16 „typisch introvertierte“ Dinge, die NICHT peinlich sind

Zu ruhig, zu komisch, zu zurückhaltend. Das müssen sich Introvertierte immer wieder anhören. Was folgt? Scham. Viele von uns lernen, dass ihre Art nicht ins Gesamtbild passt und früher oder später wird daraus ein dauerhaftes Gefühl der Unzulänglichkeit oder des „Fehl-am-Platz-Seins“.

Hier kommen nun 16 Dinge, die sofort eine Gegenreaktion bei ruhigen oder introvertierten Menschen auslösen, weil sie denken, ihre Gefühle wären „nicht richtig“. Das einzige, was hier jedoch nicht richtig ist, ist das Verweigern von Gedanken und Emotionen, die uns ausmachen…

  1. Kopfhörer zur Kontaktvermeidung

Wer keine Lust auf Gespräche hat, wählt den Kopfhörerausweg. Musik laut, Welt leise. Nicht nur, dass man so Musik genießen kann (oder Podcast/Hörbuch), man signalisiert anderen Menschen auch, dass man bitte nicht angesprochen werden möchte.

Leider interessiert das nicht jeden. Und leider fühlen sich viele Introvertierte komisch, wenn sie sich so abschotten. Warum denn? Seit wann schulden wir Fremden in der Bahn oder auf dem Gehweg denn unsere Aufmerksamkeit (sofern es keine Notsituation ist)?

  1. Nickerchen und Mittagsschlaf

Wer sich auf Wanderlust Introvert schon etwas umgeschaut hat, weiß, dass Introvertierte mit ihrer Energie anders umgehen als Extrovertierte. Eine Möglichkeit, um besagte Energiereserven aufzuladen, sind Nickerchen beziehungsweise der gute alte Mittagsschlaf. Seit einer Weile auch: (Power) Naps!

Manch einer fühlt sich immer noch komisch, als erwachsener Mensch eine Pause einzulegen und die Augen zu pflegen. Dabei sind die gesundheitlichen Vorteile längst bewiesen und wenn ein solches Nickerchen dabei hilft, den Rest des Tages besser zu überstehen, wieso dann die Zweifel?

  1. Sich auf zu Hause freuen

Kaum einer fühlt sich komisch, weil er sich auf zu Hause freut. Dort sind ja die Partner, die Freunde, die Haustiere und, und, und. Aber worauf sich Introvertierte unglaublich doll freuen – das aber so gut wie nie zugeben – ist nach Hause zu fahren und dort absolut nichts zu tun.

Wer sich aus einer sozialen Situation verabschiedet, muss sich häufig auch rechtfertigen: „Was machst du denn heute noch so?“

Die seltene Antwort, aber oftmals die richtige, ist dann: Nichts, absolut nichts, ich habe keine Pläne, ich werde einfach nur den Rest des Tages ohne Kontakte oder Verpflichtungen genießen!

Der Kapitalismus (und seine hörige Gesellschaft) hat uns eingeredet, dass wir immer und ständig beschäftigt und produktiv sein müssen. Newsflash: Nein, müssen wir nicht! Das ist alles andere als „natürlich“ und alles andere als gesund.

  1. Von Menschen genervt sein

Da wir uns einreden (oder von anderen eingeredet bekommen), dass unsere ruhige Art nicht die richtige Art ist, scheuen wir uns davor, von anderen genervt zu sein. Immerhin sind die ja aktiv, gesprächig und beliebt, also müssen sie was richtig machen. Davon sollte man nicht genervt sein…

Doch sollte man! Dauerquatscher, Dummschwätzer und Lebenszeitstehler sind nervig. Sie halten sich für das Nonplusultra und nehmen keine Rücksicht auf andere – das ist nervig und toxisch und das wird man ja wohl noch sagen dürfen!

Falls dir dieser Punkt besonders zusagt: Menschen sind anstrengend und wir alle wissen es auch!

  1. Corona Maßnahmen

Wir alle wünschen uns, dass die Pandemie bald vorbei ist. Das steht (für logisch denkende Menschen) nicht zur Debatte. Doch es ist nun mal so, dass einige der Maßnahmen, die eine Folge der Corona Krise sind, für Introvertierte echt geil aussehen.

