Es klingelt an der Tür und vor dieser Tür wartet der Besuch. Was tun? Einige Menschen entscheiden sich in einem solchen Moment dafür, wie vom Blitz getroffen auf den Boden zu fallen oder sich hinter einem Vorhang zu verstecken. Denn eines ist klar: Sie haben keine Lust auf Besuch.
Für alle Menschen, die sehr sozial sind und ihre Wohnung auch nicht als heilig erachten, klingt das völlig absurd. Wieso sollte man sich verstecken? Was ist so schlimm daran, einfach die Tür zu öffnen? Diesen Fragen soll in diesem Text nachgegangen werden.
Hier schon mal ein Ausblick auf das Fazit: Einige Menschen brauchen die eigenen vier Wände als Rückzugsort. Für sie ist Besuch (vor allem spontaner) eine Belastung. Das muss man nicht verstehen, aber man sollte es auf jeden Fall respektieren!
Hier schnell zwei Memes, bevor es ernst wird:
Spontaner Besuch: Da scheiden sich die Geister (nicht)
Es ist gemeinhin in Deutschland die Norm, dass vor einem Besuch bei Freunden oder Verwandten zumindest eine Ankündigung verschickt wird. Spontan vor der Tür stehen, das machen nur wenige Menschen. Also lässt sich hier wahrscheinlich sogar eine Mehrheit dafür finden, die unterschreibt: Es gehört zum guten Ton, per Kurznachricht oder Anruf fix nachzufragen, ob man vorbeikommen darf.
Aber der gute Ton wird nicht von allen akzeptiert. Spontan bei jemandem vorbeizuschauen, sei doch kein Problem. Doch, das ist ein Problem. Viele Menschen wollen ihren Alltag planen können, sind in ihren eigenen vier Wänden auf der Suche nach Ruhe und brauchen vor allem Pausen, die sie auf Arbeit nicht bekommen. Spontaner Besuch zerstört unter Umständen – auch wenn es sich um Freunde oder Verwandte handelt – genau die Zeit, die wichtig wäre, um die psychische Gesundheit zu pflegen. Eine Kurznachricht oder ein Anruf sind also nicht zu viel verlangt.
Ich hasse Besuch: die Gründe
Es kann aber sein, dass du persönlich generell lieber auf Besuch verzichtest. Selbst mit mehreren Stunden oder Tagen Vorankündigung springst du nicht unbedingt vor Freude im Dreieck, wenn jemand vorbeikommt. Stattdessen stresst dich die Zeit, die eigentlich sehr schön sein sollte. Woran liegt das?
Die Gründe sind gleichermaßen zahlreich und verworren. Im Folgenden werden die drei typischen Ursachen genannt, doch sie gehen ineinander über. Außerdem kann ich dir keine „Diagnose“ liefern. Solltest du mit Sozialphobien, Ängsten oder anderen Störungen zu kämpfen haben, werden diese natürlich auch dein Sozialleben in den eigenen vier Wänden beeinflussen.
Nicht behandelt werden:
- keine Lust aufs Aufräumen
- Rücksicht auf Nachbarn
- keine Snacks im Angebot
- nächsten Tag früh aufstehen müssen
Diese Kleinigkeiten sorgen meist dafür, dass du in einem bestimmten Moment keine Lust hast, dass jemand vorbeikommt. Grundsätzlich zählst du dich dann aber wohl eher nicht zu denen, die auf Besuch verzichten wollen. (Trotzdem können diese Faktoren natürlich hineinspielen.)
Besuch ist mir zu viel
Grund Nummer eins für eine Abneigung gegen Besuch: Manche Menschen sind dir zu viel. Dieses Problem kann jeden betreffen. Ob introvertiert oder extrovertiert, ob selbstbewusst oder ängstlich – manche Menschen haben wir einfach nicht gerne in unserer Wohnung.
Manchmal sind die Gründe dafür sehr offensichtlich. Dies gilt für Menschen, die sich schlecht benehmen. Sie machen Dinge kaputt, fressen sich durch den Kühlschrank oder wollen einfach nicht wieder gehen. Subtile Hinweise prallen an ihnen ab. Somit fegen sie durch die Wohnung wie ein Hurrikan und hinterlassen Arbeit und Erschöpfung.
Ebenfalls typisch sind Menschen, die eine negative Einstellung haben. Sie meckern vielleicht an dir herum. Es wird über Freunde gelästert oder auch über dich: deine Wohnung sei nicht schön und du müsstest mehr aus dir machen. Die Ironie daran, dass dich jemand besucht, um dann über dich und deine Wohnung herzuziehen, ist kaum zu überbieten. Aber solche Menschen gibt es wirklich.
Leider sind diese Energiefresser auch manchmal nahestehende Personen. Elternteile, die gerne am Selbstbewusstsein ihrer Kinder Kratzer verursachen, sind nun mal eine Belastung. Das spüren viele Menschen auch, aber sie wollen ihrer Familie auch nicht die Tür vor der Nase zuschlagen. Trotzdem erfasst dich ein tiefes Seufzen, wenn solche Personen wieder weg sind.
Besuch stresst mich immer
Was ist aber, wenn dich keine spezielle Person nervt, sondern Besuch generell? Dann stehen die Chancen gut, dass du deine Wohnung zu deinem Reich und deinem Rückzugsort erklärt hast. Vielleicht bewusst, vielleicht unbewusst – mehr dazu: Ich bin ein Stubenhocker.
Introvertierte Menschen verlieren Energie, wenn sie viel mit anderen Menschen zu tun haben (müssen). Wer Vollzeit arbeitet, hat unter Umständen also mindestens acht Stunden am Tag Leute um sich herum. Dann sind die sozialen Energien erschöpft. Die Lösung: Ruhe und Zeit allein. Dies ist unglaublich wichtig, um nicht krank zu werden. Denn verwehren sich Introvertierte zu lange ihre Ausgleichs-Ruhe-Phasen, dann können sie Erschöpfung oder gar Depression erleben.
Wenn du nahezu immer merkst, dass dich Besuch eher stresst als begeistert, könntest du introvertiert und/oder hochsensibel sein. Es ist nicht so, dass du die Menschen nicht magst, die dich besuchen. Vielleicht liebst du sie sogar. Aber am Ende des Tages kommen sie in deine Welt, in der du eigentlich wieder Energie tankst.
Ich will keine Übernachtungsgäste
Es kann sein, dass du grundsätzlich keine größeren Abneigungen gegen Besuch hast. Gerade dann, wenn er zeitlich begrenzt ist und nicht täglich vorkommt. Dann setzt du deine Grenze wahrscheinlich woanders: bei Übernachtungen.
Denn Übernachtungsgäste sind noch mal eine ganz andere Sache. Du wirst an dem Tag, an dem sie vorbeikommen, keine Ruhezeit mehr haben. Du kannst die Tür nicht einfach schließen und dein Ding machen. Das kann Spaß machen – gerade, wenn Freunde oder Familienmitglieder vorbeikommen –, aber eben auch belastend sein.
Meine Wohnung ist mein Reich
Es wird noch einen Abschnitt dazu geben, warum Besuch wichtig sein kann. Aber zuerst muss klargestellt werden: Du bist nicht komisch, nur weil du keinen Bock auf Besucher hast. Es gibt unzählige Gründe dafür, warum du zeitweise oder generell weniger Energie dafür hast, andere in deine Wohnung zu lassen.
Niemand hat das Recht, dir diese Gründe abzusprechen. Es ist schon absurd, dass wir uns dafür rechtfertigen sollen, dass wir lieber für uns sind oder uns lieber außerhalb einer Wohnung treffen. Ist das nicht das gute Recht eines jeden freien Menschen? (Klingt etwas dramatisch, ich weiß).
Solltest du zu denjenigen gehören, die nach einem langen Tag vor Freude fast platzen, weil endlich die ruhige Zeit zu Hause wartet, dann lass dir das nicht madig machen. Die Zeit zu Hause bedeutet für dich Lebensqualität. Wer darf sich da erlauben, dir diese wegnehmen zu wollen? Auch wenn die Intentionen der wenigsten Menschen böse ist, müssen sie auch genug Respekt vor dir als Person haben, um deine Entscheidung zu respektieren.
Streitfall Mitbewohner: Hektik zu Hause
Besonders blöd ist es, wenn du nicht allein wohnst. Ob mit einem Partner, bei der Familie oder mit Freunden: Sie können unter Umständen sehr sozial sein und auf Besuch bestehen. In diesem Fall solltest du dringend das Gespräch suchen.
Kompromissbereitschaft wird nötig sein. Du kannst anderen Menschen schlecht verbieten, dass sie Besuch empfangen. Gleichzeitig können dir deine Mitbewohner nicht abverlangen, dass du ständig mit Hausgästen klarkommen musst.
Tipps, um besser mit Besuch umzugehen:
- klare Hausregeln formulieren (z.B. Ruhezeiten, Zugang zu Räumen)
- um vorherige Ankündigung bitten
- Respekt vor Stressphasen (z.B. Prüfungen, Krankheit)
- Essen & Getränke beschriften
- Kompromisse ermöglichen (z.B. Partys werden nach 22 Uhr nach draußen verlegt)
Sollte sich jemand weigern, irgendwelche Besucherregeln aufzustellen, musst du vielleicht ausziehen. Klingt drastisch, ist es auch. Aber aus dem Erfahrungsschatz unzähliger Menschen mit hohem Ruhebedürfnis lässt sich ganz klar ablesen: Wer nicht Herr oder Lady über sein Reich ist, büßt Lebensqualität ein. Diese lässt sich zurückgewinnen, aber vielleicht nicht dort, wo du jetzt gerade lebst.
Warum Besuch wichtig ist
Nicht jeder Besuch ist schlecht. Ganz im Gegenteil. Gerade die Menschen, die sich sozial nicht unbedingt als Überflieger sehen, können von Besuch profitieren. Denn die eigenen vier Wände können auch Sicherheit geben. Es gibt keine Ablenkungen durch Fremde und keine lange Anfahrt.
