Ich fühle mich anders als andere Menschen: Was tun?

Zugehörigkeit ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wie sich dies äußert, fällt ganz unterschiedlich aus. Manche Menschen möchten überall Anschluss finden, von allen gesehen werden und ständig Gemeinschaft spüren. Andere wollen lieber einen kleinen Kreis an Vertrauten haben, der ihnen dafür umso wichtiger ist.

Wenn sich Menschen nicht zugehörig fühlen, kann das somit äußerst tragisch und belastend sein. Anders zu sein als andere, ist ein Problem. Ob wir nun auf Motivationsredner hören, den Heldengeschichten aus den Büchern glauben oder zu Personen aufsehen, die aus der Rolle fallen, am Ende des Tages ist Andersartigkeit doch eine Belastung.

Deshalb ist es auch in Ordnung, falls es dich bedrückt, dass du dich anders oder komisch fühlst. Nur tut es nicht gut, an diesem Gefühl festzuhalten und zu verzweifeln. Somit solltest du wissen, was dich anders macht und wie du damit umgehen kannst.

Anders sein und anders fühlen: Gibt es einen Unterschied?

Anders zu sein, heißt eigentlich nur, von der Norm abzuweichen. In sozialen Gruppen und in der Gesellschaft gibt es bestimmte Grundannahmen dazu, welches Verhalten normal ist und welches nicht. Wer wiederholt Dinge tut, sagt oder darstellt, die dazu nicht passen, ist anders.

Allerdings bestimmen unsere persönlichen Sichtweisen, was wir in der Gesellschaft oder unserer Umwelt für normal halten. Es kann also passieren, dass du dich für anders oder komisch hältst, aber eigentlich gar nicht so sehr von den Normen abweichst, wie du glaubst.

Die Unterscheidung zwischen anders sein und anders fühlen, ist wichtig. Denn wenn du dich nur anders fühlst, es aber eigentlich nicht bist, kann ein Perspektivwechsel dir mehr Zufriedenheit bringen. Gibt es stattdessen deutliche Anzeichen dafür, dass du wirklich anders tickst als andere Menschen, dann ist die Lösung logischerweise komplizierter.

andersartigkeit verstehen

Fremd fühlen: Selbst verschuldet oder die Schuld anderer Menschen?

Eine weitere Vorabüberlegung muss sein, ob du dir selbst komisch vorkommst oder ob dir dies eingeredet wird. Meist liegt eine Kombination aus beidem vor. Wurde dir in deiner Kindheit und Jugend oft gesagt, dass dein Verhalten zu viel, zu wenig, zu komisch, zu albern, zu zurückhaltend oder zu auffällig war, dann hast du das wahrscheinlich verinnerlicht.

Doch auch im Erwachsenenalter hat unser Umfeld noch großen Einfluss darauf, ob wir uns zugehörig fühlen oder nicht. Es gibt Freundeskreise, Arbeitsumgebungen und Familien, in denen anders zu sein, nicht als Schwäche ausgelegt wird. Somit wird die Andersartigkeit auch nicht so belastend empfunden oder überhaupt groß wahrgenommen. In einem anderen sozialen Umfeld können schon kleinste Besonderheiten zu Ablehnung führen.

Ursachen für Andersartigkeit

Sich fremd oder wie ein Alien auf diesem Planeten zu fühlen, kann viele Ursachen haben. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass du wirklich anders bist und es dir nicht nur eingeredet wurde. Anschließend geht es darum, wie du mit den negativen Gefühlen umgehen kannst, die daraus entstehen.

Feste Unterschiede zum Status quo

Manche Eigenschaften eines Menschen sind nicht signifikant veränderbar. Dazu zählen beispielsweise das Temperament, das Aussehen und die Hirnchemie. Von Natur aus introvertiert zu sein, eine bestimmte Hautfarbe zu haben und Besonderheiten in der Reizverarbeitung aufzuweisen (z.B. bei Hochsensibilität oder Menschen mit Autismus) ist völlig in Ordnung – aber eben auch potentieller Nährboden für das Gefühl anders zu sein.

Schauen wir beispielshaft mal auf Neurodiversität: Hier steckt das Abweichen von der Norm schon mit drin. Denn unterschieden wird zwischen neurodivergenten und neurotypischen Menschen. Eine Gruppe gilt als typisch und somit normal – die andere als Abweichung.

