Menschen, die wenig reden, sind Menschen, die schwieriger zu verstehen sind. Denn wer nicht viel sagt, gibt meist auch nicht viel von sich preis. Das kann frustrierend sein für diejenigen, die gerne mehr über den schweigsamen Menschen ihrer Wahl erfahren wollen.
Fragst Du Dich auch, wie Du jemanden zum Reden bringen kannst, der eigentlich lieber still ist? Dann bist Du hier genau richtig. Ruhige und introvertierte Menschen sind hier im Mittelpunkt – Du erfährst also direkt von der Quelle, wie Du uns dazu bringen kannst, mehr zu reden.
Introvertiert, schüchtern oder einfach nur ruhig?
Bevor Du einen ruhigen Menschen zum Reden bringst, musst Du leider erst einmal in Erfahrung bringen, warum dieser Mensch so wenig redet. Das ist nämlich nicht so leicht. Das gängige Klischee ist, dass jemand, der wenig redet, schüchtern sein muss.
Ja, das kann sein. Ist aber gar nicht der Normalfall. Es gibt verschiedene Gründe, warum jemand weniger redet als die Mehrheit. Nur wer das versteht, kann auch die richtigen Knöpfe drücken, um die Sprachfunktion zu aktivieren.
Schüchternheit
Menschen, die wenig reden, weil sie schüchtern sind, sorgen sich um die Reaktion der anderen. Sie sind durch soziale Interaktionen gehemmt. Weil sie sich selbst für schwach, unwissend oder fehlerhaft halten. Oder weil sie andere für überlegen halten. Weil sie Angst haben. Die Gründe können verschieden sein. Geht es nicht mehr um Unbehagen, sondern schon um Angst, dann kann auch eine Sozialphobie vorliegen.
Mit diesen Menschen muss man besonders behutsam umgehen. Wenn Du ihnen zu forsch begegnest, werden sie nicht etwa aus sich herauskommen, sondern sich eher noch mehr zurückziehen.
Introversion
Introvertierte Menschen sprechen meist weniger, weil sie eine innere Ausrichtung haben. Sie können mit ihren Gedanken alleine sein, wollen nur sprechen, wenn sie auch etwas Wertvolles beizutragen haben.
Der Unterschied zur Schüchternheit liegt darin, dass Introvertierte grundsätzlich kein Problem mit sozialen Interaktionen haben. Von vielen Arten des Sozialseins, wie lauten Partys oder Smalltalk, sind wir nur nicht die größten Fans. Es geht nicht um Angst oder erwartete Ablehnung. Wir leben einfach nach dem Motto: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Andere Faktoren
Neben Schüchternheit und Introversion gibt es aber noch andere Faktoren, die eine Rolle spielen können, wenn jemand eher still ist. Depression geht beispielsweise häufig mit Rückzug einher. Es kann aber auch sein, dass Dich derjenige, der wenig sagt, einfach nicht leiden kann. Oder er/sie hat einfach keinen guten Tag und braucht etwas Ruhe.
Das solltest Du nicht zu einem ruhigen Menschen sagen
Ruhige Menschen sind kompliziert. Daher gibt es etliche Dinge, die Du falsch machen kannst, wenn Du sie zum Reden bringen möchtest. Die Wahrscheinlichkeit ist sogar recht hoch, dass Du die Situation eher noch verschlimmerst.
Denn Dein Gegenüber könnte sich noch mehr zurückziehen, von Dir genervt sein oder sich sogar angegriffen fühlen. Daher solltest Du einige Dinge niemals sagen oder tun.
Zum einen gibt es Sprüche, die absolut nicht helfen. 13 davon findest Du in einem Beitrag, der schon lange online ist (Sprüche, die Introvertierte nicht hören wollen). Aber hier mal ein paar Highlights:
- „Sag doch auch mal was.“
- „Erzähl doch mal von dir.“
- „Hab dich mal nicht so!“
- „Du bist aber arrogant.“
Alle diese Aussagen haben gemeinsam, dass sie Zurückhaltung oder ruhiges Verhalten als fehlerhaft darstellen und/oder Stille negativ interpretieren. Anstatt also Interesse zu zeigen, zeigst Du erst einmal nur, dass DU unzufrieden bist.
Auch vermeintliche perfekte „Lösungen“ für Zurückhaltung solltest Du lieber spärlich verwenden. Viele Menschen neigen dazu, Gehörtes oder Erlebtes als Universallösung wahrzunehmen. Hast Du also früher eher schüchtern gewirkt, bist jetzt aber super aufgeschlossen und fröhlich, weil Du an Deinen Ängsten gearbeitet hast, dann ist das eine gute Sache.
Nimmst Du aber bei jedem ruhigeren Menschen an, dass er unzufrieden mit sich ist, selbst Ängste hat und Hilfe braucht, ist das ziemlich arrogant. Wie gesagt, es gibt unterschiedliche Ursachen dafür, dass jemand ruhig ist und genauso gibt es etliche Menschen, die sich so sehr wohlfühlen. Wenn Du dann um die Ecke kommst und ihnen einreden willst, sie wären krank oder „nicht richtig“, dann sorry, wirst Du keine positive Reaktion bekommen.
Ein weiterer beliebter Fehler ist es, zu schnell zu viel zu wollen. Manche Menschen brauchen eine Weile, um aufzutauen und sich in Deiner Gegenwart wohlzufühlen. Ein neuer Kollege schuldet Dir nicht, sich sofort zu öffnen und aus dem Nähkästchen zu plaudern. Neue Freunde dürfen Geheimnisse haben. Ein neuer Partner darf vorsichtig sein mit dem, was er preisgibt.
Wie bringe ich einen stillen Menschen zum Reden?
Menschen zum Reden zu bringen, ist eigentlich gar nicht so kompliziert. Vielen fehlt einfach das Wissen, das wir ja jetzt bereits ganz gut erläutert haben – jeder tickt anders, jeder hat es verdient, in seinem eigenen Tempo zu leben.
Diese vier Schritte solltest Du beachten, wenn Du jemanden in Deinem Leben hast, der eher still ist. Es gibt keine Garantie, dass es funktioniert, denn wie gesagt, eine Universallösung gibt es nicht. Aber so vermeidest Du zumindest, dass sich jemand unwohl fühlt.
Zuhören
Auch ruhige Menschen sagen etwas. Wenn sie das tun, dann solltest Du zuhören! Nur so zeigst Du ihnen, dass Du sie ernst nimmst und Dir ihre Meinung wichtig ist. Wie bereits erwähnt, wollen viele schweigsame Menschen nur dann etwas sagen, wenn sie glauben, auch etwas beizutragen.
Daher ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass derjenige Energie investiert hat, sich seine Aussage gut überlegt hat und wissen möchte, wie Du dazu stehst. Leider neigen Menschen dazu, nur halb hinzuhören oder nur das zu hören, was sie hören wollen. So entstehen nur Missverständnisse und Streits, was ruhige Menschen eher nervt.
Wer sich die Mühe nicht macht, selbst mal still zu sein und genau hinzuhören, braucht auch nicht zu erwarten, dass andere mehr reden. Also ist Schritt eins ganz klar: Zuhören.
Über „wichtige“ Themen sprechen
Smalltalk ist weitestgehend wertlos. Ja, es gibt heute Wetter und morgen bestimmt auch wieder (naja, gut, es ist 2020, also ganz sicher können wir nicht sein). Auf Arbeit läuft alles wie immer, ja danke. Oh ja, ich habe auch gehört, dass in China ein Sack Reis umgefallen ist.
Wer nur redet, wenn er etwas zu sagen hat, der will über wichtige Themen sprechen. Das Problem für Dich ist, dass Du erst herausfinden musst, was Dein wortkarger Mensch als wichtig und interessant einstuft.
An der Oberfläche von Themen zu bleiben, ist ja mittlerweile ein Volkssport. Bei Facebook gelesen, von einem Kumpel gehört, in diesem einen Bericht meinte jemand…
Das macht keinen Spaß. Manch einer diskutiert über soziale Projekte, manch anderer über seine Lieblingsmannschaft. Für einige ist das neue Computerspiel super wichtig. Viele Menschen sprechen am liebsten über ihre Haustiere.
Nur weil es für Dich auf den ersten Blick nicht wichtig erscheint, heißt das nicht, dass es das nicht ist. Ein unerwartetes Lächeln, zwei zusätzliche Sätze, neue Hintergrundinformationen – alles Hinweise darauf, dass Dein Gegenüber an einer Sache interessiert ist. Wenn Du also ein Gespräch entwickeln willst, dann musst Du wohl oder übel lernen, die Anzeichen zu erkennen.
Manchmal dauert es, bis man einen gemeinsamen Nenner findet. Oder es gibt ihn nicht, was aber selten ist. Wenn Du und der ruhige Mensch wirklich nichts gemeinsam haben, na dann, keine Ahnung, müsst Ihr auch einfach nicht reden? Es gibt wirklich schlimmere Dinge im Leben als Stille.
Konkrete Fragen stellen
Vielleicht hast Du schonmal versucht, jemanden aus der Reserve zu locken, der aber immer nur einsilbig geantwortet hat. Das ist frustrierend. Aber auch dafür gibt es Mittel und Wege. Am einfachsten ist es, wenn Deine Fragen zu konkret sind, um sie mit einer allgemeinen Antwort abzutun.
Falsch: „Wie läuft es eigentlich zu Hause?“
Richtig: „Dein Freund hatte doch dieses Bewerbungsgespräch, wie ist das eigentlich gelaufen?“
Falsch: „Wie geht es dir?“
Richtig: „Du bist ja gerade umgezogen, ist die neue Wohnung besser als die alte?“
Falsch: „Sag doch auch mal was.“
Richtig: „Mir ist aufgefallen, dass Du nicht so oft sprichst, bist Du einfach so oder fühlst Du Dich unwohl?“
Besonders das letzte Beispiel sollte Dich aufhorchen lassen. Denn ja, Du kannst stille Menschen fragen, warum sie still sind. Nur nicht mit einem vorwurfsvollen Unterton oder indem Du implizierst, sie wären komisch.
Der Gedanke bei dieser Frage sollte sein, dass Du wissen möchtest, wie jemand tickt, nicht etwa, wie Du seine Persönlichkeit verändern kannst. Es kann sein, dass derjenige sich trotzdem etwas unwohl fühlt, weil er oder sie es gewohnt ist, für die ruhige Art abgelehnt zu werden. Sag also ruhig, dass Du kein Problem hast, sondern einfach nur besser verstehen möchtest.
Stille aushalten
Stille ist kein Schimpfwort. Es gibt unzählige Menschen, die kein Problem damit haben, wenn es mal ruhig ist. Das solltest Du auch mal ausprobieren. Nein, Du musst nicht versuchen, Dich introvertierter zu geben, als Du wirklich bist.
Aber wenn Dir Stille so unangenehm ist, dass Du einfach reden musst, um nicht verrückt zu werden, dann liegt das Problem vielleicht gar nicht bei Deinem stillen Gegenüber, sondern bei Dir. Stille auszuhalten, kann ein Lernprozess sein. Hier ein paar Tipps: Stille genießen lernen.
Wenn Du jemanden zwingst, zu reden, obwohl derjenige das nicht möchte, dann bist Du unhöflich. Niemand schuldet Dir Worte. Wir haben uns nur so daran gewöhnt, dass Reden unseren Alltag füllt, dass wir das Gefühl haben, nichts zu sagen, wäre unhöflich. In Wahrheit ist es extrem rücksichtlos, seine eigene Art anderen aufzudrängen.
Abschließende Worte zum Thema Schweigen (Ironie erkannt)
Es tut mir sehr leid, dass dieser Beitrag keine 5 einzigartigen Tipps, die sofort wirken, für Dich bereithält. Die Wahrheit ist, es gibt selten einen schnellen und einfachen Weg, jemanden lockerer zu machen oder zum Reden zu bringen.
Doch für jeden Menschen – ob schweigsam oder nicht – gilt, dass er sich wohlfühlen sollte, um sich zu öffnen und mehr zu reden. Hast Du also jemanden in Deinem Leben, der wenig sagt, behandle ihn nicht von oben herab und sorge stattdessen dafür, dass er sich in Deiner Gegenwart wohlfühlt. Dafür musst Du zuhören und vielleicht auch nachfragen.
Meistens lohnt es sich. Obwohl es auch ruhige Menschen gibt, die gar nicht so interessant sind. Was in den Köpfen stiller Menschen so alles vor sich geht, erfährst Du hier.