Erschöpft nach sozialen Kontakten: Das steckt wirklich dahinter

Wir brauchen soziale Kontakte – zumindest gilt das für die allermeisten Menschen. Unser Zusammenleben mit anderen ist nicht nur sinnstiftend, sondern sogar wichtig für die Gesundheit. Also wie kann es sein, dass manche von uns völlig erschöpft sind, nachdem sie Freunde, Familie oder einen Partner getroffen haben?

Vorweg: Soziale Erschöpfung ist nichts Ungewöhnliches und auch nichts Peinliches. Bitte lass dir das von niemandem einreden (auch nicht von dir selbst).

Die Ursachen für soziale Erschöpfung oder sogar sozialen Burnout sind zahlreich. Daher solltest du sie alle kennen, um dann schauen zu können, was auf dich zutrifft. Fast immer liegt eine Kombination verschiedener Ursachen vor.

Soziale Kontakte erschöpfen mich: die Ursachen

Warum dich soziale Kontakte, Treffen und selbst deine allerliebsten Lieblingsmenschen manchmal erschöpfen, kann ich dir nicht aus der Entfernung sagen. Aber ich kann dir Informationen geben, mit denen du dir selbst helfen kannst.

Hochsensibilität

Hochsensible Menschen verarbeiten Reize anders. Das bedeutet, dass Eindrücke aller Art – wie Geräusche und Gerüche – nachweislich eine stärkere Reaktion bei hochsensiblen Personen auslösen. Wer hochsensibel ist, spürt die Welt anders.

Das gilt bei vielen auch für soziale Reize. Somit sind Treffen mit Menschen einfach anstrengender, ob man nun will oder nicht. Während es keinen eindeutigen Test für Hochsensibilität gibt, kannst du anhand einiger Anzeichen durchaus feststellen, ob du dich zu diesem Thema weiter informieren solltest: 25 Anzeichen für Hochsensibilität.

Introvertiertheit

Hingegen der weitläufigen Annahme geht es bei Introvertiertheit nicht um Angst oder Schüchternheit. Introvertierte Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass soziale Kontakte ihnen Energie abknüpfen – und diese Energie nur wieder aufgefüllt werden kann, wenn man sich eine Auszeit nimmt.

Auch für Introvertiertheit gibt es klare Anzeichen. Wichtig ist, dass es sich hierbei genau wie bei Hochsensibilität nicht um eine Krankheit, sondern um eine Eigenheit handelt. Somit kannst du nicht aufhören, introvertiert zu sein, du kannst dir aber Wege suchen, besser mit sozialer Erschöpfung umzugehen.

ADHS und Autismus

Neurodivergente Menschen nehmen die Welt ebenfalls anders wahr und verarbeiten Reize nicht so wie neurotypische Menschen. Deshalb gibt es zwischen Hochsensibilität und Neurodivergenz auch viele Überschneidungen.

Aber selbst ohne hochsensibel zu sein, werden neurodivergente Menschen soziale Kontakte anders wahrnehmen als neurotypische Menschen. Autismus und ADHS sorgen oft dafür, dass sich Kontakte und Gespräche nicht „natürlich“ anfühlen. Dadurch muss sich etwas mehr angestrengt werden, um die Regeln des Zusammenlebens zu entschlüsseln – und das strengt selbstverständlich an.

Sozialer Kater

Der sogenannte Social Hangover ist für viele Leute ein Mythos. Sie können sich einfach nicht vorstellen, dass jemand genauso erschöpft von sozialen Kontakten ist wie manch anderer von einer durchzechten Nacht voller Alkohol.

Doch ja, für manche fühlt es sich so an. Die gute Nachricht ist: Diese Erschöpfung geht wieder vorbei. Du fühlst dich vielleicht müde, abgelenkt und unmotiviert nach zu viel Sozialzeit, aber wenn du dir wieder etwas Zeit für dich nimmst, geht es dir anschließend wieder besser.

Sozialer Burnout

Leider kann aus einem sozialen Kater auch ein sozialer Burnout werden. Das passiert, wenn du dir keine Pausen gönnst. Die dahinterliegende Ursache ist zweitrangig – ob du nun introvertiert, neurodivergent oder hochsensibel bist, du verpasst es auf jeden Fall, Rücksicht auf dich selbst zu nehmen.

Aus einem sozialen Burnout kommst du nicht mit einer kleinen Pause wieder raus. Nur ist es manchmal schwer, ihn zu erkennen. An Alleinzeit und sozialem Rückzug hängen viele Vorurteile. Manch einer traut sich einfach nicht, sich mal nur um sich zu kümmern. Leider auch, weil das soziale Umfeld manchmal fies reagiert.

