Was ist FOMO?
FOMO ist ein Akronym für Fear of missing out und steht für die Angst, etwas zu verpassen. Etwas kann dabei ein soziales Event, eine Reise, ein Gespräch oder auch ein neues Smartphone sein. Das Phänomen ist nicht neu, allerdings wird es laut Experten durch unsere Kultur und vor allem durch Social Media stark beeinflusst.
In diesem Beitrag geht es darum, wie FOMO entsteht, wer davon besonders betroffen ist (Introvertierte oder Extrovertierte?), wie sich FOMO in der Welt der Reiseblogger durchsetzt und letztlich, wie man die Angst bekämpfen kann.
Woher kommt die Angst, etwas zu verpassen?
Die Angst, etwas zu verpassen, kann immer dann entstehen, wenn wir uns mit der Entscheidung zwischen zwei (oder mehr) Optionen konfrontiert sehen. Wenn es keine Möglichkeit gibt, zwei Veranstaltungen, zwei Produkte oder zwei Menschen miteinander zu kombinieren, werden wir gezwungen, zu wählen und somit, eine andere Sache zu verpassen.
Gehe ich zur Party von Draco, kann ich nicht gleichzeitig auf Harry’s Party gehen. Fliege ich nach Mallorca, kann ich mir nächstes Jahr nicht leisten, nach Tokyo zu fliegen. Kaufe ich mir ein Samsung Smartphone, dann verpasse ich vielleicht die coolen Features des neuen iPhone.
Internet und Social Media
Das Internet und ganz besonders Social Media verschlimmern FOMO mit jeder Sekunde, die wir sie nutzen. Jedes Urlaubsfoto, jede Story von der Party und jede Werbung ist darauf ausgerichtet, andere in ein besseres Licht zu rücken.
Da vergleichen wir uns automatisch. Dutzende oder gar hunderte Male am Tag. Es fühlt sich an, als stünden wir ständig in Konkurrenz. Nicht nur mit einem Bruder, einem Klassenkameraden oder dem Spieler einer gegnerischen Mannschaft – im Internet konkurrieren wir mit der ganzen Welt.
Selbst wenn uns bewusst ist, dass Social Media eine gefilterte (manchmal wortwörtlich) Realität darstellt, können wir uns dem Druck nicht entziehen. Selbst Menschen, die so wenig Zeit wie möglich auf Social Media verbringen, werden damit immer mal wieder konfrontiert.
Rosarote Brille und Selbstdarstellung
Was sich verändert hat, ist der permanente Zugang zu Informationen über unsere Optionen und die Leben anderer. Alles andere war auch schon vorher dar – auch wenn manche gerne das Internet als die Quelle alles Bösen benennen wollen.
Schon lange vor Social Media haben Menschen erzählt, wie unglaublich toll ihr Urlaub war und wir glaubten, dass wir das auch wollen. Wenn sich James ein neues Auto gekauft hat, wurde Severus schon lange vor Facebook darauf aufmerksam und fragte sich, warum er so etwas nicht hatte.
Dabei gibt es zwei entscheidende Faktoren, die sowohl on- als auch offline zu mehr FOMO führen: Selbstdarstellung und verzerrte Erinnerungen.
Ersteres scheint klar zu sein, denn wir erzählen lieber davon, wie toll alles in unserem Leben läuft. Ganz besonders, wenn eigentlich genau das Gegenteil der Fall ist. Es gibt genug Menschen, die ihr komplettes Selbstbild darüber definieren, was andere von ihnen denken. Egal, ob sich das in Arroganz oder extremer Unsicherheit äußert, eine verzerrte Außendarstellung soll Abhilfe schaffen.
Nicht jeder macht das bewusst. Die geschönten Erinnerungen, Stichwort rosarote Brille, können dazu führen, dass wir selbst glauben, alles wäre so toll gewesen, dass wir damit angeben können. Am Ende der Weltreise wird nur von den tollen Stränden erzählt, weil wir die 3 Wochen bei Regen längst vergessen haben.
Welchen Grund wir auch haben, ein perfekteres Bild von uns zu präsentieren, der Vergleich mit anderen wird davon stark beeinflusst.
Zu viele Optionen
Unser Wohlstand fördert FOMO. Wer nur die Wahl zwischen blauen und roten Socken hat, der braucht weniger Angst vor falschen Entscheidungen haben, als jemand, der bei Amazon über 60.000 Ergebnisse angezeigt bekommt (selbst ausprobiert) und sogar für „Socken rot“ noch aus 30.000 Optionen wählen kann.
