Distanzierte Menschen: Psychologie, Umgang und Emotionen

Zu fremden Menschen spüren viele von uns eine gewisse Distanz. Immerhin wissen wir recht wenig über sie, müssen vorsichtig sein, wollen selbst nicht zu viel preisgeben. Aber was ist eigentlich mit distanzierten Menschen, die wir näher kennenlernen wollen – oder die sogar ein wichtiger Teil unseres Lebens sind?

Die Psychologie distanzierter Menschen ist so komplex, wie Menschen es nun mal sind. Doch das heißt nicht, dass man nicht versuchen sollte, sie zu verstehen. Denn Unnahbarkeit oder Zurückhaltung sind oftmals lediglich kleine Hürden, hinter denen unglaublich interessante Menschen warten, die sich nun mal einfach nicht jedem öffnen.

Distanzierte Menschen Psychologie

Wenn jemand distanziert ist, kann das eine allgemeingültige oder persönliche Einschätzung sein. Persönlich heißt, dass uns jemand begegnet, der uns auf Abstand hält. Generell scheint die Person kein Problem mit anderen Menschen zu haben, sie ist aufgeschlossen, lacht und unterhält sich – aber zu uns scheint einfach keine Verbindung zu bestehen.

Meist wird von distanzierten Menschen aber eher gesprochen, wenn sie generell nicht besonders offen und zugänglich wirken. Sie gehen nicht auf Menschen zu, suchen nicht das Scheinwerferlicht und erzählen auch nicht viel, was von Bedeutung wäre. Smalltalk ist manchmal noch drin, aber Wünsche, Träume, Hoffnungen und Ängste? Darüber scheint der distanzierte Mensch eher nicht sprechen zu wollen.

Manchmal ist die Unnahbarkeit auch gar nicht sprachlicher Natur, sondern körperlicher. Jemand hält Abstand (freiwillig), steht lieber abseits und zeigt auch mit einem Partner nicht viel körperliche Zuneigung. Häufig sind körperliche und seelische Unnahbarkeit aber auch in einer Person vereint.

warum ist jemand distanziert

Warum ist jemand distanziert?

Die Ursachen beziehungsweise Gründe für distanziertes Verhalten könnten ein ganzes Buch füllen. Der extremste Grund ist das Trauma: Jemandem wurde körperliches und/oder psychisches Leid angetan und das führt dazu, dass diese Person mit großer Vorsicht oder gar Angst agiert. Die Distanz ist ein Schutzmechanismus.

Das ist aber nur selten der Fall. Es gibt auch einfach die Situation, dass jemand introvertiert ist und sich ungern fremden Menschen öffnet. Introvertierte brauchen eine Weile, um sich auf andere Menschen einzulassen, bevorzugen meist ruhigere Umgebungen und soziale Interaktionen rauben ihnen Energie – sich da auch noch emotional verfügbar zu machen, ist einfach nicht drin. Das betrifft manchmal sogar vertraute Personen, wenn die äußeren Umstände nicht passen.

Distanziertes Verhalten kann auch einfach eine Eigenart sein. Vielleicht wegen Introversion, einer kulturellen Hintergrundgeschichte oder einfach einer Ausprägung – nicht jeder möchte sich öffnen. Manche brauchen Zeit, andere tun es nie. Gelegentlich handelt es sich auch um eine Trotzreaktion.

Leider fordern manche Menschen geradezu ein, dass man sich ihnen öffnet und ihnen Aufmerksamkeit schenkt. Als hätten sie ein Recht darauf. Für emotional distanziertere Menschen kann das beleidigend bis bedrohlich wirken. Sie ziehen sich dann noch mehr zurück – aus meiner persönlichen Sicht absolut zurecht.

Was bedeutet emotional distanziert?

Es wurde schon angesprochen: Es gibt verschiedene Arten distanziert zu sein oder zu wirken. Einige sprechen einfach wenig, andere lassen sich mit dem Aufbau von Nähe einfach nur Zeit und wieder andere sind und bleiben emotional distanziert.

Oftmals hat man das Gefühl, an diese Menschen einfach nicht heranzukommen. Selbst wenn man das Gespräch aktiv sucht und Verständnis zeigt, kommt einfach nicht viel zurück. Das kann sehr frustrierend sein – für beide Seiten.