Aber wenn du erst einmal einen sozialen Burnout hast, dann strengt dich bald jeder soziale Kontakt an. Das kann langfristig sogar Beziehungen zerstören. Freunde, Partner und Familienmitglieder behandelst du dann vielleicht schlechter, weil du ihnen nicht richtig zuhören kannst und permanent gestresst bist.

sozial erschöpfter Mann
Bild: cottonbro studios (pexels)

Depression

Sozialer Rückzug und Isolation gelten als Warnsignale für eine Depression. Wenn du bis hierher gelesen hast, weißt du hoffentlich schon, dass man nicht immer sofort eine Depression vermuten sollte – es gibt offensichtlich noch viele andere Gründe.

Aber ja, manchmal kommt jemand in Gesellschaft nicht mehr klar, weil er unter einer klinischen Depression leidet. Oftmals haben andere Faktoren eine Rolle gespielt, um an diesen Punkt zu kommen – aber in härtester Konsequenz schaltet der Körper in diesen „Modus“. Es hat schon so seine Gründe, warum viele Experten eine Depression als Warnsignal des Körpers beschreiben. Etwas läuft nicht richtig im Leben, also wehrt sich der Körper. Unter anderem mit erzwungener Erschöpfung.

Professionelle Hilfe ist an diesem Punkt zu empfehlen. Selbsthilfe hat ihre Grenzen und es ist nun mal extrem wichtig, wieder zurück ins Leben zu finden. Sonst lebt man in einem Zustand der Dauererschöpfung – und erneut riskiert man, wichtige Kontakte zu verlieren. Diese sind heutzutage für viele Menschen sowieso schon extrem selten geworden.

Körperliche Erschöpfung

Ein unterschätzter Faktor bei sozialer Erschöpfung ist der körperliche Zustand. Denn naja, soziale Erschöpfung wird mit mentalen Herausforderungen und Problemen verbunden. Die Vermutung liegt auch nahe.

Aber Körper und Geist sind auch nicht so klar zu trennen, wie wir uns manchmal wünschen. Wer chronisch krank ist, nicht genug Bewegung bekommt, zu wenig schläft oder sich schlecht ernährt, der macht sich selbst weniger widerstandsfähig – auch gegen sozialen Stress. Das ist so gut wie nie die alleinige Ursache dafür, dass man soziale Kontakte nicht mehr bewältigen kann, aber deshalb darf man diesen Faktor nicht einfach ignorieren.

Die falschen sozialen Kontakte

Zu guter Letzt kann es sein, dass das Problem gar nicht bei dir liegt. Das würde ich niemals zuerst vermuten – die Probleme immer bei anderen zu suchen, ist keine gute Idee. Nur ist es eben ein Fakt, dass die Erschöpfung manchmal nicht allgegenwärtig ist, sondern primär durch bestimmte Menschen ausgelöst wird.

Dann hast du die falschen sozialen Kontakte. Besonders hinterlistige, fordernde oder rücksichtslose Menschen lassen dich erschöpfter zurück als empathische, nette Menschen. Das wissen wir eigentlich auch alle, aber nicht jeder stellt seinen sozialen Kreis auch mal ehrlich auf die Probe. Manchmal kann soziale Erschöpfung stark verringert werden, weil man einer Person oder Gruppe weniger Zeit widmet – oder sie sogar aus dem eigenen Leben verbannt.

erschöpfte Person lehnt
Bild: William Choquette (Pexels)

Lösungen für sozialen Burnout

Die Erkenntnis, dass ein Problem vorliegt, ist nur die halbe Miete. Leider wissen viele Menschen, dass sie sozial ausgebrannt sind, aber finden keinen Weg aus der Situation heraus. Wie bereits angesprochen wurde, ist dieser Artikel nur ein Anstoß – und manchmal wird die Hilfe durch einen Psychologen oder Psychiater notwendig sein. Je nach Stärke des sozialen Burnouts lässt sich das aber auch umgehen.

Schritt 1: Ursachen finden und nett zu dir selbst sein

Wenn du das hier liest, bist du schon auf dem richtigen Weg – du hast erkannt, dass etwas nicht stimmt. Und du suchst nach Antworten. Das gelingt schon sehr vielen Menschen nicht, also darfst du stolz auf dich sein. Das ist sogar ziemlich wichtig. Denn sehr, sehr oft geht mit sozialer Erschöpfung auch ein Gefühl der Scham einher.

Unsere Gesellschaft fördert häufig Einzelgängerverhalten und verurteilt es gleichzeitig. Somit schämen wir uns oft dafür, dass wir nicht „einfach“ mitmachen können. Aber soziale Kontakte fliegen nicht jedem Menschen einfach zu. Das ist okay. Es heißt nur, dass du achtsamer mit deinem Sozialleben umgehen musst.

