Immer wieder wird versucht, introvertierte Menschen zu heilen oder sie von ihrem Leid zu befreien. Das ist absolut unnötig. Introvertierte sind nicht fehlerhaft oder mitleidsbedürftig.
Daher solltest du niemals versuchen, einen Introvertierten vor seiner Introversion zu retten. Es kann selbstverständlich sein, dass ein introvertierter Mensch Probleme hat, bei denen du ihm helfen kannst – nur ist das Problem niemals seine introvertierte Art.
Was genau damit gemeint ist, wird in diesen Beitrag kurz und knapp erklärt. So soll verhindert werden, dass du Introvertierten das Gefühl gibst, sie wären krank oder fehlerhaft. Auch Mitleid ist nichts, was Introvertierte von dir gebrauchen können.
Introversion ist kein Schimpfwort und wir sollten als Gesellschaft endlich lernen, sie als das zu sehen, was sie ist: Eine Ausprägung, die nicht veränderbar ist, dafür aber mit wundervollen Vorteilen einhergeht und die uns zu ganz besonderen Menschen macht.
Warum introvertiert sein grundsätzlich weder gut noch schlecht ist
Introvertierte Menschen haben eine innere Ausrichtung. Soll heißen, sie denken viel nach, reflektieren ihr Verhalten und die Erfahrungen, die sie machen. Unter Menschen zu sein, ist für sie eine Anstrengung, die sie von Zeit zu Zeit aber gerne in Kauf nehmen.
Die vielen Eindrücke und Anforderungen, die durch soziale Interaktionen entstehen, rauben Introvertierten Energie, die sie anschließend wieder auftanken können, indem sie alleine sind, sich ruhig verhalten oder nur mit den Liebsten Kontakt haben.
Extrovertierte brauchen hingegen viel Kontakt und Aufregung und sie werden meist unruhig und unglücklich, wenn sie Zeit alleine verbringen sollen.
Daraus folgen logischerweise unterschiedliche Lebensweisen zwischen Introvertierten und Extrovertierten, da sie nun mal unterschiedliche Empfindungen haben. Daraus aber abzuleiten, dass es Introvertierten schlecht geht, ist ein kompletter Trugschluss und Introvertierte brauchen definitiv kein Mitleid von ihren Mitmenschen.
Brauchen Introvertierte Hilfe?
Es gibt zwei Situationen, in denen Introvertierte auf Hilfe angewiesen sein können. Keine davon „heilt“ Introversion oder macht sie plötzlich zu sozialen Alleskönnern.
- Introvertierte brauchen Hilfe, wenn sie mit sich selbst unzufrieden sind und soziale Kompetenzen aufbauen wollen.
Erklärung: Introvertierte können tatsächlich unter Schüchternheit, Unsicherheiten oder sozialen Ängsten leiden. Auch Einsamkeit kann aufkommen, obwohl sie grundsätzlich kein Problem mit dem Alleinsein haben. In solchen Fällen darfst du Introvertierten natürlich dabei helfen, etwas kompetenter zu werden und in sozialen Situationen selbstbewusster aufzutreten.
Warnung: Introvertierte werden trotzdem weiterhin ihre Zeit alleine brauchen und soziale Interaktionen bleiben auch etwas, was ihnen mehr Energie raubt als den Extrovertierten. Du wirst durch deine Hilfe niemanden umpolen.
- Introvertierte brauchen Hilfe dabei, sich selbst und ihre Eigenarten zu erkennen, zu verstehen und zu akzeptieren.
Erklärung: Viele Introvertierte verstehen sich selbst nicht und ihnen wird Zeit ihres Lebens eingeredet, mit ihnen würde etwas nicht stimmen, weil sie ruhiger sind als andere. Indem du ihnen mit Akzeptanz begegnest oder ihnen dabei hilfst, sich durch Bücher, Videos, Blogs besser zu verstehen, kannst du dem entgegenwirken.
Warnung: Externe Hilfe sollte immer von Menschen kommen, die sich mit Introversion auskennen. Du wirst deinem Intro nicht helfen, wenn du ihn/sie an Coaches oder Gurus verweist, die ihn/sie doch wieder zu einem Extrovertierten machen wollen.
Minderwertigkeitsgefühle bei Introvertierten
Der Glaube an die eigene Minderwertigkeit ist etwas, womit viele Introvertierte zu kämpfen haben. Durch jahrelange Ablehnung anderer, lernen sie, sich selbst ebenfalls abzulehnen. Sie sind wütend oder traurig über diese Seite an ihnen, die so ruhig und anders ist.
Das ist sehr tragisch, da Introversion – wie nun schon mehrfach erwähnt – überhaupt nichts Schlimmes ist. Um als Introvertierter zufrieden und glücklich zu sein, ist es aber unabdingbar, sich zu verstehen und nicht wider die eigene Natur zu leben.
Viele Introvertierte versuchen zwanghaft, sich unter Menschen zu begeben und offener zu wirken, als sie eigentlich sind. Dadurch sind sie müde und überfordert. Außerdem verlieren sie sich in dieser erzwungenen Version ihrer selbst, die ständige Anstrengung verlangt.
Deshalb gibt es auch unzählige Erfahrungsberichte von Introvertierten, die ihr gesamtes Leben mit neuen Augen sehen, nachdem sie verstanden haben, dass sie nicht falsch oder krank sind. Die Erkenntnis, dass es unglaublich viele Menschen gibt, die so ticken wie sie selbst, führt dazu, dass ein felsengroßer Stein vom Herzen fällt.
Dann gelingt es ihnen auch, sich in einem positiveren Licht zu sehen: Zum Beispiel als Menschen, die sorgfältig arbeiten, ihren Freunden gut zuhören können, die in Beziehungen Qualität vor Quantität stellen, die sich nicht anbiedern müssen, die in dieser hektischen Welt endlich mal zur Ruhe kommen und keine Angst davor haben, auch mal mit sich und ihren Gedanken alleine zu sein.
Wer zu dieser Erkenntnis allerdings nicht gelangt, wird anderen Glauben schenken und somit an die eigene Minderwertigkeit glauben. Das passiert noch immer jeden Tag und wir sollten den persönlichen und gesellschaftlichen Anspruch haben, dagegen etwas zu tun. Wir wissen mittlerweile genug über Persönlichkeitstypen, um nicht mehr in die alten Fallen zu tappen und jemanden dafür zu verurteilen, dass er mehr nachdenkt, weniger spricht oder auch alleine glücklich sein kann.
Lesetipp: So werden Introvertierte in den Medien dargestellt.