Lange bevor die meisten Hochsensiblen verstehen, dass sie hochsensibel sind, bemerken sie Symptome. Ganz vorne mit dabei sind Müdigkeit und Erschöpfung. Hochsensible neigen dazu, viel schneller Energie zu verlieren – und dazu, länger zu brauchen, um die Energie zurückzugewinnen.
Das ist eigentlich nicht schlimm. Wer sich mit seiner Hochsensibilität arrangiert, kann viele Maßnahmen ergreifen, um Erschöpfung entgegenzuwirken. Nur leider wissen viele nicht, wie das geht. Und dann ist schnelle Erschöpfung natürlich ein Problem. Denn wir arbeiten, treffen Freunde, suchen Partner, kümmern uns um die Familie, wollen Hobbys nachgehen … ohne Energie fällt all das schwer oder ist sogar unmöglich. Umso wichtiger ist es, den Zusammenhang zwischen Hochsensibilität und Erschöpfungssymptomen zu kennen.
Was ist für Hochsensible anstrengend?
Theoretisch kann so gut wie alles für hochsensible Menschen anstrengend sein. Denn was die Erschöpfung auslöst, ist die Überreizung. Für einige sind es soziale Kontakte, Geräusche und Stress, die problematisch sind. Für andere sind es Gerüche, Berührungen und Konflikte.
Wie schnell jemand erschöpft ist, hängt also vom Grad der Sensibilität und von individuellen Faktoren ab. Ist jemand zusätzlich schüchtern, dann sind soziale Kontakte natürlich besonders belastend. Für kreative Hochsensible kann es wiederum anstrengend sein, wenn sie in festgefahrenen Strukturen leben und arbeiten müssen.
HSPs (HSP steht für Highly Sensitive Person) sollten immer davon ausgehen, dass sie schneller Energie verlieren als ihre Mitmenschen. Mit dieser Grundannahme können dann die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden, die Dinge wie Überlastung oder gar Burnout verhindern können.
So fühlt sich Erschöpfung an
Jeder Mensch kennt das Gefühl der Erschöpfung. Wer einen Marathon läuft, wird danach wohl ausgelaugt sein. Verbringt man eine Nacht ohne Schlaf, ist Müdigkeit vorprogrammiert. Wer von 24 Stunden am Tag 12 mit Lernen verbringt, sollte besser erschöpft sein, sonst sieht der Rest von uns irgendwie faul aus.
Die Besonderheit für hochsensible Personen besteht darin, dass es kein einzelnes Ereignis geben muss, das die Erschöpfung auslöst. Schon der Alltag kann belastend sein. Das fühlt sich dann meist an, als würden alle Menschen mühelos durch das Leben gleiten, während man selbst ständig zu kämpfen hat.
Arbeit, Familie, Freunde und Hobbys unter einen Hut zu bekommen, scheint völlig unmöglich zu sein. In einer vollbesetzten Bahn einem Gespräch zu folgen, ist die reine Hölle. Laute Menschen können auf keinen Fall ignoriert werden.
HSPs verlieren Energie über den Tag hinweg in Situationen, die anderen Menschen oftmals nicht viel anhaben können. Somit haben sie auch viel mit Introvertierten gemeinsam, die speziell durch soziale Kontakte schnell erschöpft sind. Es fühlt sich ein wenig so an, als würde man durch eine dicke Soße oder einen zähflüssigen Matsch waten, während alle anderen am Ufer entlanglaufen. Mit jeder weiteren Minute wird es schwerer, die einfachsten Dinge zu tun. Die gute Nachricht ist: Das muss nicht sein!
Was sollten Hochsensible vermeiden?
Bevor es darum geht, wie man Energie tanken kann, soll erst einmal darauf geschaut werden, wie man sie nicht (oder langsamer) verliert. Denn es müssen weniger Regenerationsmaßnahmen gestartet werden, wenn noch etwas Energie übrig ist. Schutz vor Erschöpfung kann also der erste Schritt sein.
Laute und unübersichtliche Umgebungen
Reize sind für Hochsensible immer etwas stärker als für Nicht-Hochsensible. Das heißt, was den einen überhaupt nicht stört, ist dem anderen zu viel. Gerade Lautstärke und Unübersichtlichkeit sind etwas, was so gut wie jeden HSP belastet. Natürlich gibt es Ausnahmen – wenn man sich an einem Ort grundsätzlich wohlfühlt und von Freunden oder Familie umgeben ist, schlaucht die Situation schon etwas weniger.