Schritt 2: Soziale Kontakte auf die Probe stellen

Nicht jeder Kontakt ist ein guter Kontakt. Manche Menschen schaden uns aktiv – indem sie uns schlecht behandeln oder zu viel von uns verlangen. Aber neben offensichtlich toxischen Menschen gibt es auch genug Personen, die uns einfach nicht guttun. Weil wir sie aus Prinzip in unserem Leben halten oder irgendeine Verpflichtung spüren, ihnen immer wieder ein offenes Ohr zu schenken.

Aber: Wenn du jemand bist, der mit sozialer Erschöpfung zu kämpfen hat, dann kannst du das nicht ewig mitmachen. Du solltest dich nicht komplett isolieren, aber du solltest ehrlich hinterfragen, wer deine Zeit und Energie bekommen soll und wer nicht.

Es kann schwer sein, Menschen gehen zu lassen. Aber mit der gewonnenen Zeit und Energie kannst du ganz neue Dinge anfangen. Indem du mehr Zeit mit denen verbringst, die dir guttun. Oder mehr in deine Gesundheit investierst. Aber auch, falls du dich entscheidest, einfach mal für dich zu sein und das auch zu genießen.

Schritt 3: Alleinzeit zur Priorität machen

Mit Ausnahme der temporären Phänomene – wenn du krank bist oder nur mal kurzfristig soziale Erschöpfung spürst – ist es immer wichtig, Alleinzeit neu zu denken. Für viele ist allein zu sein zunächst „falsch“ oder „peinlich“. In Wahrheit ist nichts falsch daran, sich mit den eigenen Gedanken zu befassen und auch mal frei von den Einflüssen anderer zu sein. Ich würde sogar sagen, wer das nie macht, dem fehlt etwas.

Also musst du lernen, Alleinzeit zur Priorität zu machen. Nebenbei erarbeitet sich diese Zeit kaum jemand. Es gibt immer genug Ablenkungen.

Vielleicht kannst du morgens vor der Schule oder Arbeit zehn Minuten finden, in denen du einfach tief durchatmest. Oder in der Mittagspause einen Spaziergang machen. Auch Wochenende und Urlaubszeit sind Chancen, deine soziale Energie wieder aufzuladen. Wo du die Zeit findest, ist zweitrangig. Dass du sie findest, ist ganz dringend notwendig.

Schritt 4: Gesundheit ganzheitlich verstehen

Nach sozialen Kontakten erschöpft zu sein, ist nicht ungewöhnlich, aber eben auch nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Wenn du sowieso schon auf Ursachenforschung gehst, schaue auch gleich auf andere Gesundheits- beziehungsweise Zufriedenheitsfaktoren.

Wie geht es deinem Körper? Wie zufrieden bist du mit deinem Job? Widmest du dich einem kreativen Hobby und stimulierst deinen Geist?

Die moderne Welt macht es nicht nur schwerer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – sie versucht dich aktiv davon abzulenken. Werbung, Social Media, soziale Spaltung, Existenzängste, Informationsflut – es ist nicht leicht, wieder im Moment anzukommen und sich für Ruhe zu entscheiden.

Schritt 5: Erfahrungsaustausch

Du bist nicht allein mit deinen Gedanken und Gefühlen. Das sollte schon durch diesen Artikel klar geworden sein – aber das geht noch weiter. Es gibt noch mehr Beiträge wie diesen hier. Unter meinem Video zu sozialer Erschöpfung finden sich Hunderte Kommentare von Menschen, denen es ähnlich geht.

Manchmal tut es einfach gut zu hören, dass man nicht allein ist – selbst dann, wenn allein zu sein, in diesem Fall oft die Lösung ist. Aber allein und einsam sind nun mal verschiedene Dinge. Einsam fühlen wir uns, wenn wir uns nicht verbunden fühlen mit unserer Umwelt. Indem du deine Erfahrungen teilst oder auch einfach nur die Erfahrungen anderer liest und hörst, kannst du dich ein wenig vor Einsamkeit schützen.

Frau müde nach sozialen Kontakten
Bild: Craig Adderley (Pexels)

Fazit: Ja, Menschen sind anstrengend

Es ist immer erst einmal schockierend, wenn wir verstehen, dass sogar unsere besten Freunde uns stressen können. Oder unsere große Liebe. Die Familie, die wir nicht missen wollen. Aber wenn wir das nicht moralisch aufladen, sondern einfach als Erschöpfung verstehen, dann können wir uns auch wertfrei damit befassen, wie wir die sozialen Ansprüche besser bewältigen können. Nach einer ordentlich Sporteinheit würden wir auch nicht behaupten, dass Erschöpfung peinlich oder falsch wäre – wir würden uns Zeit nehmen, bis es uns wieder gut genug geht, um weiter zu machen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein