Mein Hobby ist (alleine) spazieren gehen, na und?

Spazieren gehen ist gut für die Gesundheit und das Gemüt. Aber ist es auch ein Hobby? So richtig anerkannt wird es nicht. Was mal wieder dafür sorgt, dass eine gute, gesunde und natürliche Sache weniger Beachtung findet oder sogar lächerlich gemacht wird.

Denn Hobbys sind heutzutage auch Statussymbol. Wir definieren uns über den Fußballverein, den Instagram-Foto-Account oder das Pumpen im Fitnessstudio. In unserer stets auf Effektivität ausgerichteten Gesellschaft, ist kaum noch Platz für Dinge, die keinen messbaren Mehrwert erzeugen.

Ist spazieren gehen ein Hobby?

Ja. Spazieren gehen kann ein Hobby sein, wenn man es als solches definieren möchte. Ziehen wir dafür Wikipedia heran, um erst einmal zu klären, was ein Hobby ist:

„Ein Hobby (deutscher Plural: Hobbys) ist eine Freizeitbeschäftigung, die der Ausübende freiwillig und regelmäßig betreibt, die dem eigenen Vergnügen oder der Entspannung dient und zum eigenen Selbstbild beiträgt, also einen Teil seiner Identität darstellt.“ – Wikipedia.de

Wer also häufiger spazieren geht, daran Gefallen findet und diese Beschäftigung auch zum Selbstbild dazuzählt, ja, der hat Spazierengehen als Hobby. Oder ist er/sie doch schon ein Wanderer? Darüber wird gerne und viel diskutiert.

Ich denke nicht, dass an dieser Stelle die perfekte Trennung von Spazieren und Wandern vorgenommen werden muss. Einige meinen, Wandern beginne ab einer Stunde unterwegs sein, andere meinen nach zwei Stunden. Wieder andere sehen den „Planungsaspekt“ als wichtiger an oder ob es ein bestimmtes Ziel gibt.

Für diesen Beitrag geht es einfach nur darum, sich regelmäßig zu Fuß zu bewegen. Jeder kann selbst entscheiden, ob er 20, 30 oder 90 Minuten spazieren geht. Lohnen tut es sich so oder so. Und das nachweislich…

Was sind die Vorteile des Spazierengehens?

Ich persönlich kann ohne rot zu werden behaupten, dass spazieren gehen, zu meinen Hobbys gehört. Das liegt aber auch an meiner „Ihr könnt mich mal“-Einstellung, die von mir über Jahre kultiviert wurde. (INTJs werden wissen, was ich meine). Wer soll es mir verbieten?

Denn wie gesagt, wenn Hobbys zum Teil der Persönlichkeit werden, können sie auch von anderen beurteilt werden. Und einfach nur von A nach B gehen, ohne dabei irgendetwas Cooles zu schaffen oder das Ganze live zu streamen? Bietet für den Rest der Welt wenig Mehrwert, also wird man dafür schief angeguckt. Nicht dafür, dass man spazieren geht, sondern dafür, dass man stolz darauf ist oder es propagiert.

Meine Meinung: Der Rest der Welt ist nicht wichtig. Doch aufgepasst, wer sich wirklich verteidigen möchte (oder muss), der kann auch einfach mit Wissenschaft um die Ecke kommen. Denn:

Ich gehe gerne spazieren = Ich tue etwas für meine Gesundheit

Fassen wir uns kurz: Spazieren gehen ist gesund und das ist eine der wenigen Sachen, bei der sich die Wissenschaftler einig sind. Es kann debattiert werden, wie gesund es wirklich ist, doch sagen wir mal so: Ich habe aktiv versucht, Negativberichte über das Spazierengehen zu finden und bin kläglich gescheitert.

(Jogger findet Leiche, Hund fällt Spaziergänger an oder Giftefeu-Unfälle, zähle ich einfach mal nicht dazu.)