Aber wenn die Frage ist, wie Hochsensible besser mit ihrer Energie haushalten können, dann muss nun mal gesagt werden, dass einige Umgebungen problematisch sind. Somit sollte der Besuch von Bars, Clubs oder Konzerten eher die Ausnahme sein. Wer als hochsensibler Mensch versucht, ständig und überall dabei zu sein, wird schnell müde werden – oder schlimmer.
Zu viele Neuheiten auf einmal
Eine Möglichkeit, Energie zu tanken, ist sich Routinen zu schaffen. Somit ist das negative Gegenstück die ständige Veränderung. Ein neuer Partner, ein neuer Job und eine neue Wohnung – all diese Dinge können positiv sein. Gibt es diese drei positiven Dinge aber alle innerhalb eines Monats, ist das überwältigend.
Somit sollten HSPs sich ruhig auf ihre Routinen verlassen und Veränderung langsam angehen. In der schnelllebigen, modernen Welt ist das nicht ganz einfach. Immerhin lautet das Motto aktuell schneller, höher, weiter, mehr und bleib bloß nicht stehen. Um sich zu schützen, sind Ruhe und Berechenbarkeit aber ziemlich wichtig.
Versteckspiele
Genau wie introvertierte (und neurodiverse) Menschen versuchen auch Hochsensible meist lange, sich zu verstellen. Einfach so leben wie alle anderen, dann wird schon alles gut. Nicht wahr? Leider ist es nicht so einfach.
Je mehr man versucht, nicht hochsensibel zu sein, umso mehr Energie verliert man. Ständig darauf zu achten, nicht negativ aufzufallen oder immer wieder zu Veranstaltungen zu gehen, die einem nicht guttun, ist einfach nicht sinnvoll. Und sogar ein bisschen unehrlich. Um das Leben entspannter anzugehen, müssen die hochsensiblen Eigenarten akzeptiert werden.
Energie tanken: So gelingt es
Das Leben lässt es leider nicht zu, dass man sich ständig vor Energieverlust schützen kann. Es lassen sich auch gute Argumente dafür finden, dass das gar keine gute Idee wäre. Denn manche Menschen und Ereignisse sind die Erschöpfung definitiv wert. Wer nicht die Chance sieht, das Leben etwas entspannter und reizarmer zu gestalten, wird sich die Energie also zurückholen müssen.
Was tut hochsensiblen Menschen gut?
Um Energie zu tanken, müssen hochsensible Menschen ihr Stimulationsniveau senken. Das heißt, Reize müssen so minimiert werden, dass keine Überlastung mehr stattfindet. Stille, Dunkelheit, Ruhe, Meditation und weitere Dinge können das erreichen.
Einige Tipps funktionieren natürlich besser als andere. Für eine hochsensible Person sind es Noise-Cancelling-Kopfhörer, die die Rettung darstellen. Für eine andere Person ist es Mittagsschlaf. Hier gilt: Selbst ausprobieren und lernen.
Tipps, um Energietanks aufzufüllen:
- völlige Stille erfahren
- morgens länger schlafen
- leichte körperliche Betätigung (z.B. spazieren)
- Socia Media Pause einlegen
- Erwartungen an sich selbst senken
- Hobbys nachgehen
- Waldspaziergang
- Mittagsschlaf
- Meditation
- Yoga
- Lesen
Es mag lächerlich einfach klingen: Doch was hochsensiblen Menschen guttut, ist all das, was ihnen nicht schadet. Ist erst einmal klar, welche Reize besonders belastend sind, werden diese einfach so gut es geht reduziert – dabei wird also weniger Erschöpfung ausgelöst. Gleichzeitig muss herausgefunden werden, nach welchen Aktivitäten man sich besonders erholt fühlt – und diese dann häufiger in den Alltag einbauen.
Emotional abgrenzen
Geräusche, Gerüche und Berührungen erkennen die meisten Menschen problemlos als Reize. Etwas weniger bekannt ist, dass auch andere Menschen Reize darstellen. Für Hochsensible ist dies aber extrem relevant. Denn selbst ein Leben mit viel Entspannung und wenig Umweltreizen kann zu Erschöpfung führen, wenn die falschen Menschen Teil des Lebens sind.
Egoisten, rücksichtslose Menschen und Narzissten sind besonders toxisch für Hochsensible. In diesem Fall kann nur empfohlen werden, so schnell es geht Distanz aufzubauen. Da das ein ganz eigenes Thema ist, hier weiterführende Informationen aus dem Artikel zum Aufbauen von Distanz:
„Du wärst nicht hier, wenn du nicht bereits Leute im Leben hättest, die dir Kraft rauben. Ob direkt – z.B. durch Gemeinheiten – oder indirekt – z.B., weil du ihnen viel deiner Aufmerksamkeit schenkst. Du hast dann die Möglichkeit, dich räumlich zu distanzieren.