Abstand halten? Bitte für immer! Rücksicht nehmen? Wieso machen wir das erst jetzt? Kleine gemütliche Treffen statt Menschenmassen? Lieber Weihnachtsmann…

Kein Grund, sich zu schämen. (Anmerkung: Dieser Artikel ist offensichtlich schon etwas älter. Bei ohfamoos habe ich mich mal damit beschäftigt, warum manche die Corona-Zeit vermissen: Corona Nostalgie.)

  1. Nicht lächeln

Dieser Punkt verdient einen eigenen Beitrag. Früher oder später wird er auch erscheinen. Denn die Aufforderung, mehr zu lächeln, ist so dermaßen nervig, dass sich mir die Fußnägel hochrollen.

Wir schulden niemandem ein Lächeln, den wir nicht kennen. Wer von Natur aus nicht automatisch lächelt, sollte auch nicht dazu gezwungen werden. Denn weißte was? Wenn wir dann lächeln, ist es immer ehrlich. Nicht dieses Dauerlächeln, das eigentlich kaum noch einen Wert hat. Wir lächeln, wenn wir es für richtig halten – basta!

10 Sprüche, die Introvertierte nicht mehr hören können!

  1. Über Absagen freuen

Ich versuche absolute Aussagen zu vermeiden. Ein vielleicht, manchmal oder meistens schleicht sich eigentlich immer (da schon wieder!) in meine Beiträge. Doch ich stelle jetzt eine steile These auf: Absolut jeder Mensch, der diesen Beitrag liest, hat sich schon mal darüber gefreut, dass ein Treffen abgesagt wurde.

Und für Introvertierte passiert das häufiger. Wir machen Pläne, weil wir uns gedrängt fühlen oder auch, weil wir wirklich Lust auf eine Sache hatten, doch dann kommt der Tag des Termins und wir haben keine Lust mehr. Dann folgt die Nachricht, dass es doch nicht stattfindet und ein riesiger, langer Seufzer entweicht uns.

Alternativ wird sogar ein kleiner Freudentanz veranstaltet. Wer so viel Erleichterung spürt, sollte sich dafür nicht schämen, sondern überlegen, ob er das nächste Treffen nicht anders plant, um doch etwas mehr Begeisterung zu entwickeln.

  1. Anrufen und hoffen, dass keiner abnimmt

Noch so ein Punkt, der nicht nur Introvertierte betrifft. Viele von uns verabscheuen telefonieren. Umso geiler ist es, wenn wir anrufen wollen, keiner abnimmt und wir sagen können, wir haben es ja versucht.

  1. Ausreden

Grundsätzlich sollte man mit seinen Liebsten ehrlich sein. Wenn man auf etwas keine Lust hat oder auch einfach die Energie fehlt, dann ist es besser, das offen zuzugeben.

Aber nicht alle Menschen zeigen Verständnis. Einige werden sogar richtig sauer oder vorwurfsvoll. Dann ist eine Ausrede die bessere Alternative. Denkt daran, wenn derjenige euch so mögen würde, wie ihr wirklich seid, würde er euch keine Vorwürfe machen – das mit einer billigen (oder hochwertigen) Ausrede zu umgehen, ist keine Schande.

  1. Partys meiden

Wieder und wieder tauchen in Foren Fragen auf, in denen die Menschen wissen wollen, ob sie nicht normal oder gar krank sind, weil sie nicht gerne auf Partys gehen. Eines der hartnäckigsten Vorurteile, keine Frage.

Machen wir es kurz: Partys sind nicht jedermanns Ding und das ist in Ordnung. Ja, der Mensch ist ein soziales Wesen, aber nein, diese Sozialkontakte müssen nicht in Form von Partys ausgelebt werden.

  1. Mut zureden

Bestimmte Aktivitäten fordern uns mehr, als das bei Extrovertierten der Fall ist. Öffentliche Auftritte, Gruppenarbeiten, Großveranstaltungen, … also müssen wir uns manchmal Mut zureden. Motivieren. Aufputschen.

Na und? Wenn es kein anderer für uns tut, machen wir es halt selbst. Ein gutes Motto für viele Dinge übrigens, wenn du verstehst, was ich meine.