Stattdessen sind folgende Vorteile und Wirkungen für einen Spaziergang nachgewiesen:

• Spazieren gehen kann das Leben verlängern
• Spazieren gehen kann gegen Demenz helfen
• Spazieren gehen kann die Stimmung heben
• Spazieren gehen hilft gegen Stress
• Spazieren gehen kann gegen Kurzsichtigkeit helfen
• Spazieren gehen kann die Folgen von Depression lindern

Wer sich für diese Dinge genauer interessiert, kann den folgenden Beitrag lesen. In ihm werden auch alle wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema aufgelistet: So gesund sind ein paar Schritte täglich. 

Hinzu kommt, dass dieses wundervolle Hobby unglaublich ressourcensparend ist. Abgesehen von der Kleidung und den Schuhen, die selbstverständlich auch mit der Zeit abnutzen, braucht es für einen Spaziergang nichts.

Außerdem ist es wohl eines der am wenigsten kontroversen Hobbys. Niemandem wird geschadet, niemand wird diskriminiert und dank moderner Technik steht es auch Menschen mit Amputationen offen. Andere Sportarten müssen sich mit Fragen nach Übertraining oder langfristigen Negativfolgen auseinandersetzen, das kennen wir nicht.

Last but not least ist es extrem günstig und nahezu jederzeit machbar. Es gibt genau zwei nachvollziehbare Vetos dagegen, spazieren zu gehen: eine Verletzung oder ein Stoppschild der Natur. Wer vom Arzt Ruhe verschrieben bekommt, sollte diese einhalten, und wer draußen einen filmreifen Weltuntergang sieht, der darf sein Hobby auch mal auf morgen verschieben.

PS: Regen ist kein Grund, um nicht spazieren zu gehen, das habe ich bereits hier nachgewiesen: Was heißt pluviophil?

Alleine spazieren gehen: eine gute Idee?

Da das hier ein Blog für ruhige und introvertierte Menschen (und ihre Liebsten) ist, muss natürlich angesprochen werden, dass man jederzeit alleine spazieren gehen kann. Achtung für alle Neulinge: Nein, nicht alle von uns wollen ständig alleine sein. Doch wir lieben unsere Pausen und Spazieren ist dafür perfekt.

Also, ist alleine spazieren gehen ein Problem? Nein. Nur nachts* und bei schlechtem Wetter sollte Vorsicht geboten sein. Aber sonst ist an einem Spaziergang alleine überhaupt nichts auszusetzen.

Im Gegenteil, manchmal kann es besser sein, allein zu gehen, als jemanden mitzunehmen. Denn manche Menschen (hust, Extrovertierte, hust) reden sehr viel und dann geht die entspannende Wirkung leider flöten. Auch Spannungen mit der Spaziergangsgesellschaft können zum Problem werden und sorgen wahrscheinlich dafür, dass man am Ende sogar gestresster ist als vorher.

Letztlich geht es immer darum, ob der Spaziergang ein Ziel verfolgt. Möchtest du richtig abschalten? Dann geh alleine und hör gegebenenfalls Musik oder einen Podcast. Liegt dir etwas auf der Seele? Dann solltest du vielleicht mit jemandem spazieren gehen, der dir helfen kann. Willst du deine Umgebung entdecken? Das geht alleine oder mit jemandem, der genau so neugierig ist wie du.

Ich persönlich wähle eine gesunde Mischung. An den meisten Tagen (beziehungsweise Abenden) stiefle ich alleine los. Doch wenn es passt, dann nehme ich auch gerne jemanden mit. Nur in einer größeren Gruppe hätte ich nicht das Gefühl, dass sich ein Spaziergang lohnt. Zu viele Eindrücke, zu viel Krach, zu wenig Entspannung.

Ein Spaziergeh-Profi werden: Tipps

Jeder soll sein Hobby so ausüben, wie er oder sie es für richtig hält – also kein Stress oder so. All die folgenden Tipps sind Ideen, keine Anweisungen. Warum zur Hölle solltest du auch auf irgendeinen komischen Internetmenschen hören?

