Coaching für Introvertierte: Hüte dich vor Experten

Du bist introvertiert und suchst nach Hilfe. Herbei eilt ein Mann, eine Frau, eine Firma und sagt dir: Hey, es geht ganz leicht, komm in meinen Kurs und alles wird gut.

Großartig, denkst du dir, jemand, der mir helfen möchte und mehr Ahnung hat als ich. Denn seien wir ehrlich, du hast wahrscheinlich keine psychologische Ausbildung, du hast vielleicht sogar gerade erst herausgefunden, was introvertiert eigentlich bedeutet.

Doch leider muss ich dir sagen: Lass es. Oder eher: Sei richtig, richtig vorsichtig. Denn viele Coaches und Selbsthilfe-Gurus haben keine Ahnung davon, wer du bist und was du brauchst. Entweder, weil sie ohnehin nur dein Geld wollen (siehe Kapitel 1), weil sie es nicht besser wissen (siehe Kapitel 2) oder weil sie davon überzeugt sind, es immer besser zu wissen als du selbst und sich dann der Verantwortung entziehen (siehe Kapitel 3).

Ich glaube durchaus, dass es da draußen Menschen gibt, die richtig gute Arbeit leisten und für diese tut es mir leid, dass ich diesen Beitrag schreiben muss. Denn ich erhöhe ja das Misstrauen, obwohl sie vielleicht gut ausgebildet, fleißig und ernsthaft hilfreich sind. Aber wenn ich auch nur einen Menschen davor bewahren kann, ein überteuertes oder anderweitig schädliches Angebot in Anspruch zu nehmen, dann lohnt sich der Beitrag bereits.

Scharlatane und Betrüger

Persönlichkeitsentwicklung ist ein Wachstumsmarkt. Sie zählt dabei zum sogenannten Psychomarkt – also dem Angebotsbereich, in dem Beratung, Lebenshilfe, Therapie etc. gegen Geld zu haben sind. Der Umsatz wird in Deutschland je nach Definition auf 5 bis 10 Milliarden Euro im Jahr geschätzt.

Warum nur geschätzt? Weil „Coach“ kein geschützter Begriff ist, Beratungsangebote in vielen verschiedenen Formen auftreten (Unternehmen, Finanzen, Persönlichkeit, Meditation, …) und jede „Zählung“ somit zu einem anderen Ergebnis kommt.

Aber wahrscheinlich verschwende ich auch bereits zu viel Zeit bei diesem Punkt, denn jeder hat wohl schon mal etwas mit Selbsthilfe, psychologischen Tricks oder ähnlichem zu tun gehabt. Also ist dort auch Geld zu holen.

Und wo Geld ist, sind auch diejenigen, die es möglichst schnell und rücksichtlos haben wollen. Nennen wir sie Scharlatane. Ihnen geht es nicht darum, dass du dich als introvertierter Mensch gut fühlst. Es ist ihnen auch ziemlich Schnuppe, dass du möglicherweise gerade eine schwere Lebenskrise durchlebst. Sie wollen nur, dass du ihr vorgefertigtes Angebot annimmst.

Man erkennt sie am ehesten daran, dass sie maßlos übertreiben. Auf der Bühne rumhüpfen, bunte Farben auf der Homepage, das Versprechen, dass sie dich von jedem Problem der Welt befreien können. Glaub.Ihnen.Kein.Wort.

Leider werden sie immer gerissener. Testimonials (also Reviews, Bewertungen) werden zu Hauf gekauft – dadurch sehen diese Leute sehr viel seriöser aus, als sie eigentlich sind. Doch sie werden trotzdem weiter absolute Aussagen verwenden und unnötigen Aufriss um ihr Angebot machen – wer dir wirklich helfen will, tut das, indem er dir wichtige Informationen gibt und keine blinkenden Lichter oder Superduperhyperbolomeganagebotenurheute.

dubiose selbsthilfe

Schlecht ausgebildete Coaches

Dass es Betrüger gibt, wusstest du wahrscheinlich schon. Doch es gibt auch diejenigen, die einfach nicht viel auf dem Kasten haben. Die haben ein Buch gelesen – vielleicht sogar das Coaching-Angebot eines anderen angenommen – und glauben jetzt, dass sie im Leben anderer Menschen herumfuschen können.