  1. „Komische“ Hobbys

Glaubt man dem (vermeintlichen) gesellschaftlichen Konsens, dann gibt es Hobbys, die mehr oder weniger Wert sind als andere. Surfen ist cool. Lesen ist wichtig. Fußball ist Lebensinhalt.

Aber alleine spazieren gehen? Serien gucken? Zocken? Cup stacking? Also bitte, was sind denn das für Hobbys…

Gute und wichtige Hobbys sind das, hörst du? Wenn dir etwas Freude oder Entspannung bereitet, dann sei darauf auch stolz oder zumindest: Schäme dich nicht dafür! Wir Intros sind dafür anfälliger, weil wir sehr häufig Hobbys haben, die keine oder wenige Kontakte mit anderen brauchen. Mit den Worten des Wendlers: EGAL!

Hier sind noch 10 Tipps für Introvertierte im Alltag!

Update 2022: 4 weitere Dinge, für die sich Introvertierte nicht schämen sollten

Manche Beiträge auf diesem Blog bekommen ein Update. Dieser hier konnte ruhig noch ein paar weitere Punkte auf der Liste vertragen. Gerne auch deine Punkte, wenn du Lust hast, etwas in die Kommentare zu schreiben.

13. Sich von Menschen distanzieren

Manchmal dauert es wirklich lange, doch die Erkenntnis ist plötzlich da: Jemand in meinem Leben tut mir nicht gut. Von diesem Menschen muss man sich einfach distanzieren, um Lebensmut und Zufriedenheit zurückzubekommen. Handelt es sich aber um eine langjährige Freundschaft, einen Partner oder Familienmitglieder kommt schnell der Gedanke: Was sollen die Leute denken?

Für Selbstschutz sollte sich niemand schämen – schon gar nicht Introvertierte. Denn das erhöhte Ruhebedürfnis und die (meist) sensiblere Art können bedeuten, dass eine fordernde, rücksichtlose oder hinterhältige Person noch einmal mehr belastet. Also: Bloß keine Scham.

14. Auch mal richtig direkt sein

Nicht alle introvertierten Menschen sind ruhig und zurückhaltend. Aber eben doch viele. Wollen sie sich Gehör verschaffen, reagiert die Umwelt daher oft überrascht. Manchmal gibt es aber keine Alternative. Wenn jemand Mist baut, dich schlecht behandelt oder einfach richtig unhöflich ist, dann musst du nicht um den heißen Brei herumreden.

Manchmal schreckt man vor Direktheit zurück. Wenn man einen Ruf als besonnener und kompromissbereiter Mensch hat, dann ist eine direkte Ansage oder gar eine Drohung eine Überraschung für andere – aber sieh es mal so: Wie lange muss man eine friedliebende Person nerven, bis sie an den Punkt kommt, an dem sie einfach etwas sagen muss?

15. Sich beim Denken Zeit lassen

In der modernen, schnelllebigen Gesellschaft ist es Gang und Gäbe geworden, lieber schnell etwas zu sagen, als gar nichts zu sagen. Das führt dazu, dass viele Meinungen entstehen, die wenig bis gar nicht mit Fakten oder wertvollen Gedanken gefüttert wurden.

Das widerspricht vielen Introvertierten grundlegend. Trotzdem machen wir oft einfach mit. Zum einen, weil es anstrengend ist, sich mit allen Themen tiefergehend zu befassen. Zum anderen, weil es auf andere komisch wirken kann, wenn jemand zugibt, nicht viel über etwas zu wissen oder sich erst einmal Gedanken machen zu wollen. Na und? In der heutigen Gesellschaft auf ausführliche und tiefgründige Gedankengänge zu setzen, ist wichtiger denn je und nicht etwa etwas, wofür man sich schämen müsste.

16. Die eigene Persönlichkeit noch nicht verstehen

Wenn ich eines gelernt habe, dann dass viele Introvertierte zwar einen Aha-Moment haben, aber dann noch lange nicht fertig sind. Der Aha-Moment kommt, wenn wir feststellen, dass es Introversion gibt, was sie ist und dass sie uns betrifft. Aber da dies meist erst mit 20, 30 oder 60 Jahren geschieht, braucht niemand zu erwarten, dass plötzlich alles anders ist.