Doch mal abgesehen von den wenigen Ausnahmen (Introvert Go: Wie fange ich einen Introvertierten), haben alle Beiträge auf diesem Blog einen Mehrwert. Dazu gehören Tipps zu den Dingen, die vorher besprochen wurde.

1. Wenn du viel spazieren gehst, dann trage das passende Schuhwerk und die passende Kleidung. Gerade für diejenigen, die einfach losgehen, ohne zu wissen, wie lange oder wohin, ist Vorbereitung wichtig.
   Ich habe schon mehr als einmal aus „Ich gehe noch eine kleine Runde“ ein „Huch, das waren schon wieder über zwei Stunden“ gemacht. Abends brauche ich also eine Jacke und falls es nach Regen aussieht eine Regenjacke oder einen Regenschirm.
2. Wenn du willst, kannst du deine Touren dokumentieren. Entweder in einem Tagebuch, in einem Blog oder auf einem Instagram-Account. Da merkt man erst einmal, wie viele Kilometer man eigentlich pro Woche zurücklegt. Die berühmten 10.000 Schritte, die jeder pro Tag machen soll, sind so nachweislich erreicht.
3. Du kannst durch Sparziergänge Freunde finden. Es gibt Wander- und Spaziergehgruppen für jede Region des Landes. Willst du also nicht immer alleine unterwegs sein, kannst du dir dort Gleichgesinnte suchen. Auch bereits bestehende Freundschaften können so gestärkt werden. Einige der wichtigsten und schönsten Gespräche meines Lebens fanden in Bewegung statt … was schon irgendwie komisch klingt, wenn du verstehst, was ich meine?
4. Nicht jeder ist gerne mit seinen eigenen Gedanken alleine: Zum Glück gibt es fremde Gedanken günstig auf die Ohren. Musik kann das Kopf-Leer-Machen verstärken, Podcasts und Hörbücher können zum Lernen oder Ablenken genutzt werden.
5. Du darfst ruhig stolz auf dein Hobby sein. Wie bereits mehrfach in diesem Beitrag angeklungen, wird Spazierengehen nicht unbedingt zu den coolsten oder besten Hobbys gezählt. Ich vermute, das liegt unter anderem daran, dass es ein stilles Hobby ist.
   Nicht jeder ist gerne mit seinen Gedanken allein, manch einer kann nicht mal ein paar Minuten still sein. Daher kann auch nicht jeder regelmäßig spazieren oder wandern gehen. Eigentlich ist es somit eine interessante Fähigkeit, die vor allem wir Ruhigen und Introvertierten meistern: Wer sich auch dann nicht langweilt, wenn er jeden Tag ziellos unterwegs ist, der macht etwas richtig.

Somit können sich die Dauergestressten und Labertaschen ruhig eine Scheibe von uns abschneiden. Wer weiß, vielleicht nimmst du ja mal jemanden mit, dem du die Vorteile des Spazierens zeigen kannst? So oft wird von Extrovertierten gesprochen, die die Introvertierten unter die Fittiche nehmen – es wird Zeit, dass wir mal zurückzahlen.

PS: Nein, spazieren zu gehen ist nichts, was Intro- und Ambivertierten vorbehalten ist. Ich möchte hier niemanden ausschließen. Aber wenn die Extros als Partymacher und Spaßkanonen bekannt sind, dann wollen wir wenigstens die Spaziergänger sein.

*Einer der ältesten und beliebtesten Beiträge hier ist folgender: Nachts spazieren gehen: Die Vor- und Nachteile. 

Genug der müden Worte, ich gehe jetzt spazieren. Wenn ich wieder da bin, kann ich in den Kommentaren nachlesen, wie ihr zu dem Thema steht. Hilft dir spazieren gegen Stress? Hörst du bestimmte Musik beim Spazieren? Hast du einen Spaziergeh-Buddy?

UPDATE November 2021: Viele von euch haben mittlerweile kommentiert, vielen Dank dafür. Es ist schön zu sehen, dass so viele Menschen gerne spazieren gehen und sich vor allem die Zeit dafür nehmen in so einer hektischen Welt und Zeit!