nicht versuchst, sie extrovertiert zu machen, sind gemeinsame Veränderungen absolut möglich und vielleicht sogar nötig.

  1. Manchmal passt es einfach nicht

Schlechte Nachrichten: Es kann gut sein, dass eine Beziehung nicht funktioniert. Schockierend, ich weiß.

Wenn du introvertiert bist und es hasst, deine Beziehung öffentlich zu präsentieren, wirst du auf Dauer nicht glücklich mit jemandem, der unbedingt allen davon erzählen muss, dich öffentlich abschlabbert oder nach einer Woche die Hochzeit plant.

Wenn du extrovertiert bist und viel gemeinsame Zeit und Zuneigung brauchst, dein introvertierter Partner jedoch still und scheu ist, na dann werdet ihr nicht glücklich zusammen.

Es gibt unzählige funktionierende Beziehungen zwischen introvertierten und extrovertierten Menschen. Einige behaupten sogar, es könne nur so funktionieren, weil zwei Introvertierte sich nicht genug reizen – das ist auch Quatsch. Aber grundsätzlich sind Introversion und Extroversion keine Dealbreaker, es sind die Individuen und ihre Kompatibilität, die über Erfolg und Misserfolg einer Beziehung entscheiden.

Introvertierte Menschen und die Liebe

Gefühle, speziell Liebe, sind für Introvertierte eine komplizierte Sache, genau wie für die Partner, die sich einen Introvertierten ausgesucht haben. Auf gar keinen Fall sollten Introvertierte jedoch als gefühlskalt oder beziehungsunfähig abgestempelt werden – das entspricht nicht der Lebens- oder Liebesrealität.

Auf die Gefahr hin, nun sehr abgedroschen zu klingen: Introvertierte und ihre Partner müssen einzeln und gemeinsam daran arbeiten, dass eine Beziehung funktioniert. Ein Introvertierter kann seine Gefühle nicht vollständig für sich behalten und ein Extrovertierter kann nicht ständig Aufmerksamkeit einfordern. Und zwei Introvertierte können nicht davon ausgehen, dass sie gleich ticken und somit alles von alleine läuft. Für Extrovertierte gilt das ebenso.

Gefühle sind chaotisch und eine schnelle Google Suche beweist, dass noch niemand herausgefunden hat, was das große Geheimnis der Liebe ist. Keine Sorge, genug Menschen werden es behaupten, doch hier mal eine tatsächliche Wahrheit: Die lügen dich an oder sich selbst in die Tasche.

PS: Introvertierte Männer und Frauen sollten nicht versuchen, einen Wettstreit daraus zu machen, wer es denn schwerer hat. Darüber haben wir bereits im Beitrag Männer vs Frauen gesprochen.

2 Kommentare

  1. Jennifer, viiiiiieeeelen Dank für diesen hochinteressanten Beitrag. Nun ENDLICH verstehe ich meine Freundin und liebe sie mit diesen spannenden Erkenntnissen nun noch um so mehr! Herzliche Grüße aus Ligurien

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