Extrovertiert sein: Alle Vor- und Nachteile erklärt

Haben extrovertierte Menschen es schwerer oder leichter in unserer modernen, westlichen Gesellschaft? Was heißt es überhaupt, extrovertiert zu sein? Darüber wird relativ wenig (und wenn, dann nicht sonderlich ausführlich) gesprochen.

Denn es sind häufiger die Introvertierten, die nach Antworten suchen und wissen wollen, was sie besonders macht. Extrovertierte werden da manchmal sogar zum Bösewicht erklärt. Aber nicht heute, heute geht es darum, zu sehen, was extrovertierte Menschen ausmacht, welche Vorteile sie im Leben haben (können) und wann sie im Nachteil sind.

Extrovertiert: eine kurze Erklärung

Extrovertierte haben eine nach außen gerichtete Persönlichkeit, was dazu führt, dass sie aus sozialen Interaktionen (auch: sozialer Stimulation) Energie ziehen und sich in Gesellschaft anderer grundsätzlich wohler fühlen, als wenn sie alleine sind.

Wer extrovertiert ist, braucht immer wieder neue Aufgaben und Eindrücke, um sich wohlzufühlen. Viele Aktivitäten, viele Freunde und viele Ideen zeichnen sie aus.

Hinweis: Der Fachbegriff lautet „extravertiert“, während sich im allgemeinen Sprachgebrauch das Wort „extrovertiert“ durchgesetzt hat.

extrovertiert kurz erklärt

Kann man zu extrovertiert sein?

Grundsätzlich ist an Extraversion nichts auszusetzen. Die Persönlichkeitsbestimmung mit Hilfe von einer Introversion-Extraversion-Skala ist ein Hilfsmittel, das durch Carl Jung entwickelt wurde, das aber keine Aussage über den Wert eines Menschen trifft.

Was ist also gemeint, wenn man jemanden als „zu extrovertiert“ und somit problematisch beschreibt? Dann geht es darum, dass Eigenschaften, die typischerweise extrovertierten Menschen zugeschrieben werden, sich nachteilig auf andere auswirken.

Jemand ist (oder wirkt) zu extrovertiert, wenn er:

  • Ohne Punkt und Komma redet
  • Ständig unterwegs ist, ohne Pausen zu machen
  • Laut ist
  • Oberflächlich ist
  • Sich keine Zeit für die Gedanken und Gefühle anderer nimmt

Doch genauso, wie es Vorurteile gegenüber Introvertierten gibt – sie seien schüchtern, ängstlich oder würden keine Menschen mögen –, sind auch diese Dinge mögliche Auswüchse einer extrovertierten Persönlichkeit, sie sind jedoch nicht mit Extraversion gleichzusetzen.

Wer verstehen möchte, warum sich vor allem introvertierte Menschen über ihre extrovertierten Artgenossen beschweren, der kann den Artikel Extrovertierte Menschen nerven lesen.

extrovertierte persönlichkeit

Welche Vorteile hat es, wenn man extrovertiert ist?

Viele Menschen wünschen sich, sie wären extrovertierter. Nur was sie damit meinen, ist nicht immer eindeutig. Theoretisch bedeutet es, dass man die Zeit unter Menschen genießt und sich umgeben von Menschen nahezu jederzeit wohlfühlt.

Aber es geht vielen Wunschdenkenden eigentlich eher um den nächsten Schritt, der daraus erwächst, dass Extrovertierte gerne unter Menschen sind: Sie haben dadurch meist einen sichereren Umgang mit neuen Bekanntschaften, werden nicht so schnell müde, obwohl sie ständig unterwegs sind, und gelten häufig als beliebter und sozial kompetenter.

Der große Vorteil, den Extrovertierte haben, ist, dass es ihnen besser geht, wenn sie sozial aktiv sind. Partys, Treffen in Gruppen, Small Talk, neue Leute kennen lernen – das sind Dinge, die extrovertierte Menschen genießen.

Und in der modernen, westlichen Gesellschaft werden genau diese Eigenschaften gefördert und vor allem: gefordert. Selbstdarsteller werden Stars in Reality Shows, auf Instagram oder sogar im Oval Office. Vitamin B gilt in vielen Arbeitsbereichen als deutlich wichtiger als ein Uni-Abschluss oder tatsächliche Arbeitsleistung. Selbsthilfe-Gurus machen jedes Jahr Millionen, indem sie Menschen beibringen (wollen), wie man selbstbewusster, präsenter oder „besser“ ist.

