Melancholische Menschen verstehen (Eigenschaften & Merkmale)

Melancholie, ein Zustand der Traurigkeit oder Betrübtheit. Grundsätzlich nehmen wir sie als negativ wahr. Immerhin wollen doch alle Menschen glücklich sein, oder nicht? Melancholischen Menschen wird daher mit Worten, Taten und manchmal sogar Zwang klar gemacht, dass sie dringend etwas ändern müssen.

Aber ist das wirklich so? Menschen, die wir als melancholisch wahrnehmen, sind nicht automatisch depressiv. Es wollen auch nicht alle Hilfe haben. Einige nehmen die Melancholie an, machen sie sogar zum Teil ihrer Persönlichkeit. Denn sie sehen Melancholie nicht als Hindernis, sondern als Teil des Lebens.

Die wichtigsten Charaktereigenschaften von melancholischen Menschen

Es geht im Folgenden nicht um Menschen, die einfach nur traurig sind. Als melancholische Menschen beschreiben wir diejenigen, die grundsätzlich eine etwas „niedriger“ liegende Stimmung haben. Sie weichen also von der Norm ab, die ständig glücklich ist oder sein möchte. Was dabei fehlt, ist der konkrete Auslöser.

Es gibt keinen Todesfall, keinen Jobverlust oder keine Trennung, die eine melancholische Person ausmachen. Melancholiker zeichnen sich dadurch aus, dass sie nahezu immer eine etwas gedämpfte Stimmung haben. Das macht melancholische Menschen meist ruhiger. Das Annehmen von Traurigkeit oder auch Unvollendung führt meist zu gemäßigten Reaktionen. Auf schöne Ereignisse wird nicht überschwänglich reagiert und auf schlechte nicht mit Panik.

Oftmals sind Melancholiker sehr empathisch. Weil sie ihre eigene Traurigkeit intensiv betrachten, sehen sie sie auch bei anderen. Einige sehen den Schmerz anderer nur, manche helfen so gut sie können. Deshalb fallen melancholische Menschen auch oftmals in die Gruppe derer, die selbst viel leiden, aber trotzdem immer für andere da sind.

Bin ich melancholisch?

Es ist schwierig, Melancholie perfekt zu definieren und zu bestimmen. Ursprünglich kommt die Idee aus dem antiken Griechenland. Dort gab es die Lehre der Körpersäfte und die schwarze Galle stand für die traurigen und negativen Gefühle. Meist wird Melancholie sogar mit Depression gleichgesetzt.

Somit ist es auch schwer zu sagen, wer melancholisch ist und wer nicht. Generell sollte davon ausgegangen werden, dass melancholische Menschen die Welt etwas gedämpfter wahrnehmen. Da sie dies oftmals als Teil ihrer Persönlichkeit sehen, wollen sie diesen Zustand gar nicht unbedingt überwinden. Somit ist das Gleichsetzen mit akuter Depression definitiv nicht sinnvoll.

Melancholische Menschen verhalten sich oft gemäßigt. Sie vermeiden große Gefühlsausbrüche und finden es sogar befremdlich, wie glücklich andere Menschen sind. Sie zweifeln an der Aufrichtigkeit anderer, wenn sie alles so positiv sehen. Gleichzeitig werden sie von negativen Ereignissen eher nicht überrascht.

melancholische menschen charaktereigenschaften

Die melancholische Stimmung verstehen

An dieser Stelle soll Melancholie nicht verteufelt werden. Natürlich wünscht man traurigen und unzufriedenen Menschen, dass sie etwas in ihrem Leben ändern und glücklicher werden. Aber nicht jeder Mensch, der etwas negativer eingestellt ist, ist gleich depressiv. Somit wäre es auch nicht fair, melancholischen Menschen zu sagen, sie dürften nicht melancholisch sein. Im Gegenteil: Vielen Menschen hilft es sogar, wenn sie sich nicht mehr gegen die Melancholie wehren, sondern sie annehmen.

Positive Eigenschaften der Melancholie

Traurigkeit und Schmerz spielen eine wichtige Rolle im Leben eines Menschen. Diese Gefühle zu hassen oder mit allen Mitteln zu unterdrücken, ist eigentlich nicht sinnvoll. Doch in der modernen westlichen Gesellschaft herrscht die Idee vor, dass wir alle glücklich werden können, wenn wir uns nur genug anstrengen – oder ein tolles neues Produkt kaufen.