Manchen Menschen liegt es einfach nicht, Emotionen offen zu zeigen. Sie machen Dinge gerne mit sich aus oder spüren Euphorie, Hass, Liebe und Schmerz auch einfach anders als andere Menschen. Das wirkt dann schon mal unterkühlt oder gar herzlos. Menschen, die auf diese Art tatsächlich andere manipulieren (z.B. Narzissten oder Psychopathen), sind natürlich grausam. Aber häufig ist es auch so, dass emotional distanzierte Menschen sehr zufrieden sind und einfach nur anders kommunizieren.

unnahbare kühle menschen

Kalte distanzierte Menschen

Problematisch wird es, wenn Freundschaften, Familienverhältnisse und romantische Beziehungen unter der Distanz leiden. Hier spricht man auch von kalten, distanzierten Personen, die sich abschotten. Das Problem ist, ja, manchmal kapseln sich Menschen wirklich komplett ab und brauchen Hilfe oder müssen an sich arbeiten. Gleichzeitig kann beispielsweise ein generell ruhigerer Mensch in einer extrem extrovertierten Familie auch einfach falsch behandelt werden.

Grundsätzlich gilt: Es wird niemandem geholfen, wenn harte Ausdrucksweisen oder gar Vorwürfe im Raum stehen. Ein emotional distanzierter Mensch wird sich seinem Partner nicht öffnen, wenn Begriffe wie „gefühllos“ oder „arrogant“ fallen. Auf Arbeit wird man einen Kollegen nicht besser integrieren, indem man seine Arbeitsleistung ignoriert und ständig auf sein Sozialverhalten eindrischt. Der Umgang mit distanzierten Menschen ist kein Kinderspiel, sorry, aber auch keine Raketenwissenschaft, zum Glück.

Umgang mit distanzierten Menschen

Wer es bis hierher geschafft hat, dürfte schon mal viel besser mit distanzierten Menschen umgehen als viele andere. Denn allein die Erkenntnis, dass es nicht den einen distanzierten Menschen gibt und dass nicht jeder unnahbare Mensch einfach nur schüchtern ist oder Hilfe braucht, ist viel wert. In konkreten Situationen möchte man aber selbstverständlich trotzdem irgendwie verstehen, was zu tun ist und was nicht.

Unnahbare Menschen im Alltag

Der beste Tipp für den Umgang mit distanzierten Menschen im gewöhnlichen Alltag ist, sie einfach in Ruhe zu lassen. Wenn keine weitere Verbindung zu der Person besteht – keine Freundschaft, keine romantische Beziehung, kein enges Arbeitsverhältnis –, dann ist es einfach nicht deine Aufgabe, diese Person dazu zu bewegen, sich zu öffnen.

Hält jemand Abstand und möchte nicht über sein Privatleben reden, dann respektiert man das einfach. Alles andere ist hochgradig unhöflich. Leider kommt es immer wieder vor, dass sich besonders aufgedrehte, überfreundliche oder aggressiv extrovertierte Menschen berufen sehen, die armen ruhigeren Menschen zu retten.

Zum einen wird das immer dazu führen, dass sich die distanzierte Person noch weiter zurückzieht. Zum anderen entstehen dann Texte wie So sagst du jemanden, dass er die Klappe halten soll und Menschen sind anstrengend, gib es ruhig zu.

Emotional distanzierte Familienmitglieder

Distanzierte Fremde also so sein lassen, wie sie sind. Verstanden? Gut. Aber was ist mit den Menschen, die dir nahestehen? Zum Beispiel ein Bruder, eine Mutter, ein Opa? Das macht das Ganze schon schwieriger. Das Bedürfnis nach Nähe ist hier berechtigt, gleichzeitig gilt, dass Aufdringlichkeit die Sache nicht besser macht.

Die beste Lösung ist, wer hätte das gedacht, ein Gespräch zu suchen. Sonst wird es fast unmöglich sein, die Gründe für die kühle Art zu verstehen. Gleichzeitig kann die unnahbare Person ja nicht riechen, dass du dich nicht wohlfühlst, wenn so viel Raum zwischen euch liegt, den du lieber schließen würdest. Daher kann nur ein Gespräch zu echtem Erfolg führen.

Wenn Kinder und Jugendliche im Spiel sind, ist außerdem berechtigterweise ein höheres Bedürfnis vorhanden, psychische Probleme ausschließen zu wollen. Emotionale Distanz kann durch ein Trauma oder eine psychische Erkrankung aufgebaut werden – dann ist professionelle Hilfe angebracht. Gleichzeitig sollte auch hier nichts ohne ein, zwei oder mehr Gespräche geschehen. Denn als Teenager sofort zum Psychiater geschickt zu werden, weil man keine Fremden umarmt und auch nicht den ganzen Tag quasselt, kann Vertrauen und das Selbstbild erschüttern.

Distanzierte Partner verstehen

Die dritte große Gruppe der Menschen, deren distanzierte Art für andere zum Problem wird, sind die kühlen und unnahbaren Partner. Grundsätzlich gilt: Wer sich auf jemanden einlässt, der etwas reservierter lebt und liebt, der sollte keine großen Sprünge erwarten. Die meisten Menschen sind nicht nur situativ distanziert, sondern dauerhaft – das gehört also zur Persönlichkeit und muss somit akzeptiert werden.