Ja, wir erhalten einen ganz neuen Blick auf uns und die Welt. Aber es dauert, um wirklich zu verstehen, was uns ausmacht, wann Introversion uns beeinflusst und wann nicht. Das ist ein lebenslanger Prozess, der einigen sehr leicht fällt und anderen sehr schwer. Falls du länger brauchst, noch kämpfst und weiterhin nach Antworten suchst, ist das total in Ordnung und kein Grund für falsche Scham.


So, hoffentlich konnten wir nun ein paar der Punkte abarbeiten, die Introvertierte immer wieder auf dem Zettel haben. (Falls du jetzt andere Introvertierte suchst: Gruppen für Intros). Wir müssen uns nicht schämen und wer uns etwas anderes erzählt, der, nun ja, der sollte sich schämen!

8 Kommentare

  1. Hallo Jennifer, ja, die meisten Dingen treffen auf mich zu. Lachen musste ich bei dem Punkt: sich über Absagen freuen. Das ist echt ne Krux. Wenn ich einen Termin mache, bin frohen Mutes und habe Lust auf die entsprechende Sache. Aber am Tag des Geschehens will ich nicht mehr. Es schleicht sich der Gedanke ein, vielleicht sagt der andere ja ab, denn selber würde ich nie absagen. Meist sagt derjenige aber nicht ab, ich gehe mit und dann wird es doch schön.

    Oder das Genervtsein von anderen. Ja! Bin ich bei jedem. Ich kann einfach nicht dauerhaft mit ein und derselben Person zusammensein. Da nerven mich dann bestimmte Wesenszüge und auch die ständig wiederkehrenden Worte oder Phrasen, die derjenige benutzt. Für mich ist es am besten, wenn immer größere Pausen zwischen dem Aufeinandertreffen liegen.

    Eigentlich möchte ich gerne fröhlich und ohne viele Gedanken durchs Leben gehen. Aber wenn ich so drüber nachdenke (schon wieder denken), ist mein Inneres doch ganz schön anstrengend.

    • Moin Annett, ja, dass im Kopf ständig etwas los ist, kann schon ganz schön anstrengend sein. Menschen, die einfach machen und wenig nachdenken, sind wahrscheinlich unbeschwerter. Aber irgendwie möchte ich es auch nicht missen, denn wenn ich die Menschen betrachte, die nie groß nachdenken, dann sind es auch meist die, die selten mal kreativ sind und dafür häufig eher rücksichtslos. So möchte ich dann auch wieder nicht sein.

      Liebe Grüße

  2. Hallo Jennifer,

    spitze, dass du deine Zeit einsetzt, um diese tolle Webseite zu erstellen.
    Und ja, ich konnte bei jedem (wirklich jedem) Punkt zustimmend nicken. Und ich fühle mich gleich etwas weniger komisch, danke dafür!
    Beste Grüße
    Tobias

    • Moin Tobias, vielen Dank für dein Feedback. Freut mich, dass ich den Ton getroffen haben. Falls dir noch etwas einfällt, kannst du auch gerne Ergänzungsvorschläge machen 🙂

      Liebe Grüße

  3. liebe jennifer,

    ich brauche sicher nicht schreiben, dass ich selten bis nie etwas kommentiere. aber auch ich habe mich in allem erkannt. laut lachen (natürlich allein) musste ich bei “anrufen und hoffen, dass keiner abnimmt.”

    vielen lieben dank für diese seite, so ist dieser jahrmarkt im kopf ein bisschen besser zu ertragen.
    beste grüße
    tina

  4. Hallo liebe Jennifer, das hier ist der beste Artikel, den ich je über Introvertiertheit gelesen habe! Vielen Dank dafür! ♡♡♡ Trifft alles zu 100% zu, vor Allem der Punkt mit dem „Freude über einen abgesagten Termin “ Habe ich niiiee jemanden erzählt, das würde ja niemals jemand verstehen! Aber ja, genauso läuft es bei mir ab, inklusive das Tänzchen! 😉
    Liebe Grüße
    Lily

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