Sie wissen nichts (oder nicht genug) über Psychologie und psychische Krankheiten, somit können sie eine Unzufriedenheit meist nicht von einer Depression unterscheiden. Oder sie setzen – wie im Falle vieler Coaches – einfach Introversion mit Schüchternheit gleich und versuchen dich dann zu heilen.

Dahinter stecken Rücksichtslosigkeit und Selbstüberschätzung. Ich finde das pervers, denn diese Selbsthilfeangebote oder Angebote zur Persönlichkeitsentwicklung richten sich (häufig sogar bewusst) vor allem an diejenigen, die ohnehin schon verletzt, angreifbar oder unglücklich sind.

Sie zu erkennen, ist natürlich alles andere als einfach, denn du suchst ja nach jemandem, der mehr Ahnung hat und dich somit leiten kann. Tritt der Coach selbstbewusst genug auf, wirst du ihm vielleicht Glauben schenken.

Es kann sogar sein, dass er dir wirklich hilft. Das haben nämlich dieses Kapitel und das nächste gemeinsam: Es ist nicht so, als gäbe es keine Erfolge. Doch wenn gleichzeitig genauso viele oder mehr Menschen noch weiter von einem besseren Leben weggetrieben werden, weil sie absolut unzulänglich informiert oder betreut werden, dann ist es das aus meiner Sicht nicht wert.

fachwissen für coaches

Verantwortung und Kontrolle in der Selbsthilfe

Hier führe ich jetzt ein praktisches Beispiel an. Denn ich habe mich neulich in einer Facebook-Gruppe mit jemandem unterhalten, der ebenfalls als Coach arbeitet und meiner Meinung nach nicht ausreichend sorgfältig mit dem Thema Introversion umgeht und vor allem: Verantwortung abgibt.

Ich werde den Namen der Gruppe und der Person nicht öffentlich machen, da ich glaube, dass dort jemand helfen möchte, es sogar bei einigen Menschen schaffen wird, aber eben dabei falsche Methoden verwendet – das geht aber nur aus dieser Interaktion (und einer späteren Videobotschaft in der Gruppe) hervor, nicht aus einem gebuchten Coaching, weshalb ich es hier nicht wagen würde, schlechte Presse zu machen.

Praktisches Beispiel: der Kontext

rat vom experten?

Mich störte an dieser Aussage, dass sie ein typisches Beispiel dafür ist, wie Introvertierte in Rollen gedrängt werden, die sie gar nicht einnehmen wollen. Ganz besonders, da sie absolut ist. Es folgt noch der Hinweis auf das Coaching beziehungsweise den Workshop.

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Meine Antwort:

kritik an coaches

Ich verwehre mich also nicht der Idee, dass Menschen, die Entscheidungsprobleme haben, Hilfe annehmen sollten. Absolut richtig. Was mich störte war, dass jemand, der eigentlich keine Lust auf „Einfach machen“ hat, in der Gruppe für Introvertierte und Hochsensible ist und dort eine Aussage von jemandem mit einer Ausbildung im Bereich Psychologie liest, dass man einfach machen soll und die Konsequenzen auch nicht so schlimm sein müssen. Ich wollte gerne, dass das nicht ganz so absolut ist, da es eher nach einem Tipp von Extrovertierten für Introvertierte klingt.

Psychische Probleme, Selbsthilfe, psychologische Beratung

Für jeden Menschen mit ernsthaften psychischen Problemen kann das Signal „einfach machen“ fatal sein. Bipolare in einer manischen Phase brauchen genau das Gegenteil, nämlich einen Weg, um nicht impulsiv zu sein. Menschen mit einer Depression können sich zum Handeln gedrängt sehen, eine negative Erfahrung machen und dann noch weiter in die Depression rutschen. Menschen mit ADHS brauchen Impulskontrolle.

Und auch Introvertierte ohne diese Probleme, können verleitet werden, ihre sorgsame und durchdachte Art wieder zu hinterfragen. Das wird in der Antwort gleich noch deutlicher werden.

Später wurde angeführt, dass ja jeder selbst für sich verantwortlich ist und aus der Aussage machen kann, was er will. Und da liegt das Problem: Eine ausgebildete Person in einer Gruppe, in der Menschen nach Hilfe und Halt suchen, gibt die Verantwortung für die Konsequenzen der eigenen Handlungen und Aussagen ab. 

Psychologische Tricks

In der folgenden Antwort kommen kleine psychologische Tricks vor, die einen Leser dazu bringen, verunsichert zu sein.

