Die 18 nervigsten Vorurteile gegenüber Introvertierten

Wie sind Introvertierte? Sie sind schüchtern, sie sind verträumt, sie sind langweilig, sie sind gute Zuhörer. Nicht wahr?

Da Menschen es lieben, ihre Welt in sauber abgetrennte Boxen zu unterteilen und andere Menschen dementsprechend in eine solche Box zu stecken, bleiben auch Introvertierte davon nicht verschont.

Jeder versucht, sich die Welt irgendwie einfacher vorzustellen, als sie eigentlich ist. Doch manchmal fühlt es sich schon so an, als müssten wir Intros wirklich mehr und mehr Aufklärungsarbeit leisten, obwohl einige Klischees längst überholt sind.

Das wird auch dieser Beitrag tun. Die folgenden 18 Vorurteile gibt es gegenüber Introvertierten. Einige davon sind absurd, andere schlicht falsch und wieder andere zwar nicht völlig an den Haaren herbeigezogen, aber eben auch alles andere als zielführend.

Vorurteile, die durch Fehlinformation entstehen

Die ersten vier Vorurteile gelten an sich schon als Klischees. Denn es ist mehr als klischeehaft, das Wort introvertiert zu hören und es mit einem vermeintlichen Synonym gleichzusetzen. Alle vier haben gemeinsam, dass sie dadurch entstanden sind, dass Menschen nicht wirklich eine Ahnung davon haben, was Introvertierte eigentlich sind.

Introvertierte sind schüchtern

Nein, Introvertierte sind nicht automatisch schüchtern. Schüchternheit geht mit erwarteter Ablehnung und einem Zurückstellen der eigenen Persönlichkeit und Bedürfnisse einher. Introversion ist lediglich eine innere Ausrichtung, die häufig zu weniger aktiver Beteiligung an Gesprächen oder Aktivitäten führt.

Dazu aus „Unterschied zwischen schüchtern und introvertiert„:

„Was jeder ändern kann, ist der Umgang mit dem Selbst. Schüchterne Menschen können durch Therapie, Reflexion, Recherche, Übung und unzählige andere Methoden lernen, sich in sozialen Situationen wohler zu fühlen. Dann gehen sie auch mehr aus sich heraus. Sofern sie ambivertiert oder extrovertiert sind, verschwinden dann auch viele vermeintlich introvertierte Eigenarten.

Aber all diese Übungen für mehr Selbstsicherheit werden die grundlegende Hirnchemie und Veranlagung bei tatsächlich Introvertierten nicht überschreiben. Somit kann jeder Mensch Schüchternheit verringern oder sogar ablegen, aber niemand wird umgepolt.“

Introvertierte sind ängstlich

Nein, Introvertierte sind nicht ängstlich. Ganz im Gegenteil, durch ihr reiches Innenleben haben Introvertierte häufig sogar ein gewisses Selbstbewusstsein bezüglich Fachwissen und Spezialgebieten. Dass sie mit diesem Wissen nicht permanent angeben, heißt nicht, dass sie Angst vor der Welt hätten.

Introvertierte sind langweilig

Da Introvertierte sich häufiger zurückziehen (müssen) und gerne auch Dinge alleine erledigen, wirken ihre Leben oft weniger aufregend oder interessant als die der Extrovertierten. Das macht sie jedoch nicht langweilig, sie setzen lediglich andere Prioritäten. Wer einen Introvertierten näher kennenlernt, wird sehen, dass Introvertierte sehr interessante Gedanken und Hobbys haben.

Warum Introvertierte nicht langweilig sind

Introvertierte sind unglücklich

Da sich viele Menschen nicht vorstellen können, dass man ruhig und mit wenigen Sozialkontakten glücklich ist, ziehen sie fälschlicherweise den Schluss, dass Introvertierte unglücklich sein müssten. Das ist nicht wahr. Introvertierte können wie andere Menschen unglücklich sein, aber wer seine Introvertiertheit akzeptiert, der hat keinen Grund, sie als etwas Schlechtes zu sehen und daher entsteht daraus auch kein Unglück.

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Vorurteile, die nur Halbwahrheiten sind

Die nächsten Vorurteile sind allesamt irgendwie richtig und irgendwie falsch. Denn es gibt ja nicht den einen perfekten Introvertierten, dem alle nacheifern. Auch introvertierte Menschen kommen in allen Formen und Farben – trotzdem gibt es natürlich Eigenarten, die bei Intros häufiger auftreten, weshalb diese Vorurteile auch entstanden sind.

Introvertierte sind kreativ

Wer sich mehr mit dem Innenleben beschäftigt, viel nachdenkt und beobachtet, der hat auch ein höheres kreatives Potential. Doch dass deshalb alle Introvertierten auch automatisch kreativ wären, schafft falsche Erwartungen. Auch Introvertierte können ohne Tagträume auskommen und sich ausschließlich auf Fakten konzentrieren.

Introvertierte sind Leseratten

Da Introvertierte Pausen brauchen und sich gerne mal zurückziehen, ist Lesen natürlich ein naheliegendes Hobby. Aber auch hier gilt, dass eine Mehrheit noch keine Erwartungen schaffen sollte. Nicht jeder Introvertierte liest gerne und falls doch, macht ihn das nicht sofort zu einer ausgewachsenen Leseratte.

Introvertierte sind Stubenhocker

Der Rückzug in die eigenen vier Wände liegt für viele Introvertierte, die ansonsten einen stressigen Alltag haben, natürlich nahe. Doch nicht alle introvertierten Menschen sind gerne zu Hause. Vielen wollen in die Natur, machen Roadtrips oder reisen gerne. Somit kann nicht behauptet werden, dass Introvertierte grundsätzlich Stubenhocker wären.

Introvertierte stehen nicht im Mittelpunkt

Es gibt unzählige Beispiele von Introvertierten, die Führungspositionen in Firmen besetzen oder Personen des öffentlichen Lebens sind. Es kann also nicht behauptet werden, dass Introvertierte immer nur am Rand des Geschehens rumhängen. Dieses Vorurteil ist entstanden, weil Introvertierte im Vergleich zu Extrovertierten das Rampenlicht selten aktiv suchen. Aber hin und wieder finden sie es trotzdem.

Introvertierte sind schlechte Redner

Introvertierte sind nicht nur keine schlechten Redner, Introvertierte sind häufig sogar die besseren Redner. Spontane Auftritte liegen ihnen weniger, doch mit ausreichend Vorbereitung sind Introvertierte auf jede Frage eingestellt, erklären Dinge leicht verständlich und wirken selbstbewusst – denn sie arbeiten sich in ihr Thema lange und intensiv ein, anstatt einfach draufloszureden.

Introvertierte sind gute Zuhörer

Es ist ein Vorurteil, dass alle Introvertierten gute Zuhörer wären. Es liegt ihnen zwar meist eher, als das Gespräch zu leiten, aber das heißt nicht, dass sie auch wirklich verstehen oder gute Ratschläge geben könnten. Auch Introvertierte können an Aufmerksamkeitsstörungen leiden oder die Probleme anderer nicht ausreichend ernst nehmen.

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Vorurteile, die falsch sind

Die letzten fünf Vorurteile treiben die vorherigen Beispiele noch auf die Spitze. Die Klischees, die hier genannt werden, kommen daher, dass Menschen aus einer persönlichen Erfahrung eine Beschreibung für eine ganze Gruppe erstellen. Traurigerweise gilt das nicht nur für Introvertierte, auch andere „Gruppen“ werden so bewertet.

Introvertierte sind dumm

Da sich einige Introvertierte unter Menschen nicht wohlfühlen und sich mehr Zeit zum Verarbeiten von Informationen nehmen, schließen andere manchmal daraus, dass sie nicht so klug wären wie andere Menschen. Wie schnell jemand zu Lösungen oder Antworten kommt, hat jedoch selten etwas damit zu tun, wie wertvoll sie sind. Aus der ruhigeren Art von Introvertierten auf ihre Intelligenz zu schließen, ist Unsinn.

Introvertierte sind klug

In den Köpfen stiller Menschen brennen nicht mehr Lichter als in den Köpfen anderer. Viele Introvertierte haben ein reiches Innenleben oder sind kreativer, doch automatisch anzunehmen, dass jemand intelligente Gedanken hat, nur weil er still ist, ist genauso absurd, wie zu glauben, dass Stille für Dummheit steht.

Introvertierte sind nett

Ein Vorurteil, das dadurch entsteht, dass Introvertierte nicht jeden ihrer Gedanken laut aussprechen. Wenn sie beobachten und analysieren, erkennen sie Menschen, die ihnen zuwider sind, recht schnell. Solange sie das jedoch nicht äußern, gehen andere davon aus, dass diese ruhige Person eigentlich nett und liebevoll ist, obwohl sie vielleicht böse oder gemeine Gedanken hat.

Introvertierte sind humorlos

Der Humor von Introvertierten deckt sich vielleicht nicht immer mit dem der Mehrheit, doch das heißt nicht, dass sie keinen hätten. Situativer Humor ist für sie meist angenehmer als Fäkalhumor oder billige Streiche – denn wer gerne beobachtet, erkennt die Absurdität unserer Welt und der Menschen darin und das kann ziemlich witzig sein.

Introvertierte sind naiv

Ruhigen und zurückhaltenden Menschen wird oft nachgesagt, dass sie die Welt nicht ausreichend verstehen oder bewältigen könnten. Tatsächlich ist eher das Gegenteil der Fall: Durch das ständige Beobachten und Reflektieren sehen introvertierte Menschen meist klarer, wie die Welt funktioniert und die Menschen darin sich verhalten.

introvertiert genervt


Introvertierte schreiben keine Kommentare

Ein letztes Vorurteil, das ich selbst schon verbreitet habe: Introvertierte kommentieren weniger als Extrovertierte. Ja, das ist ein offensichtlicher Versuch, meine treuen Leser dazu zu bewegen, sich häufiger kritisch (positiv wie negativ) mit meinen Beiträgen auseinanderzusetzen. Euer Feedback ist wichtig für mich, um weiterhin so viel Zeit und Energie zu investieren. Außerdem solltet ihr nicht vergessen, dass eure Kommentare auch von anderen gelesen werden, die vielleicht genauso denken und fühlen wie ihr und sich dann freuen, eure Meinung/Erfahrung zu sehen.

PS: Nicht nur bei mir dürft ihr mehr kommentieren, auch bei anderen Bloggern, die ihr regelmäßig lest!


Weitere Vorurteile mit denen Introvertierte kämpfen

Diese Beispiele sind aus den Kommentaren entnommen, vielen Dank!

Introvertierte sind arrogant

Weil Introvertierte weniger sagen oder gar so dreist sind und „Nein“ sagen, wenn sie auf etwas keine Lust haben, gelten sie schnell mal als arrogant. Ich hoffe aber, dass wir uns alle einig sind, dass eine Meinung zu haben und kein Mitläufer zu sein nicht gleichbedeutend mit Arroganz sind.

Introvertierte haben oft schlechte Laune

Manche Menschen, viele davon introvertiert, lächeln nur, wenn sie einen Grund haben. Ein Dauerlächeln kommt nicht in Frage und nicht jede Aussage verdient eine positive Reaktion. Daraus schließen andere Menschen dann, dass Introvertierte nicht gut drauf wären. Wie immer gilt: Fragt doch einfach nach, ihr werdet merken, dass ihr da fast immer voreilige Schlüsse zieht. Außerdem: Niemand schuldet euch ein Lächeln, okay?

6 Kommentare

  1. Hallo Jennifer, hab noch zwei Vorurteile zu bieten: Introvertierte sind arrogant. Oja, schon oft gehört.

    Und dann noch, dass ich schlecht gelaunt bin. Nö stimmt gar nicht. Ich habe nur keine Lust, auf jeden blöden Unsinn, den andere von sich geben – und manche sind ja permanent am rumplappern – zu reagieren. Ich habe einfach meine eigenen Gedanken, die ich wichtig nehme.

    Ich habe auch keine Lust mehr, anderen mein Innenleben zu erklären. Sie wollen das doch gar nicht verstehen.

    Ich merke immer mehr, dass ich mich alleine besser entfalten kann. Ich fühle mich irgendwie freier. Trotzdem will und kann ich nicht ohne andere Menschen sein.

    • Danke für die Ergänzungen, die nehme ich auf, wenn ich weitere Punkte gesammelt habe 🙂 Die Frage danach, warum man denn so schlecht drauf sei, während man eigentlich total zufrieden ist, ist wirklich super nervig!

      Liebe Grüße

  2. Was mich eigentlich so ärgert, ist, dass jeder sich bemüßigt sieht, mir zu sagen, wie ich bin und was daran nicht richtig ist.
    Bisher habe ich noch keinen Anlass gesehen, anderen diesbezüglich meine Meinung aufzudrücken. Vielleicht sollte ich das mal anfangen?

    • Ich würde behaupten, das kommt ganz darauf an. Bei einigen Menschen kann man sich das echt sparen, die wollen es nicht verstehen. Das geht mir so mit Menschen, die ohnehin keine engere Verbindung zu mir haben. Bei anderen, die einem schon wichtig sind, lohnt es sich auf jeden Fall, sich zu erklären. Zumindest bezüglich Introversion habe ich bisher nur positive Erfahrungen gemacht – es kann nur helfen, wenn die Umgebung weiß, dass man gar nicht hilflos oder „rettenswert“ ist, sondern sehr zufrieden.

      Liebe Grüße

  3. Hi Jenny, echt ein super Artikel den du da geschrieben hast und es hat wirklich Spaß gemacht ihn zu lesen. Vor allem gefällt mir auch wie du immer wieder betonst das es im Grunde immer um das Individuum geht und dass man Menschen nicht in Schubladen stecken soll. Es geht nach wie vor um den Durchschnitt vieler und ich denke du wirst dem ein oder anderen schon mit deinem Worten geholfen haben. Ich wünsche dir viel Gesundheit und Freude bei dem was du tust. Liebe Grüße, Alex

    • Hi Alex, vielen Dank für deinen lieben Kommentar 🙂 Sowas motiviert immer dazu, dranzubleiben und neue Artikel zu schreiben!

      Liebe Grüße

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