Vorteilhaft ist Extraversion also vor allem, weil die Gesellschaft viel häufiger vermittelt, dass man doch mehr aus sich herausgehen müsste, als dass sie mal sagt, wir müssen ruhiger werden, erst nachdenken und dann reden oder uns wieder auf einige gute Freunde statt auf viele oberflächliche Freunde besinnen.

In all den Dingen, die Präsenz und soziale Kompetenz verlangen, haben Extrovertierte einen Startvorteil. Auf persönlicher Ebene kann das auch anders sein – zu den Nachteilen kommen wir gleich – doch im Großen und Ganzen wird extrovertiertes Verhalten in unserer Gesellschaft als normal oder wünschenswert angesehen, weshalb weniger Extrovertierte mit sozialer Ablehnung zu kämpfen haben.

extrovertiert werden

Extrovertiert sein: Nachteile

Es ist nicht grundsätzlich leicht, wenn man extrovertiert ist. Deshalb reagieren einige Extrovertierte auch heftig, wenn ihnen jemand genau das sagt. Sie können nämlich dieselben Probleme haben wie alle anderen. Weiter unten gibt es ein Video dazu.

Extrovertierte können schüchtern, voller Selbstzweifel, sozial unbeholfen, ängstlich oder einsam sein. Während Introvertierte den Anschluss vermissen, wenn sie solche Defizite haben, stellt sich für Extrovertierte die Frage, wie sie ihr Bedürfnis nach sozialem Kontakt befriedigen sollen, wenn sie sich unwohl fühlen.

So kommt es auch immer wieder zu „Fehldiagnosen“. Jemand hält sich irrtümlich für introvertiert, weil er in Gegenwart von Menschen panisch wird oder sich nicht ausdrücken kann. In Wahrheit ist es die (erwartete oder echte) Reaktion der anderen, die zum schlechten Gefühl führt – nicht etwa eine innere Ausrichtung, die ein höheres Ruhebedürfnis mit sich bringt.

Diese Menschen wollen wirklich gerne mehr machen und mehr soziale Kontakte haben, wissen aber nicht wie. Wenn sie sich dann zurückziehen, geht es ihnen schlecht, da ihnen etwas fehlt.

Extrovertierte laufen außerdem Gefahr, die Gefühle und Bedürfnisse ihrer Umwelt aus den Augen zu verlieren. Da sie viel Stimulation brauchen, fehlt ihnen gelegentlich die Fähigkeit, Dinge vollständig zu durchdenken oder darauf zu achten, wie ihr Verhalten andere beeinflusst.

Während viele Introvertierte lernen müssen, sich selbstbewusst in Gespräche einzubringen und auch mal die Initiative zu übernehmen, müssen Extrovertierte lernen, hinzuhören und sich selbst und ihre Meinungen hintenanzustellen.

Negativ kann sich auch auswirken, dass extrovertierte Menschen zwar nicht ganz so schnell müde werden wie introvertierte, doch sie sind trotzdem keine Maschinen. Wenn sie ständig auf Achse sind, jeden Tag Menschen treffen, Neues erleben und mehr wollen, dann verlieren sie ihre psychische und körperliche Gesundheit schon mal aus den Augen.

Das passiert auch, weil mit der extrovertierten Art Erwartungen geschürt werden. Doch nicht jeder Extrovertierte möchte ständig den Alleinunterhalter geben. Auch sie müssen mal in den Hintergrund treten dürfen. Pläne können auch mal die anderen machen.

Und sie können sensibel sein. Wer aber ständig lächelt, viele Freunde hat, aktiv ist und ein positives Bild von sich zeichnet, dem wird oftmals nicht zugestanden, auch Probleme zu haben oder gar depressiv zu sein.

Extrovertierte können sich „leicht“ hinter einer Fassade verstecken. Damit bieten sie einen interessanten Gegenpol zu den Introvertierten: Letztere müssen sich anhören, dass mit ihnen etwas nicht stimmen würde, weil sie so ruhig sind, während Extrovertierte hören, es wäre doch alles in Ordnung, weil sie eben nicht ruhig sind.

extrovertiert nachteile

Ist es besser introvertiert oder extrovertiert zu sein?