„Wie gesagt, ich lese das da raus, das muss nicht stimmen.“

Der berühmte „Ich stelle nur Fragen-Trick“, der auch von Verschwörungstheoretikern genutzt wird.

„Und wer sagt denn, dass Chaos etwas Schlechtes ist?“

Gleiches noch mal. Es wird nicht gesagt, dass Chaos gut ist, aber was ist denn, wenn es nicht schlecht ist? Der Leser (in diesem Fall ich) soll weiter mit offenen Aussagen verunsichert werden.

„Vor einem Jahr hätte ich dir zugestimmt.“

Suggeriert, dass ich einfach noch nicht so weit bin.

„Ein Gedanke noch: Wenn jemand aus der Sorgfalt sein Selbstbewusstsein zieht, dann ist er vielleicht nicht wirklich selbstbewusst.“

Nur noch eine Anmerkung, nur noch ein Gedanke, nur noch eine offene Aussage, die sich in diesem Fall direkt darauf bezieht, dass ich mich als selbstbewusst durch Sorgfalt bezeichnet habe.

hilfe zur selbsthilfe toxisch

schädliche selbsthilfeangebote

Wir alle tricksen bewusst und unbewusst in Konversationen. Das Problem ist, als Antwort kamen unendlich viele Relativierungen und kleine Spitzen, die mich verunsichern sollen. In diesem Szenario bin ich aber der „kleinere Fisch“, da ich eben keine professionelle Ausbildung in diesem Bereich habe. Wäre ich jünger oder unsicherer, hätte ich aus dieser Antwort mitgenommen, dass ich VIELLEICHT gar nicht so selbstbewusst bin, wie ich denke, dass ich eigentlich nichts WIRKLICH weiß und dass ich VIELLEICHT Hilfe brauche.

Wenn das die Methode ist, die hinter dem Coaching steckt, wird mir angst und bange. Denn diese dritte Kategorie der Coaches ist die, in der Menschen überzeugt sind, die Lösung schon zu kennen ODER dich gegebenenfalls weiter zu verunsichern und nur dann Verantwortung zu nehmen, wenn es gut ausgeht. 

Gute Absichten, schlimme Folgen

Der Gedanke dahinter ist: Ich habe mein Leben auf diese Art verändert, ich möchte, dass andere es auch tun. Ich kenne die Methode schon, die anderen müssen nur noch zu mir aufschließen.

Das ist ein verdammt guter, großzügiger und wichtiger Ansatz. Er ist nur gleichzeitig extrem gefährlich. Denn während die Scharlatane und Unwissenden in einer uralte Kerbe hauen, in der Introversion grundsätzlich als schlechter angesehen wird, wollen diese Menschen helfen, weil sie denken, dass sie es eben anders und somit besser machen.

Denn sie haben etwas gefunden, was ihr Leben besser macht, sie wollen, dass es anderen auch so geht. Wie könnte man das kritisieren?

Ganz einfach, Glück kann blind machen. Was dem einen hilft, kann den anderen noch weiter in den Abgrund drängen. Persönlichkeitsentwicklung und Lösungen sind höchst individuell, viele Menschen glauben aber, eine universelle Wahrheit gefunden zu haben. Jeder, der behauptet, er könnte Menschen helfen, hat eine ungeheure Verantwortung für seine Aussagen und Handeln.

Das bezieht sich nicht nur auf das obere Beispiel – wer weiß, vielleicht ist das tatsächliche Coaching sehr viel besser auf den einzelnen Menschen zugeschnitten. Aber wie gezeigt, der erste Eindruck ist, dass hier sehr allgemeine Aussagen getroffen werden und gleichzeitig mehr und mehr Suggestivfragen aufgetan werden, was leider durch eine spätere Antwort bestätigt wurde:

einfache aussagen in der psychologie

Psychologie und Persönlichkeit sind niemals einfach. Wenn man sich verändert hat und zurück schaut, dann denkt man manchmal „Huch, so schwer war das gar nicht“, aber in Wahrheit ist für viele von uns sehr harte Arbeit und die Antworten auf unsere Fragen sind nicht eindeutig.

Ich denke, das würde mein Konversationspartner auch nicht bestreiten, doch jemand arbeitet hier mit Worten, um anderen zu helfen, dann sind vereinfachte Aussagen eben nicht angebracht. Aus meiner Sicht zumindest.