Im Extremfall triffst du solche Personen nicht mehr und brichst den Kontakt ab. Aber das ist meist eher der letzte Schritt, wenn nichts anderes mehr geht. Und manchmal geht es eben auch nicht. Kollegen, Familienmitglieder oder Nachbarn wechselt man nicht einfach. Dann musst du dir andere Möglichkeiten suchen.
Ein erster guter Weg, um mehr Abstand zwischen dich und eine Person zu bringen, die dir nicht guttut: Sie seltener treffen. Klingt einfach, ist aber so. Wenn du irgendeine Möglichkeit siehst, weniger Zeit mit dem Menschen zu verbringen, solltest du das als erstes tun.“ – Wie distanziert man sich von Menschen?
Weitere Ursachen für Antriebslosigkeit
Wenn man etwas über sich oder die Welt herausfindet, ist das manchmal lebensverändernd. Auf einmal scheint alles klarer zu sein. Die Lösung für alle Probleme wurde auf einen Schlag gefunden! So leicht ist es nicht.
Nicht jeder, der von Reizen schnell beeinflusst wird, ist einfach nur hochsensibel. Auch introvertierte Menschen sind schnell von sozialen Kontakten überwältigt. Neurodiversität kann ebenfalls die Ursache für Probleme im Alltag sein.
Hinzu kommt, dass Ernährung und körperliche Fitness eine Rolle spielen. Werden Bewegung und gesunde Ernährung vernachlässigt, fühlt sich alles schwerer an. Die Regeneration nimmt mehr Zeit in Anspruch. In diesem Fall wird es nicht reichen, nur die Hochsensibilität zu akzeptieren und ein wenig reizarmer zu leben – um wieder volle Kraft zu haben, muss sich um den Körper gekümmert werden.
Fazit: Sensibilität ist eine Herausforderung
Es ist kein Zufall, dass sich die Berichte von überforderten Menschen häufen. Generell, nicht nur wenn es um Menschen geht, die von der Norm abweichen. Hochsensible Menschen empfinden die moderne Welt als extra laut und belastend. Doch da es noch so viele Menschen gibt, die nicht einmal wissen, was Hochsensibilität ist, mangelt es noch an Aufklärung. Und wer nicht weiß, dass er besondere Bedürfnisse hat, wird sein Leben auch nicht entsprechend umstellen können.
Es scheint nicht ganz fair zu sein, dass es Menschen gibt, die niemals herausfinden müssen, was eine soziale Batterie ist. Oder dass sie ihre Energien scheinbar problemlos mit einer Nacht Schlaf aufladen können. Aber um Fairness soll es hier auch nicht gehen. Es geht darum, dass es keine Standard-Lebensweise gibt, die zu jedem passt. Wer hochsensibel ist, muss ein ruhigeres Leben führen, um zufrieden zu sein. Das ist nicht das Ende der Welt, man muss es einfach nur wissen.
Vielen Dank für diesen aufschlussreichen Artikel.Das hat mir die Augen geöffnet.Jahrzehnte lang leide ich unter Erschöpfung,und habe mich ständig gefragt was mit mir nicht stimmt.Vor einiger Zeit kam ich mit Informationen über hochsensibilität in Kontakt,aber ich änderte meine Lebensweise nicht viel.Nach und nach kam ich dahinter das mir gewisse Situation, Menschen und Lärm nicht gut tun.Es ist ein Prozess da hinter zu kommen.Medikamente verschlimmert die Sache nur.Mir ist jetzt einmal richtig bewusst geworden das ich zu mir stehen darf,egal was andere darüber denken und habe Hoffnung bekommen das sich mein Leben bessert.All das habe ich mit Gottes Hilfe erfahren!Gottes reichen Segen für alle die auch mit hochsensibilität zu tun haben!Danke!
Der Text bietet eine aufschlussreiche Perspektive auf die Herausforderungen, mit denen hochsensible Menschen konfrontiert sind, besonders in Bezug auf Müdigkeit und Erschöpfung. Es ist beeindruckend, wie tiefgehend du die Zusammenhänge zwischen Hochsensibilität und den damit verbundenen Symptomen analysierst. Ein wichtiger Aspekt, den man auch berücksichtigen sollte, sind Techniken zur Selbstpflege, die hochsensiblen Menschen helfen könnten, ihre Energiereserven besser zu schützen. Great job highlighting such an important topic!