Wer glaubt, Introvertierte wären still und schüchtern, liegt genauso falsch wie jemand, der denkt, Extrovertierte wären laut und oberflächlich. Unser Persönlichkeitstyp bedingt bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen, doch es gibt keinen eindeutigen oder perfekten Intro beziehungsweise Extro.

Somit ist die Antwort darauf, ob es besser ist, introvertiert oder extrovertiert zu sein, ganz klar: Besser und schlechter sind die falschen Worte, um diese Frage zu beantworten.

Für die Sozialkompetenz und die Akzeptanz der Gesellschaft ist es meist vorteilhaft, wenn man extrovertiert ist. Für künstlerische Hobbys oder Berufswege und für tiefgründige Gespräche kann es gut sein, wenn man introvertiert ist.

Es kann schaden, als Introvertierter zu hören, man müsse mehr aus sich herauskommen und es kann schaden, als Extrovertierter als oberflächlich oder rücksichtslos zu gelten, während man eigentlich sehr viel fühlt und helfen möchte.

Extrovertiert und introvertiert sind weder Krankheitsdiagnosen noch Ausreden. Damit lässt sich keine Arroganz, keine Isolation, kein Hass und keine Angst rechtfertigen. Wir starten nun mal mit unterschiedlichen Voraussetzungen ins Leben, doch danach sind es unsere Erfahrungen und unsere Entscheidungen, die den weiteren Weg bestimmen.

ist es besser extrovertiert zu sein

Von Introvertierten lernen

Der Wunsch, einige Eigenschaften zu haben, die eher introvertierten Menschen zugeordnet werden, ist total in Ordnung. So kann zum Beispiel Meditation helfen, wenn du im Alltag nicht zur Ruhe kommst. Auch Minimalismus hilft, deine Umwelt so zu gestalten, dass die Eindrücke dich nicht vom Wesentlichen ablenken.

Wenn du das Gefühl hast, Introvertierte würden sich in deiner Gegenwart unwohl fühlen, dann frag sie einfach, wie es ihnen geht. Dass du diesen Beitrag liest, zeigt ja schon, dass du dir bewusst bist, was Extraversion ist und wie sie dich beeinflusst – damit gibst du dir schon mehr Mühe als die meisten Menschen.

Denn es gibt Blogs, Foren, YouTube-Kanäle und ganze Bücher speziell für Introvertierte. Sie müssen sich ihre Gemeinschaft selbst suchen, da die Mehrheit der Menschen extrovertierte Eigenschaften zeigt oder zumindest schätzt.

Das heißt aber nicht, dass du dich nicht mit deiner Extraversion und den Vor- und Nachteilen auseinandersetzen kannst oder sollst. Es wäre schön heuchlerisch, wenn wir Introvertierten nur über euch herziehen und euch dann nicht die Hand reichen, wenn ihr euch selbst – und gegebenenfalls uns – besser verstehen wollt.

extrovertiert probleme

Humor für Extrovertierte?

Humor FÜR Extrovertierte ist schwer zu finden. Allerdings sind viele der Memes, die von Introvertierten ÜBER Extrovertierte erstellt werden, auch gar nicht böse gemeint. So gibt es beispielsweise das Adoptionsmeme, bei dem es darum geht, dass Introvertierte sich ihre extrovertierten Freunde nicht aussuchen, sondern sie praktisch einfach ungefragt adoptiert werden – und das auch noch gut finden!

Memes gefallen nicht jedem und nicht jedes Meme trifft ins Schwarze. Trotzdem hier mal der Versuch, Extros in Meme-Form zu bringen:

Extrovertiert Humor

extrovertierte sind witzig

extrovertiert meme

(Falls du die Memes irgendwo posten möchtest, wäre es cool, wenn du erwähnst, dass du sie hier gefunden hast – gracias.)


Und zur Verteidigung der extrovertierten Ehre füge ich zuletzt noch ein Video von Blimey Cow hinzu. Aber Achtung, wer keinen Humor hat, sollte das Video nicht gucken. Außerdem ist es leider nur in Englisch verfügbar.


Sollten wir häufiger über oder mit Extrovertierten reden? Dann gebt einen Laut in den Kommentaren oder per Mail von euch, damit ich weiß, dass euch dieses Thema interessiert. 

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