Maler, Autoren, Musiker und sonstige Kreative haben gelernt, aus den negativen Gefühlen etwas Großartiges zu schaffen. Die geschundene Künstlerseele ist nicht nur ein Mythos – viele großartige Figuren und Geschichten existieren nur, weil Menschen aus der Traurigkeit Kraft geschöpft haben.

Sofern ein Melancholiker nicht in ernsthaften Pessimismus verfällt, ist er außerdem ein gutes Gegengewicht zu anderen Menschen. Diese vermeiden oft negative Gefühle. Das kann zu Unehrlichkeit führen. Melancholiker sind meist direkter und trauen sich, Missstände anzusprechen. Das macht sie zwar nicht gerade zu den verträglichsten Zeitgenossen, aber sie spielen in der Gesellschaft trotzdem eine wichtige Rolle.

Nachteile von Melancholie

Niemand ist gerne traurig. Leider haben Unzufriedenheit und Schmerz die Eigenschaft, mit der Zeit eher schlimmer zu werden. Melancholikern droht daher immer, dass sie sich in ihrem Schmerz verlieren. Pessimismus hält Einzug und statt leicht gedämpfte Farben, Klänge und Gefühle zu erleben, wirkt plötzlich alles grau.

Melancholische Menschen stoßen außerdem auf Ablehnung. Da sie nicht gerade das Leben der Party sind, fühlen sich andere von ihnen oft zurückgehalten. Sie ziehen die Stimmung runter. Allerdings liegt hier schon das Problem in der sozialen Konstellation: Wer einen Menschen nur mag, wenn dieser Glücklichsein vortäuscht, mag er ihn nicht wirklich.

Genau darin liegt das Problem: Melancholiker, die sich künstlich glücklicher machen, als sie sind, verfallen der Traurigkeit nur noch mehr. Statt ihre besonderen Charaktereigenschaften zu nutzen und anzunehmen, wehren sie sich dagegen. Das richtet Schäden an. Auf Dauer weiß jemand vielleicht nicht mehr, wer er ist, und aus einer melancholischen Grundeinstellung wird eine handfeste Depression.

melancholisch positiv

Mit Melancholie umgehen

Um nicht an der Melancholie kaputtzugehen, muss sie verstanden werden. Wer auf sein Leben schaut und feststellt, dass er immer etwas weniger glücklich ist als andere, der muss dies als harten Fakt verstehen und lernen, damit umzugehen. Das widerspricht natürlich dem Mainstream: Coaches, Medien, Freunde und Fremde sagen dir, dass du auf keinen Fall eine „negative“ Lebenseinstellung haben darfst.

Doch das Schlechte in der Welt und im eigenen Leben zu erkennen, ist nicht immer direkt negativ. Das sind Feststellungen. Und für manche führt dies nun mal dazu, dass sie nicht über Felder hüpfen, Freudenschreie ausstoßen oder viel lächeln. Was jedoch interessant ist: Wer ehrlich mit den schlechten Dingen und Gefühlen ist, der kann auch das Schöne klarer sehen.

Von der Welt nicht viel zu erwarten, heißt, von ihr positiv überrascht zu werden. Hier liegt der Kern der Sache, um Melancholie zum Vorteil zu nutzen: Schöne Ereignisse, Gefühle und Erfahrungen müssen als solche benannt und genossen werden. Das kann still und heimlich geschehen, aber es muss nun mal passieren. Sonst haben die Kritiker recht: Melancholie ist schrecklich.

Wie gehe ich mit einem Melancholiker um?

Ob ein Melancholiker Hilfe braucht oder nicht, ist eine Einzelfallentscheidung. Achtsame und selbstbewusste Melancholiker sollten nicht bemuttert oder belehrt werden – sie wissen, wer sie sind und nehmen ihre Art an. Melancholische Menschen in einer Krise brauchen aber durchaus Unterstützung.

Somit musst du nachfragen, bevor du helfen kannst. Sonst droht nämlich genau das, was bereits angesprochen wurde: Die melancholische Person erfährt durch dich Ablehnung und fühlt sich schlecht. Das kann ja nicht das Ziel sein. Hast du jemanden in deinem Leben, der die Welt etwas negativer sieht und nicht gerne viele positive Emotionen zeigt, dann sollte das okay sein. Fühl dich von der ruhigen und milden Art nicht bedroht.