Neurodivergente Menschen fühlen sich fast immer fremd in der Welt, wenn sie nicht ausreichend Unterstützung bekommen. Leider werden ADHS und weitere neurobiologische Diagnosen noch immer zu selten rechtzeitig erkannt. Somit wachsen neurodivergente Menschen mit dem Gefühl auf, ihre Umwelt würde anders funktionieren als sie selbst. Sie scheinen anders zu denken, zu reden, zu fühlen oder zu sein.

Sonderfall Hochsensibilität

An hochsensiblen Menschen kann ebenfalls gut festgestellt werden, warum Andersartigkeit manchmal nicht zu verhindern ist. Denn hochsensible Menschen filtern Umweltreize schlechter. Somit werden alle Sinneswahrnehmungen intensiver gespürt. Daraus folgt dann, dass viele Hochsensible empathischer und empfindlicher sind.

Wer alles intensiver erlebt, kann schwer nachvollziehen, wie andere Menschen dies nicht tun können. Leute scheinen sich in lauten Bars wohlzufühlen, stören sich nicht an grellen Lichtern und lassen emotionalen Schmerz schnell wieder los. Wie kann es sein, dass man selbst so anders tickt?

Die Ursache liegt im Körper und ist somit auch nicht veränderbar. Nur am Umgang mit der Hochsensibilität kann gearbeitet werden. Das ist für viele Menschen eine harte Erkenntnis, denn sie hatten sich erhofft, einfach „normal“ werden zu können.

Andersartigkeit durch Überzeugungen

Die dritte große Gruppe an andersartigen Menschen wird durch ihre Weltsicht und ihre Verhaltensweisen definiert. Wichtig: Es kann immer eine Kombination aus festen und veränderbaren Eigenschaften vorliegen.

Einige Menschen, die sich anders verhalten und dadurch komisch beäugt werden:

  • Melancholische Menschen, denn sie täuschen nicht vor, glücklich zu sein.
  • (Offen) introvertierte Menschen, denn sie genießen Zeit allein und brauchen weniger Sozialkontakte.
  • Herzensgute Menschen, denn sie bringen ihrer Umwelt und den Menschen darin mehr Liebe entgegen als sie manchmal verdienen.
  • Rebellische Menschen, denn sie schwimmen häufig gegen den Strom.
  • Skeptische Menschen, denn sie hinterfragen grundsätzlich alles.
  • Rücksichtslose Menschen, denn sie halten sich nicht an die Normen des guten Zusammenlebens.

Jemand kann aber schon als Alien unter Menschen gelten, wenn er nur einige gesellschaftliche Konventionen verweigert. Meist kann vermutet werden, dass diese Menschen trotzdem irgendwie von Natur aus ein bisschen anders sind. Introvertierte sind ein gutes Beispiel, da der introvertierte Teil ihrer Persönlichkeit relativ fest ist – doch ihre Andersartigkeit wird vor allem dann deutlich, wenn sie auch aufgeben, sich wie Extrovertierte zu verhalten.

Gefühl komisch zu sein

Sich ausgeschlossen fühlen

Ein bisschen anders zu sein, ist kein Problem. Du fühlst dich vielleicht manchmal etwas fremd und verbringst etwas mehr Zeit damit, deine Umwelt besser zu verstehen. Aber wirklich problematisch wird es erst, wenn diese Umwelt dir negatives Feedback gibt.

Dies kann zur Folge haben, dass du dich nicht gesehen fühlst. Deine „komischen“ Eigenschaften werden von deinen Freunden und deiner Familie ignoriert oder als Spielereien abgetan. Oder aber deine Andersartigkeit wird dir sogar zum Vorwurf gemacht.

Gerade in der Schulzeit war wohl jeder Opfer oder zumindest Beobachter dieses Prozesses – oder wurde sogar selbst zum Täter. Einzelne Gruppen hatten Regeln für Zugehörigkeit. Man musste bestimmte Kleidung tragen, cool wirken, alles mitmachen oder gar andere Menschen runtermachen, um Teil einer „Clique“ zu sein. Abweichungen führten zum Ausschluss.

Leider hört das im Erwachsenenalter nicht auf. Manchmal geschieht es noch genau so wie zu Schulzeiten – beispielsweise auf der Arbeit, wenn der Pausenraum plötzlich still wird, wenn jemand hereinkommt, der nicht „dazugehört“. Oder aber die Sache wird gerade genug abgewandelt, um nicht als zu kindisch zu gelten – man darf also in der Gruppe bleiben, aber nicht auf die gleiche Art wie alle anderen.