Je mehr Optionen wir haben, umso mehr Dinge gibt es zu verpassen. Mithilfe des Internets können wir jede Möglichkeit sofort abrufen – für Reisen, Kleidung, Partys, Sportvereine, Partner und Socken.
Man stelle sich vor, Dobby hätte sich von seiner Bindung zu seinem Meister nicht mit einer alten Stinkesocke lösen lassen, weil er auf Instagram gerade welche mit süßen Pünktchenmuster gesehen hat.
Wer hat FOMO?
Wie bereits erwähnt, hat jeder hin und wieder Angst, etwas zu verpassen. Es ist nun mal eines der Wunder unserer menschlichen Gehirne, dass wir uns Dinge vorstellen können, die gar nicht existieren oder noch nicht stattgefunden haben. Dazu später mehr.
Trotzdem gibt es Menschen, die stärker von FOMO betroffen sind als andere. Und darüber werden sogar Songs geschrieben:
Extrovertierte Ängste
Extrovertierte ziehen ihre Energie aus sozialen Interaktionen. Mit Menschen reden, aufregende Dinge erleben, unterwegs sein – hier blühen extrovertierte Menschen auf. Umso größer ist ihre Anfälligkeit für FOMO.
Wenn sich extrovertierte Menschen doch mal für sich selbst Zeit nehmen, dann denken sie ständig an all die Dinge, die sie stattdessen tun könnten und somit an all die Dinge, die gerade ohne sie stattfinden.
Aber auch wenn sie eigentlich Spaß haben und sozial aktiv sind, können sie von FOMO befallen werden. Denn was ist, wenn ich auf Hagrid’s Party bin, während bei Neville gerade Gwenog Jones von den Holyhead Harpies zu Besuch ist?
Extrovertierte verbringen außerdem so viel Zeit unter Menschen, dass sie auch häufig gesehen werden. Je nach Level der Eigenvermarktung braucht es daher teure Kleidung, coole Urlaubsfotos oder schräge Partygeschichten. Für die meisten sind Zeit und Geld jedoch endlich und somit müssen Opfer gebracht werden. Die Angst vor der falschen Entscheidung bleibt.
Introvertierte Ängste
Während extrovertierte Menschen schon nervös werden, wenn sie gelegentlich nicht unterwegs sind, bietet die Angst davor, etwas zu verpassen, für Introvertierte ganz andere Möglichkeiten.
Da wir gerne Zeit für uns verbringen, geht es meist gar nicht um die Wahl zwischen zwei Optionen, in denen eine aufregender ist als die andere, es geht um die Wahl zwischen Ruhe und Aufregung. Oft wählen wir Ruhe, nur um dann total unruhig zu sein, weil wir Aufregung verpassen.
Wie geht das? Wir leben nun mal in einer Gesellschaft, die von Extrovertierten geprägt wird. Gesprächig und gesellig zu sein, aufregende und erfolgreiche Leben zu führen, das gehört einfach dazu.
Introvertierte haben jedoch einen anderen Fokus, wollen Dinge lieber für sich oder in kleinen Gruppen erleben. Gleichzeitig zeigt ihnen die Welt aber ein anderes Bild, in dem Glück und Erfolg davon abhängen, wie gut man sich selbst verkauft und wie viele Leute man kennt.
Natürlich bekommen Introvertierte also Angst, wenn sie sich auf sich selbst konzentrieren und Harry Potter und der Stein der Weisen lesen, anstatt auf die Party von Blaise zu gehen. Ganz besonders, weil viele von uns selbst daran glauben, dass wir „nicht genug machen“ oder „mal aus uns rausgehen“ müssen.
Introvertierte haben oft Angst, etwas zu verpassen, weil sie tatsächlich etwas verpassen. Weiter unten kommen noch ausführliche Tipps, doch hier schon mal ein erster Hinweis: Es ist okay, Dinge zu verpassen, die einem sowieso keinen Spaß bringen.
FOMO für Reisende
Auf einem Reiseblog darf ein Extra-Absatz über das Reisen natürlich nicht fehlen. Zum Glück muss man sich hier nichts aus den Fingern saugen, denn die Reisebranche ist definitiv bestens dazu geeignet, FOMO zu beschreiben.
Denn auch wenn man sich von Materiellem nicht angezogen fühlt und sich nicht auf jeder Party tummeln muss, wer gerne reist, verhandelt seine Zeit und sein Geld immer wieder neu. Wer viel sehen will, steht schnell vor Problemen.