Scheint der Melancholiker in einer Krise zu stecken, dann sollte die Krise gemeinsam überwunden werden und nicht die Persönlichkeit selbst. Das ist ein Drahtseilakt. Kämpft jemand mit der schulischen Aufgabenlast, ist in einer Beziehungskrise oder hat einen Verlust erlitten, dann ist Beistand sehr wichtig und richtig. Aber das Ziel darf nicht sein, dass jemand, der von Natur aus ruhiger und melancholischer ist, aus der Krise als regenbogenpupsender Optimismusfreak herausgeht. Da projizierst du deine Ansprüche auf eine Person, die selbst entscheiden sollte, wie sie ihr Leben lebt. Auch wenn du es möglicherweise nicht verstehst. Hier ein wenig weiterführende Literatur: Was ist toxische Positivität?

So wird aus Melancholie eine Stärke

Bei nahezu allen von der Norm abweichenden Charaktereigenschaften gibt es einen Rat, der zu mehr Zufriedenheit führt: Aus den besonderen Merkmalen Kraft ziehen und die Gegenwehr abbrechen. Introvertierte Menschen kennen das. Jahrelang versuchen sie, extrovertiert zu sein oder zu wirken. Erst wenn sie akzeptieren, dass sie introvertiert sind, können sie daraus Kraft und Selbstbewusstsein ziehen. Denn sie verschwenden keine Energie mehr darauf, sich gegen ihre Persönlichkeit zu wehren.

Ähnlich sieht es bei melancholischen Menschen aus: Je heftiger sich gegen die Eigenarten gewehrt wird, umso schlimmer die Folgen. Denn wer permanent versucht, eine andere Person zu sein, lebt immer nur ein halbes Leben. So viel Energie geht verloren, nur damit „die Gesellschaft“ nicht böse wird.

Wer erst einmal sieht, dass Melancholie kreativ, empathisch und ehrlich machen kann, wird sich auch nach und nach besser fühlen. Das ist natürlich sehr ironisch. Je besser wir mit Traurigkeit umgehen, umso weniger traurig sind wir. Also gib ruhig zu, dass du kein Sonnenschein bist. Ja, du siehst die schlechten Dinge im Leben und in der Welt und ignorierst sie nicht. Mag sein, dass dich Leute für deine ernste Art kennen und nicht für den Schalck im Nacken (Anmerkung: Tatsächlich haben melancholische Menschen oftmals einen wundervoll dunklen Humor).

melancholische stimmung

Leseempfehlung Thema nachdenkliche Menschen: „Wenn du von Natur aus ein nachdenklicher Mensch bist, hast du dir garantiert schon mal gewünscht, dass du weniger nachdenken müsstest. Denn es wirkt schon so, als würden Menschen leichter durch das Leben gehen, wenn sie einfach machen und dann sehen, was passiert. Aber willst du wirklich so sein? Wahrscheinlich nicht. Sich mit allen Mitteln gegen die eigenen Gedanken zu wehren, wird auf Dauer nicht glücklich machen.“ Wann ist man nachdenklich?

Fazit: Melancholie nervt die Glücks-Industrie

Einem traurigen Menschen, der unbedingt Veränderung will, kann man fast alles verkaufen. Ein melancholischen Mensch, der Zufriedenheit übt, ist wiederum ein miserabler Kunde. Dieser ganze Text soll dir verdeutlichen, dass es schlimmere Dinge gibt, als nicht optimistisch zu sein. Traurigkeit ist Teil des Lebens. Sie gehört zum Menschsein dazu. Sich ihr vollständig zu verwehren ist genauso falsch, wie sich in ihr zu verlieren. Es gibt also keine Antwort darauf, ob Melancholie gut oder schlecht ist – sie existiert und das müssen wir akzeptieren.

1 Kommentar

  1. Hallo Jennifer,
    in dubio pro dubio – es braucht mehr melancholische Zweifler in dieser Welt, um dieser
    Glücks-Industrie eine klare Absage erteilen zu können.
    Melancholie darf als ein natürlicher Gemütszustand angesehen werden!
    Ein melancholischer Mensch lässt seine Gefühle zu, statt sie zu verdrängen.
    Melancholie – ein produktiver Zustand der Veränderungen bewirken kann!?!
    Definitiv, denn die Begabung, traurige Gemütszustände zu akzeptieren und anschließend wieder genießen zu können ist eine enorme Leistung. Der Melancholiker befindet sich in der glücklichen Lage die Schatten des Lebens und ebenso die heiteren Dinge anzunehmen.
    Des Weiteren fällt es ihm leichter mit Erwartungshaltungen umzugehen und kommt damit zurecht, sollte er diesen Ansprüchen „mal“ nicht entsprechen.
    Melancholie hat also für die Psyche positive Seiten, wenn sie reflektiert genutzt wird.

Was ist deine Meinung zum Thema? Kommentiere hier