Stark vereinfachte Hinweise und Ideen decken niemals das Gesamtbild ab und helfen einem Menschen auch selten dabei, sich vollständig mit einem Problem auseinanderzusetzen, um so auch vor zukünftigen Problemen gewappnet zu sein.

Was wir brauchen verändert sich mit den Jahren, wie wir uns selbst sehen auch, wir müssen durch einige Prozesse mehrmals durch, um glücklich oder zufrieden zu sein.

Manch einer wird bis hierher lesen und eine ähnliche Meinung haben, wie die Person, die als Beispiel genutzt wird: Jeder ist doch selbst für sich verantwortlich, man muss ja nicht auf einen Coach hören.

Wer sich als Experte, Coach oder jemand mit entsprechender Ausbildung präsentiert, hat nicht die gleiche Verantwortung, wie Otto N., der mal seine Meinung abgibt. Die Menschen wollen so einer Person vertrauen. Das erzeugt ein Machtverhältnis, eines, wovon diese Coaches profitieren.

„Ich bin eine Autorität auf diesem Gebiet, aufgrund meiner Ausbildung und Erfahrung, daher weiß ich mehr als du und du solltest mir vertrauen/auf mich hören.“

Später fiel in einem „Antwortvideo“ ohne Witz der Satz: „Ich bin nicht verantwortlich dafür, wie andere meine Worte interpretieren“. Das ist ein wichtiger Hinweis für Menschen, die mit Schuld und Ängsten kämpfen, aber NICHT für jemanden, der behauptet, anderen helfen zu können und eine entsprechende Ausbildung anführt. Auch dass es sich nicht um eine Therapiegruppe handelt, wurde bemerkt.

In dem Moment, in dem eine Person mit einem vermeintlichen Wissensvorsprung angibt, mit psychologischen Problemen umgehen zu können und Mittel zur Hilfe zu haben, wird mit den Leben und somit der Psyche der anderen gearbeitet. Aus meiner Sicht ist es hochgradig unmoralisch, dann keine Verantwortung mehr zu übernehmen und einen auf „Ich stell nur Fragen“ und „Will doch nur helfen“ zu machen. Oder auch mehr oder minder anzudeuten: Naja, wer verstehen will, was ich wirklich meine, der muss halt meine Angebote in Anspruch nehmen.

Eine Warnung vor „Experten“ und Coaches

Es gibt keine Kontrolle für solche Angebote, jeder kann sie erstellen, jeder kann glauben, dass seine Art die richtige Art ist. Und am Ende sagen: Sorry, wenn es dir schadet, ist das doch nicht meine Schuld… oder schlimmer noch (etwas, was auch in toxischer Positivität vorkommt): Wenn es dir mit meiner Methode nicht gelingt, dann liegt es an dir und nicht an der Methode.

Aber ist es nicht das, was uns versprochen wird? Hilfe, Lösungen, ein besseres Leben? Was macht es mit uns, wenn wir ein Angebot annehmen, weil wir etwas Halt suchen und dann wieder scheitern?

(Verunsichert? Gut. Ich habe das nämlich mit den Fragen erreicht, die offen sind und gar keine richtige Aussage beinhalten, gleichzeitig aber Verunsicherung hervorrufen. Dadurch solltest du für die nächste Aussage empfänglicher sein. Manipulation erkannt?)

Als Teenager und junge Erwachsene habe ich mich auch an die gewandt, die meinten, eine schnelle und endgültige Lösung parat zu haben. Hätte ich an einem Tag, an dem es mir nicht gut ging, in einer Gruppe für Introvertierte, die von jemandem mit einer Ausbildung im Bereich Psychologie betrieben wird, gelesen: Einfach MACHEN & EINFACH machen, hätte ich mich nur gefragt, was mit mir nicht stimmt und mich weiter gegen mich selbst gewehrt. Heute hoffe ich, meinen Teil dazu beizutragen, dass es anderen nicht auch so ergeht.

Verantwortung hat jeder, der Coachings, Workshops oder einfach professionelle Hilfe anbietet. Das ist aber meine persönliche Meinung. Diese Menschen unterstehen keinem hippokratischen Eid, es gibt niemanden, der ihnen auf die Finger schaut, solange nichts ernsthaft Schlimmes passiert. Also kann ich nichts machen, außer davor zu warnen, sich auf Menschen einzulassen, die keinerlei Kontrolle unterliegen.

Weitere Beispiele für mangelhafte Ratschläge

Entfernen wir uns mal von dem oberen Beispiel, es sollte klar sein, dass ich mich daran störe, wenn jemand nur dann für eine Veränderung/Interpretation Verantwortung übernimmt, wenn diese gut ist.