Aber (!) auf keinen Fall dürfen sich Partner emotional völlig abschotten und ihre distanzierte Art als Ausrede benutzen. Der einfühlsamere oder kommunikationsbedürftige Partner in der Beziehung hat durchaus das Recht, die eigenen Bedürfnisse zu definieren und Kompromissbereitschaft einzufordern. So wie man nicht erwarten darf, dass ein distanzierter Partner plötzlich zum sozialen Schmetterling im Dauerumarmmodus wird, darf nicht erwartet werden, dass Nähe und Offenheit komplett verweigert werden können.

was bedeutet emotional distanziert?

Ich wirke kühl und distanziert: Was kann ich tun?

Interessant wird es, wenn mehrere distanzierte Menschen aufeinandertreffen. Grundsätzlich fühlen sie meist (ironischerweise) eine gewisse Verbindung zueinander. Gleichzeitig wird die Kommunikation manchmal noch schwieriger.

Aus diesem Grund – und weil man gerne nahbarer wirken möchte – fragen sich viele Menschen, wie sie weniger kühl und distanziert sein können. Zwei Dinge sollten beachtet werden: Ohne Kommunikation ist es nicht möglich und man wird sich niemals um 180 Grad drehen können.

Wer von Natur aus beziehungsweise seit vielen Jahren eher distanziert ist, sollte sich nicht auf Zwang ändern wollen. Das wird im Zweifel nur Stress oder gar psychische Probleme verursachen. Gleichzeitig sollte das Bedürfnis nach Nähe aber nicht ignoriert werden, wenn es denn doch mal aufkommt. Freunde, Familienmitglieder und Partner wissen es oftmals sogar zu schätzen, wenn man schon ein Prozent offener wird. Mal eine Umarmung zur Begrüßung für die Eltern, ein Strauß Blumen für den Partner oder eine kleine Information aus dem Privatleben gegenüber dem Arbeitskollegen erwähnen: All das sind kleine Dinge, die mit der Zeit viel erreichen.

Oder man wählt einfach eine andere Darstellungsform. Viele unnahbare Menschen sind sehr kreativ. Ein Gedicht, ein Brief, ein Song, ein Bild – man wirkt offener, wenn man anderen zeigt, wie man am liebsten kommuniziert. Nicht jeder wird das verstehen oder annehmen können, aber viele sind bereit, ihre etwas zurückhaltenderen Mitmenschen mit offenen Armen zu empfangen – oder auch nur freundlich zu winken und sich für die Offenheit zu bedanken.

7 Kommentare

  1. Ich bin selbst ein extrem distanzierte Mensch…und eig bin ich nicht so komplex wie man erstmal denkt…..ich habe mich nur durch Erfahrungen im Leben so verändert das man mir weniger schaden kann daher bin ich distanziert geworden.

    Aber wenn du den Zugang zu so einem Menschen bekommen willst dann musst du einfach nur erlich sein egal auch wenn es Mal bedeutet das man etwas zu gibt was einen negativ belastet gerade auf solche lege ich Wert weil das tun wirklich nur Menschen denen die Wahrheit etwas bedeutet.

    Wer immer auf seine Weise Weste achtet kann kein etlicherensch sein er gesteht ja nichtmal selbst seine Fehler ein wie will er denn daraus lernen wenn er es nicht wahrnimmt…..alles gute hoffe konnte dir etwas Aufschluss geben ich achte weniger auf Worte mehr auf die Motivation hinter den Dingen.

    Weil nur so kannst du die Spreu vom Weizen trennen .

    • Hey Andre,

      ja, ich gebe dir recht. Distanzierte Menschen haben oftmals gute Gründe für ihre Art – und wissen Ehrlichkeit zu schätzen.

      Liebe Grüße
      Jennifer

  2. Ich finde den Umgang damit gar nicht leicht. Einerseits bin ich selbst jemand, der ziemlich introvertiert und gegenüber Fremden erst einmal verschlossen ist und bleibt. Das geschieht zum einen aus Selbstschutz, aber eben aus dem banalen Grund, dass ich eben einfach so bin und es sehr viel Kraft kostet, sich anders zu verhalten als es dem eigenen Naturell entspricht. Wenn dann noch negative Erfahrungen und daraus resultierend soziale Ängste mit in den Eintopf der Persönlichkeit kommen, finde ich es bisweilen echt schwer, das noch auseinanderhalten zu können.

    Andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich auf der Arbeit etwas zu öffnen den Arbeitsalltag angenehmer gestaltet, weil (mMn. unberechtigt) die Kollegen einen als weniger bedrohlich wahrnehmen, wenn man zumindest etwas von sich selbst erzählt.