Wer etwas weniger Geld verdient, bekommt blöde Sprüche der Freunde ab („Aber ist ja alles nur Spaß“). Wer nicht cisgender und hetero ist, wird auf Familienfeiern nicht nach seinem Privatleben gefragt. Wer sich nicht als bester Kumpel von allen präsentiert, wird am Arbeitsplatz nicht für Beförderungen in Erwägung gezogen.

Kommt es zum Ausschluss aus mehreren sozialen Gruppen, fühlt man sich schnell verloren. Sollte es dir so gehen, dann hast du jedes Recht, darüber wütend, enttäuscht oder traurig zu sein. Das ist einfach kein schöner Zustand.

Wie gehe ich damit um, anders zu sein?

Kann sein, dass dir alle diese Erklärungen überhaupt nicht neu vorkommen. Wahrscheinlich hast du schon länger versucht, deine Andersartigkeit in Worte zu fassen. Unter Umständen war auch keine der Ursachen genau die, die du bei dir siehst. So oder so wäre dieser Artikel aber ziemlich wertlos (und herzlos), wenn es nicht auch Anregungen dazu gäbe, wie du dich besser fühlen kannst.

Möglichkeit 1: Passe dich an deine Umwelt an

Dieser Tipp ist schwierig, denn ich persönlich sehe fast ausschließlich Außenseiter, die eigentlich sehr interessante und liebenswerte Menschen sind. Ich möchte diesen Menschen natürlich nicht sagen, dass sie sich grundlegend verändern sollen, nur um irgendwo dazuzugehören.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Personen, die es ihrer Umwelt tatsächlich schwer machen, sie zu akzeptieren. Wer beispielsweise rücksichtslos ist, zu allen sozialen Interaktionen erst einmal nein sagt oder jegliche Normen ablehnt, der muss schon bei sich selbst ansetzen.

Daher ist meine Empfehlung auch nicht, einfach alles so zu machen wie alle anderen. Stattdessen schlage ich vor, alles einmal auszuprobieren. Bist du komisch, weil du zu wenig redest? Rede mehr und schaue, wie du dich dabei fühlst. Bist du anders, weil du immer alles hinterfragst? Behalte deine Kritik erst einmal für dich und sprich sie nur noch aus, wenn sie zu positiven Veränderungen führen könnte. Bist du sonderbar, weil du nur außergewöhnliche Hobbys hast? Dann probiere auch mal aus, etwas „Normales“ zu machen.

Nur so lernst du, wie weit du gehen kannst, um deinem Umfeld zu gefallen. Wichtig ist dabei, wirklich ehrlich zu sein. Du musst den Veränderungen schon die Chance geben, positive Auswirkungen zu haben. Und wenn du dich nach einer Weile nicht wohler fühlst, dann wirst du auch ehrlich akzeptieren müssen, dass deine Anpassungsfähigkeit Grenzen hat.

Möglichkeit 2: Passe deine Umwelt an

Dieser Tipp ist deutlich einfacher auszusprechen, denn er ist grundlegend in die DNA dieses Blogs integriert: Wenn du dich nicht wohlfühlst, verändere deine Umwelt. Ist der Grund für deine negativen Gefühle, dass dir andere ständig weismachen wollen, du wärst zu komisch, anders oder eigenartig, dann wird es höchste Zeit, einige Menschen auszusortieren – oder zur Rede zu stellen.

Bevor du einen Kahlschlag machst und alle verbannst, die dich ein wenig komisch beäugen, solltest du das Gespräch suchen. Manchmal geben uns Menschen unabsichtlich negatives Feedback. Macht ein Freund immer Sprüche über deine schusselige und unzuverlässige Art, dann meint er das vielleicht nicht böse. Ganz besonders, falls du vielleicht selbst Witze darüber machst. Sprich mit ihm und erkläre, dass dich das doch irgendwie trifft. Erfährst du Verständnis, fühlst du dich wohler bei diesem Freund. Bekommst du noch mehr negatives Feedback, wird es vielleicht Zeit, diese Freundschaft zu beenden.

Das Problem ist natürlich, dass irgendwann wenige Menschen übrigbleiben. Manchmal ist das okay – du kannst auch mit einem kleinen sozialen Kreis glücklich werden. Sehnst du dich doch nach mehr Kontakten, dann suche an den richtigen Stellen. Online wie offline gibt es Weltverbesserer, Nerds, kritische Denker, Aussteiger, Erfolgsbesessene, Träumer und all die anderen Menschen, die ein wenig aus der Rolle fallen. Deine Chancen auf wertvolle soziale Kontakte steigen sofort, wenn du von Anfang an unter ähnlich tickenden Menschen bist.