Andere Coaches wählen den berühmten Satz: Du musst deine Komfortzone verlassen, um glücklich zu werden! Dass es ein schönes 3-Phasen-Modell gibt und man erst etliche Zeit und Energie investieren muss, um seine Komfortzone zu bestimmen, das erfährst du erst später oder gar nicht. Passt halt nicht auf ein Instagram-Bild. (Mehr dazu: Können wir extrovertiert werden?) Auch hier gilt: Eine gute Sache, die aber wirklich verstanden werden muss, um keinen Schaden anzurichten.

Neulich diskutierte man im Internet über einen Beitrag von JETZT, in dem Jessica Pan ein Jahr lang zu allem „Ja“ sagen wollte, um „extrovertierter“ zu werden. Wer genau hinsieht und bereits mehr über das Thema weiß, erkennt schnell, dass sie eigentlich gegen ihre Schüchternheit und sozialen Ängste gekämpft hat. Wer aber noch wenig weiß und nur Hilfe sucht, wird ihre Technik einfach ausprobieren und scheitern. Jessica Pan hat sich überhaupt nichts Böses gedacht, als sie dieses Interview gab, aber es steht für Stillstand, wo wir eigentlich Fortschritt suchen. Es gibt also unzählige Beispiele für Situationen, in denen wir es einfach noch etwas besser machen können und sollten.

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Woran erkennst du ein gutes Angebot?

Du weißt nun also, es gibt Menschen, denen bist du egal, welche, die es nicht besser wissen und diejenigen, die richtig gute Ansätze haben und sogar vielen Menschen helfen, dabei aber Kollateralschäden verursachen.

Woher weißt du nun, ob ein Coaching gut oder schlecht ist? Gute Frage. Denn es gibt kein definitives Kriterium. Drei Sachen solltest du aber auf jeden Fall immer checken, bevor du loslegst:

  • Impressum und Ausbildung des Coaches
  • Bewertungen suchen und einordnen
  • Fachwissen zum Thema Introversion erkunden

Hat die Website kein leicht aufzufindendes Impressum, dann lass es. Ist der dahinterstehende Coach nirgendwo außer auf dieser Seite zu finden, dann lass es. Gibt er bei seiner Qualifikation nicht an, woher er sie hat, dann lass es.

Bewertungen und Rezensionen sollte es geben, sonst ist das Ganze schon dubios. Aber – wie erwähnt – können auch diese gefälscht oder gekauft sein. Sieht du viele ähnliche Bewertungen oder scheint jede Aussage individuell zu sein? Sind die Bewertungen auf mehreren Plattformen (Facebook, Google, Homepage, …) zu finden oder nur auf einer?

Last but not least ist es speziell für Introvertierte unumgänglich, dass die Informationen, die derjenige zur Verfügung stellt, zum Beispiel auf Social Media oder einer Website, zum Thema Introversion untersucht werden. Wenn derjenige dir absolute Freiheit und perfektes Selbstbewusstsein verspricht, zwischen Introversion, Angst und Schüchternheit aber nicht unterscheiden kann, dann ja, sag lieber nein danke. Man kann leider nicht verhindern, dass diese Personen auf die Menschheit losgelassen werden (siehe Scharlatane und Unwissende) beziehungsweise mangelt es an Kontrollmöglichkeiten (siehe Helfer mit mangelndem Verantwortungsbewusstsein).

introvertierte suchen hilfe

Sind Coaches für Introvertierte gut oder schlecht?

Persönlichkeitsentwicklung ist grundsätzlich nicht schlecht. Wenn du etwas verändern möchtest, dann kann es sein, dass ein guter Coach dir dabei zur Seite steht. Ich verteufle nicht alle, die solche Angebote in die Welt stellen, im Gegenteil, es kann denen helfen, die anderswo keine Hilfe finden.

Allerdings würde ich persönlich, wenn ich sowieso überlege, ob ich Geld an jemanden zahle, den ich nicht kenne, den sichereren Weg über einen erfahrenen Psychologen oder Therapeuten wählen. Das Stigma der Therapie ist noch immer da, doch wenn du wirklich unzufrieden bist, wirst du dort erfahren, wo genau deine Probleme liegen und welche Möglichkeiten du hast, damit umzugehen.