    Irgendwo bleibt es ein gefühlter Drahtseilakt zwischen Authentizität und..hmm, ich nenne es mal sozialer Kompromissbereitschaft. Inzwischen habe ich, dank toller Blogs wie diesem hier und diverser Bücher, meine ruhige Art akzeptieren und schätzen gelernt. Trotzdem denke ich, dass es manchmal gut sein kann, entgegen der eigenen Prädisposition zu handeln, um sich herauszufordern und zu überprüfen, ob man nun wirklich nicht der Typ für etwas ist oder doch Ängste dahinterstecken, die sich zu überwinden lohnen kann. Manchmal neigen wir Menschen dann doch dazu, uns selbst Sicherheit durch beruhigende Lügen zu erzählen. Ich zumindest ertappe mich immer wieder dabei:)

    Vielen Dank für die zum Nachdenken anregenden Artikel! Ich gucke immer wieder gerne vorbei.

    • Hi, ein sehr durchdachter Kommentar 🙂 Distanziertheit kann echt viele Ursachen haben. Sich seine Antwort schon zurechtzulegen, kann zu mangelndem Entwicklungspotential führen – man setzt dann gar nicht oder an den falschen Stellen an (passiert mir auch!). Andererseits kann ein Ablehnen dieser Seite genauso problematisch sein. Es gibt noch immer so, so viele Intros, die verzweifelt einen auf extrovertiert machen. Wir arbeiten dran, klären auf und hinterfragen fleißig 🙂

      Liebe Grüße

      • Gezwungenermaßen neigen wir Menschen doch oft dazu, geistige Abkürzungen zu nehmen und schaden uns dann oft selbst, auch wenn wir natürlich nicht jede Kleinigkeit bis ins letzte Detail logisch durchleuchten können.In diesem Fall entweder durch unkritisches Übernehmen der lautesten Meinungen, die verkünden, dass Extraversion das Maß aller Dinge ist und man doch nur schneller gegen die Wand aka das eigene Temperament rennen muss, um zur „Normalität“ dahinter zu gelangen oder indem man „nett“ zu sich ist und Ängste leugnet. Ich denke, in beiden Fällen hilft es, Abstand zu nehmen und allein und in Ruhe darüber nachdenken. Wenn das leicht fällt, ist man eventuell introvertiert 🙂

        Absolut, und jeder, der darunter leidet, ist einer zuviel. Darum finde ich deine Arbeit hier sehr hilfreich, denn mir hat sie definitiv zu mehr Klarheit verholfen.

  3. Was mich interessiert: Haben rationale, emotional distanzierte Menschen einfach weniger bzw. ruhigere Gefühle? Ich z.Bsp. kann mir sehr bewusst sein, wie unpassend ein Gefühl von mir ist (Ärger, Angst, Trauer…), aber ich kann das Gefühl in dem Moment selbst nicht abstellen, indem ich mir z.Bsp. sage „das ist jetzt nur mein inneres Kind“, also merkt man mir das schon an. Rationale Menschen wirken, als wenn sich ihre Gefühle dem Verstand brav unterordnen würden. Die nehmen weder die eigenen, noch die Gefühle anderer übermässig ernst, sondern handeln mühelos nach Ratio. Stecken die ihre Gefühle dann einfach in eine Kiste und Deckel drauf oder haben diese Menschen einfach wenig bzw. nur schwach ausgeprägt e Gefühle?

    • Hi Marie, sowohl als auch. Einige distanzierte Menschen reagieren wirklich von Natur aus weniger emotional und können deshalb im Zweifel Rationalität zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen. Die Höhen sind weniger hoch, die Tiefs weniger tief.
      Aber es gibt genauso distanzierte Menschen, die extrem starke Gefühl haben, sie aber streng für sich behalten. Sie legen sozusagen einen „Filter“ über sich selbst, um in Gesellschaft niemals die erste Reaktion oder zu viel von sich selbst zu zeigen. Das heißt aber nicht, dass Rationalität auch wirklich ihre Entscheidungen leitet.
      Dann gibt es natürlich noch diejenigen, die ihre Emotionen „sehen“, für weniger wichtig erachten und ihre Handlungen anschließend an Rationalität ausrichten. Ich empfehle dafür mal den Artikel zum Persönlichkeitstyp „INTJ„. INTJs gelten gerne als etwas roboterartig, obwohl sie auch starke Gefühle haben – sie wollen sich von ihnen einfach nur nicht leiten lassen.

      Also leider mal wieder: Es kommt darauf an. Auf welche Art distanzierter Mensch man trifft, ist im ersten Moment meist nicht klar.

      Liebe Grüße
      Jennifer

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