Oftmals ist es sinnvoll, ein wenig auf die eigenen Bedürfnisse zu schauen. Vielleicht bist du jemand, der Besuch nicht nach der Arbeit packt – also lade nur am Wochenende ein. Oder aber, du willst das Wochenende für dich haben – dann lade nur unter der Woche ein.
Deine Freunde und Familienmitglieder können auch wissen, dass du ungern spontan Besuch bekommst. Bitte sie einfach darum, so früh wie möglich Bescheid zu sagen. Das wird nicht jeder verstehen, aber die meisten werden es zumindest respektieren. Das gibt dir die Chance, in Ruhe aufzuräumen und deinen Tag um den Besuch herum zu planen.
Auch die Anzahl der Besucher ist etwas, was jeder anders mag. Vielleicht willst du nie mehr als zwei Besucher haben. Oder aber du arbeitest alles auf einmal ab: Und lädst so viele wie möglich ein, um danach einige Wochen (oder Monate) auf Besuch zu verzichten. Letztlich sind das viele kleine Dinge, die du selbst bestimmen musst.
Fazit: Es ist okay, keinen Besuch zu mögen
Ist deine Wohnung dein Reich und niemand soll es unangekündigt betreten, dann mach es wie ein Targaryen und setze einen Drachen auf das Dach: Wer sich nähert, wird seinen Zorn spüren! Hast du gerade keinen Drachen zur Hand, kannst du auch einfach nur eine klare Grenze ziehen. Besuch muss nicht bei dir stattfinden. Wohnungen anderer Menschen, Spaziergänge oder öffentliche Gebäude sind wundervolle Alternativen.
Was ich dir allerdings empfehle: Finde heraus, warum du keinen Besuch magst. Es ist nämlich schon wichtig, ob spezielle Menschen eine Belastung sind oder ob du generell deine Ruhephasen brauchst. Daraus entstehen ja weitere Folgen. So sollten introvertierte Menschen sich ihre Ruhephasen bewusst und wiederholt suchen. Ist das aus irgendeinem Grund zu Hause nicht möglich (z.B. Lärm von Nachbarn, Mitbewohner), braucht es Alternativen.
Lass dir nicht einreden, dass du für jeden deine Tür öffnen musst. Oder wann du dies tun musst. Ich mag keinen Besuch in meiner Wohnung, ist eine völlig valide Begründung dafür, Besuch abzulehnen. Aber nutze deine Wohnung auch nicht als Ausrede, um Sozialkontakte zu stark zu reduzieren. Die Gefahr besteht leider immer. Ganz besonders, wenn du dir deine Wohnung so optimierst, dass du sie wahrhaftig als Zufluchtsort siehst. Balance ist das Stichwort.
Vielen Dank. Ich war mir einiger Dinge gar nicht wirklich bewusst bisher. Jetzt muss ich nur noch schauen wie ich diese Grenze bewusst setzen kann, ohne jemanden auf die Füße zu treten. Gibt da leider einen speziellen Menschen der das nicht akzeptieren und vor allem verstehen will. Nochmals: Danke.
Hi Anis, gerne doch! Ich weiß, dass ich früher auch gerne gewusst hätte, dass „keinen Besuch mögen“ für manche Menschen einfach normal ist. Ich wünsche dir viel Erfolg im Umgang mit diesem speziellen Menschen – manchmal dauert es einfach ein bisschen, bis jemand versteht, dass unterschiedliche Menschen auch unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Liebe Grüße
Jennifer
Ich denke, dass ich ambivertiert bin. Jeden Tag bei Leuten zu sitzen macht mich zwar mürbe, aber anderen hier und da einen Besuch abzustatten, macht mir durchaus Freude. Auch macht es mir nichts aus, wenn ich in einem völlig überfüllten Kaffee sitze. Ich arbeite sogar mit Menschen. Aber Besuch zu empfangen, finde ich nicht so prickelnd. Die eigenen vier Wände stellen meine Ruhezone dar. Schade. Ich kann es nicht ändern, denn ich brauche viel Zeit für mich alleine.
Hi,
diese Ruhephasen gehören zum Leben von introvertierten und ambivertierten Menschen einfach dazu. Wenn du es schaffst, deine eigenen vier Wände zur Ruhezone zu machen, ist das doch eine gute Sache. Da weißt du immer, wenn es mal alles zu viel wird, hast du deinen Ruhepunkt und kannst die Energie wieder auftanken 🙂
Liebe Grüße
Jennifer
Mir geht es auch so – Ich treffe mich häufig mit Freunden/Bekannten, aber außerhalb meiner Wohnung. Diese betrachte ich als meine absolute Ruhezone, als sehr persönlichen Rückzugsraum, wie meine zweite Haut/Schutzhülle. Nur sehr sehr nahe Menschen kann ich darin ertragen… Diese Haltung findet wenig Verständnis, eine allseits offene Tür ist gesellschaftlich anerkannter, beliebter. Aber… – Sie anzubieten ist mir auch leider nicht möglich.