Ganz besonders, wenn du dich in einer verletzlichen Situation befindest. Ein Psychotherapeut unterliegt ganz anderen Ansprüchen und Auflagen als jemand, der nur einen Bachelor oder einen Weiterbildungskurs gemacht hat. Auch hier gilt: Schwarze Schafe gibt es, also nimm nicht den erstbesten, sondern einen, bei dem du dich wohlfühlst und öffnen kannst.

Mehr dazu: Stiftung Gesundheitswissen /
Ethik und Berufsrecht in der Psychotherapie

Informiere dich außerdem BEVOR du ein Angebot annimmst. Ich empfehle Susan Cain und ihr Buch Still an jeder freien Ecke dieses Blogs. Denn wer es von vorne bis hinten gelesen hat, entgeht schon mal ganz vielen Fallen, die ich hier aufgezählt habe. Darin gibt es keine „Lösung für alle“, darin gibt es Verständnis und Zuversicht zu finden, die dich davor schützen können, dass dir jemand einredet, du müsstest dich gegen deine Natur wehren.

Bei Introvertierten ist es außerdem so, dass in einigen Gruppen und Foren massiv aufgepasst wird – die Admins müssen aufmerksam sein, da sich Coaches immer wieder einschleichen und anschließend Werbung für sich machen – manchmal nur per PN. Melde sowas am besten sofort, um andere zu schützen. Diese Gruppen können dir auch dabei helfen, ein Angebot besser einzuschätzen oder Erfahrungen auszutauschen – sie ersetzen jedoch keine Psychotherapie, Selbsterkenntnis oder professionelle Betreuung.

Aber selbst Aufmerksamkeit, das Buch Still und dieser Beitrag zusammen können dich nicht einwandfrei davor schützen, dass du an jemanden gerätst, der dir mehr schadet, als hilft. Sei aufmerksam und glaube niemandem, der behauptet, die Lösung für all deine Probleme sei einfach oder dieselbe Lösung wie für alle anderen Menschen. Außerdem solltest du dich, bevor du das Angebot annimmst (oder spätestens wenn es losgeht), mit jemandem aus deinem sozialen Umfeld darüber unterhalten. Derjenige kann ein Auge auf dich haben und dir notfalls zur Seite stehen.


Hast du schon mal ein Coaching gemacht? Interessierst du dich für Persönlichkeitsentwicklung? Teile deine Erfahrungen gerne mit anderen – sowohl gute als auch schlechte Erfahrungen.

PS: In den Kommentaren habe ich außerdem weitere interessante Beiträge verlinkt.

4 Kommentare

  1. Hier die versprochenen weiterführenden Links:

    Die 7 häufigsten Selbsthilfe-Tipps und warum sie nicht funktionieren: https://highexistence.com/7-popular-self-help-tips-fking-life/

    Welche Ausmaße Coachings annehmen können und wie man sich vor den gefährlichen Angeboten schützt: https://www.scientificamerican.com/article/how-to-protect-yourself-against-bad-self-help/

    Viel Spaß beim Lesen, falls ihr noch mehr interessante Artikel findet, immer her damit. Je mehr wir uns informieren, umso mehr sind wir vor dubiosen Angeboten geschützt!

  2. Super Artikel – vielen Dank!

    Was mir persönlich besonders gut an diesem Blog-Artikel „Coaching für Introvertierte“ gefällt ist,
    dass dieser auf viel Hintergrundwissen mit Fakten basiert, sowie gute Alternativen aufzeigt werden.

    Ich kann dies auf Grund von eigenen Erfahrungen (NLP-Ausbildung) nur bestätigen.

    Für diese Aufklärungsarbeit zolle ich der Bloggerin meinen größten Respekt!

    • Wenn das kein Lob ist, das richtig gut tut, dann weiß ich auch nicht. Schön zu wissen, dass die Aufklärungsarbeit auch tatsächlich ankommt. Ich gebe weiterhin mein Bestes 🙂

      Liebe Grüße
      Jennifer

  3. Ein so wichtiger Artikel, ich danke dir! 🙂 Aus diesem Grund habe ich eine systemische Ausbildung. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie viel Fingerspitzengefühl nötig ist, um introvertierte Menschen richtig abzuholen und nicht durch platte Binsenweisheiten ihr Gefühl von „Ich bin nicht okay“ weiter zu verstärken. Da hat die Insta-Coaching-Bubble viel Schaden angerichtet.
    Alles Liebe, Melina

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