„Ich hasse es, introvertiert zu sein“: Was tun?

In vielen Foren, Gruppen und auch im echten Leben hört man es: Wie kann ich extrovertiert werden? Muss ich introvertiert sein? Ist es schlecht, wenn man introvertiert ist?

Eine riesige Anzahl an Introvertierten hasst sich selbst. Dafür habe ich mal ein paar Beispiele gesammelt und mich gefragt, ob vielleicht etwas dran ist – denn ich möchte niemanden von oben herab behandeln, der sich aktuell nicht wohl in seiner Haut fühlt.

Warum ist es schlecht, introvertiert zu sein?

Der häufigste Grund dafür, dass Menschen ihre introvertierte Art hassen, ist, dass sie nicht von ihrer Umwelt akzeptiert werden. Sie fühlen sich unwohl, werden vielleicht sogar gemobbt oder scheitern wiederholt daran, dasselbe zu tun (oder zu genießen) wie alle anderen.

Der Hass wird dann auf die eigenen (vermeintlichen) Unzulänglichkeiten gerichtet. Denn wenn alle klarkommen und offen und laut und beliebt und begeistert sind, dann muss es doch an einem selbst liegen, oder?

Ich hasse es, introvertiert zu sein: die Beispiele

Hier mal ein paar Beispiele für Menschen, die online darüber sprechen, dass sie sich nicht mögen oder wohlfühlen.

Introvertiert zu sein, ist gut

Du fährst einen Berg hinauf und gibst mit deinem Auto Gas. Doch da es schon etwas älter ist, kommst du nicht so schnell auf Geschwindigkeit. Hinter dir hupt und meckert jemand, weil du so lahm bist. Wer verhält sich falsch? Du, der nun mal mit dem arbeitet, was er hat, oder derjenige, der dich grundlos mit seiner Aggressivität belästigt?

Oder: Du siehst eine ältere Dame im Supermarkt, die nur 1,50m groß ist. Sie versucht verzweifelt, an ein Produkt im oberen Regal zu gelangen. Doch dabei fällt etwas herunter und sie kommt ja doch nicht oben an. Bist du jetzt wütend und sagst ihr, sie könne sich ja einfach mal etwas normal verhalten?

Introvertiert zu sein, ist nichts Schlechtes. Wir leiden manchmal darunter, doch das liegt an der Reaktion unserer Umwelt, nicht daran, dass mit uns etwas nicht stimmen würde. Für all diejenigen, die mitlesen und denken, introvertiert sein wäre gleichbedeutend mit schüchtern, ängstlich oder asozial: Nein, das ist ein Vorurteil. Wenn du introvertiert bist, verlierst du Energie, wenn du unter Menschen gehst und tankst sie wieder auf, wenn du alleine bist. So wie Extrovertierte sich gutfühlen, wenn sie viele Menschen treffen und viel Trubel um sie herum ist, fühlst du dich wohl, wenn es ruhiger ist und du dich auf wenige Dinge konzentrieren kannst.

Daran kannst du nichts ändern, also sollte auch niemand dafür sorgen dürfen, dass du dich „falsch“ fühlst. (PS: Selbstbewusster, entspannter, erfolgreicher, beliebter, abenteuerlustiger – es gibt viele Dinge, die du werden und an denen du arbeiten kannst, wenn du denn möchtest. Doch du wirst deshalb nicht aufhören, introvertiert zu sein.)

Wie kann ich meine introvertierte Art akzeptieren?

Wenn du nicht weiter darunter leiden möchtest, introvertiert zu sein, musst du dich mit Wissen eindecken. Du musst verstehen, was dir guttut und was nicht. Dann tust du häufiger etwas von dem, was dir gefällt und reduzierst die Situationen, in denen du an deine Grenzen gehen musst.

  • Du liest gerne in aller Ruhe ein Buch? Schaffe dafür jeden Tag Zeit.
  • Du bist nach einer Partynacht total erschöpft und willst eigentlich niemanden mehr sehen? Dann geh seltener auf Partys.
  • Du magst Einzelgespräche und tiefgründige Unterhaltungen? Triff dich mit ein oder zwei Menschen und nicht mit fünf oder sechs.

Erst wenn du lernst, dass du dein Leben nach deinen Bedürfnissen gestalten solltest und nicht danach, was angeblich „normal“ ist, wirst du sehen, dass du gar nicht weniger introvertiert sein musst, du musst nur dich selbst kennen und akzeptieren.

Denn dann folgen noch weitere Dinge: Du verstellst dich nicht mehr, um anderen zu gefallen und wirst dadurch selbstbewusster. Du kannst deine Energie besser auftanken und dadurch Partys, Treffen oder Aktivitäten besser genießen. Du kannst dich besser erklären. Du siehst, dass auch extrovertierte Menschen alles andere als perfekte Leben führen.

Ja, es kann Nachteile haben, introvertiert zu sein. Aber anstatt dich vor der Welt zu verstecken oder zu verstellen, solltest du von anderen Introvertierten lernen und dich denen widersetzen, die dich schlechtmachen wollen. Das hier ist ein sicherer Ort für Intros, also willkommen.

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4 Kommentare

  1. Klasse Beitrag von Dir, in diesem Du mal wieder alle wichtigen Fakten knallhart zur Sprache bringst!
    Wir benennen es als eine „gesellschaftliche Zwangsjacke“, in diese einem Andere gerne stecken wollen, wenn man es selbst zulässt …
    Dein Blog ist eine absolute Bereicherung für uns – schön, dass es solche Menschen wie Dich (Jennifer) auf dieser Welt gibt!

  2. Mal wieder ein super guter Beitrag von dir! Unterstütze ich in allen Punkten voll und ganz! Ich wollte früher als Teenager auch immer wie Extrovertierte werden, um das gerne zu machen, was alle anderen machen. Hat natürlich nie geklappt und mich noch frustrierter werden lassen. So wichtig, da aufzuklären!

    • Hallo Anja,

      oh ja, ich denke, fast jeder Intro musste durch diese Phase durch. Sehr, sehr schade. Aber wer weiß, vielleicht kann das in Zukunft etwas verhindert (oder gemindert) werden 🙂

      Liebe Grüße

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