Möglichkeit 3: Der geilste Außenseiter der Welt sein

Der Trotz ist ein ziemlich starker Motivator für viele Menschen. Ich würde dir Schritt 1 (eigenes Verhalten hinterfragen und neue Dinge ausprobieren) und Schritt 2 (nur auf Menschen setzen, die deine Art zu schätzen wissen) immer ans Herz legen. Aber irgendwann greifen viele Menschen auch einfach zu einem anderen Mittel: Die Außenseiterrolle annehmen und Andersartigkeit raushängen lassen.

Der Nachteil dieser Variante ist, dass man sich von der Idee der Zugehörigkeit fast vollständig verabschieden muss. Meist bleiben sehr, sehr wenige Menschen zurück, mit denen man noch eine Verbindung spürt. Einsamkeit ist also nicht ausgeschlossen, sorry. Der Vorteil ist hingegen, dass man sich voll auf sich selbst konzentrieren kann und die Meinung anderer Menschen bald keine Rolle mehr spielt.

Für viele Menschen, die lange um Anschluss gekämpft haben, ist das Annehmen der Eigenarten so etwas wie eine Erlösung oder ein Befreien von Last. Sie lösen sich von so vielen Erwartungen und mentalen Belastungen, dass sie oftmals noch mehr aus der Gesellschaft fallen als zuvor – aber mit einem Lächeln auf den Lippen.

gerne anders sein als andere

Fazit: Mensch zu sein, ist nicht einfach

Es ist immer schade, wenn jemand unter seiner besonderen Art leidet. Ganz besonders, weil es so häufig gute Menschen trifft, die nichts Böses wollen und ihrer Umwelt auch nicht schaden. Gleichzeitig scheinen viele arrogante, rücksichtslose und anstrengende Menschen problemlos durch das Leben zu gleiten.

Aber Außenseiter zu sein, ist nun mal auch nicht das Ende der Welt, wenn wir lernen, damit umzugehen. Das ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen abgeschlossen sein wird. Möglich ist es trotzdem. Solltest du dich gerade auf diesem Weg befinden, kannst du deine Gedanken gerne in den Kommentaren teilen und somit anderen helfen, denen es ähnlich geht.

4 Kommentare

  1. Der Sinn dieser Frage ist für mich einfach zu definieren …
    ich sehe hier für mich keinen Handlungsbedarf.
    Wenn jeder sein möchte wie der Andere, so bedeutet dies Gleichschaltung!
    Die Geschichte hat und gezeigt und wird uns noch zeigen, wo diese hinführt …

  2. Hallo Ebi,
    es ist toll zu lesen, dass Du dies für Dich so umsetzen kannst …
    Allerdings gibt es auch Menschen (Leser) die von diesem Artikel durchaus profitieren können, weil die Autorin durch ihre vielschichtige Betrachtungsweise mit fundierten Lösungsansätzen aufwartet! Beste Grüße Ambi

  3. Interessantes Thema, ich bin nun schon fast 76 Jahre alt und seit meinen frühesten Jahren habe ich das Gefühl ich bin anders als die anderen. Das hat sich bis ins hohe Alter gehalten. Freunde hatte ich immer wenige, aber die wenigen waren und sind sehr intensiv. Je älter ich werde, desto sicherer fühle ich mich damit. Ich muss keine anderen nieder oder klein machen um mich selbst groß und stabil zu fühlen. Gleichmachen geht schon gar nicht, jeder hat das recht so zu sein, wie er ist….. und wenn ich anders bin , ist das einfach nur okay.
    Als mich kürzlich meine Putzfrau fragte ob ich aus den Händen lesen kann, stutzte ich, denn daran hatte ich noch nie einen Gedanken. Auf Nachfrage erfuhr ich dann, ja, weil ich so viele Steine in der Wohnung liegen habe…..solche Frauen können das…. das ließ mich doch schmunzeln….

    • Hallo Inge,

      super, dass du so im Reinen mit dir selbst bist. Diese positiven Erfahrungsberichte lese ich einfach gerne. Anders sein, ist eben nicht das Ende der Welt 🙂

      Liebe Grüße
      Jennifer

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