Dann wartet die Angst, nicht genug zu schaffen, schon freudestrahlend vor der Tür oder direkt auf dem Smartphone-Bildschirm.
Ginny sitzt in Bali und lässt sich von Äffchen einen Cocktail reichen. Auf Instagram postet Sirius ein Video von der Wildwasserfahrt im Regenwald. Auf Fleur’s Postkarte ragt der Mount Everest in die Höhe.
Selbst wenn man selbst gerade am Grand Canyon steht, kann sich da die Sorge einschleichen, man würde nicht genug machen oder hätte nicht genug Zeit. Das ist natürlich fatal, weil es die Gefahr birgt, die gegenwärtige Erfahrung zu vermiesen.
Reisen gehört für viele – Gelegenheitsurlauber und Reiseblogger – zur eigenen Identität dazu. Der Druck kommt also nicht nur von außen, sondern auch von uns selbst. Wir müssen ständig neue Kulturen kennenlernen, uns weiterentwickeln und ins nächste Abenteuer starten.
Manche wollen damit ihrem Alltag entfliehen, wieder andere wollen zu sich selbst finden oder die Vergangenheit hinter sich lassen. So oder so laufen wir Gefahr, so viel zu wollen, dass wir am Ende nichts richtig erleben und die Auslandserfahrung zu einer Aneinanderreihung von Ereignissen wird, damit wir ja nichts verpassen.
Was tun gegen FOMO?
FOMO muss jeder auf seine eigene Art bekämpfen. Als erstes muss man erkennen, dass man unter FOMO leidet und dann muss man herausfinden, woher die Angst kommt. Erst dann kann man anfangen, seine Erwartungen zu dimmen, dem Internet weniger Bedeutung zuzuweisen und wieder auf Qualität statt Quantität zu setzen.
Erwartungsmanagement
Unsere Fähigkeit, Dinge zu sehen, die nicht da sind, unterscheidet uns von Tieren. Gleichzeitig sorgt diese Fähigkeit dafür, dass wir uns in sinnlosen Gedankenspielen verfangen, anstatt unsere Leben zu leben.
Ein Hund fragt sich nicht – auch wenn wir es uns manchmal einreden – wo sein Besitzer gerade ist und was er tut und ob er gerade andere Hunde streichelt. Was Tiere empfinden ist nur das, was sie unmittelbar erleben.
Menschen hingegen können psychische und physische Reaktionen auf Situationen haben, die sie gerade nicht erleben oder die nicht einmal existieren. Das sollte sich jeder bewusst machen, wenn er sich fragt, wie er mit FOMO umgehen soll.
Wir werden traurig, weil wir denken, dass unsere Freunde mit anderen Leuten unterwegs sind und vielleicht mit ihnen Spaß haben. Obwohl das keinen Einfluss auf unsere Freundschaft zu dieser Person hat und wir nicht einmal wissen, ob unser Freund wirklich Spaß hat. Trotzdem geht es uns schlecht.
Wir haben in diesem Moment eine Erwartung an eine Situation. Wenn wir uns fragen, ob wir die falsche Party gewählt haben, dann, weil wir erwarten, dass die andere Party besser ist. Wir erwarten, dass unser Urlaub der beste unseres Lebens wird. Wenn er es nicht wird, sind wir enttäuscht.
Unsere Gesellschaft und wir selbst erzeugen den Druck, dass jede Erfahrung toll sein muss. In Wahrheit sind die meisten Dinge, die wir erleben, ziemlich unspektakulär. Also warum fangen wir an, sobald wir uns entscheiden müssen, von allem das Beste zu erwarten?
Indem wir nicht all unsere Energie auf eine Sache, auf das perfekte Erlebnis, richten, nehmen wir uns und der Entscheidung den Druck. Die Vorlesung, die wir gewählt haben ist nicht besonders gut? Dann holen wir so viel wie möglich aus dem raus, was wir haben. Wir kaufen einen Laptop und am nächsten Tag erscheint ein besseres Modell? Ärgerlich, aber wir haben doch immer noch einen neuen Laptop, also warum das lange Gesicht?
Erwartungsmanagement bedeutet, dass wir keine unrealistischen Ansprüche an Menschen, Dinge oder Erlebnisse stellen. Sonst bereiten wir uns praktisch schon auf eine negative Erfahrung vor und reden uns dann ein, dass es uns nicht so ergangen wäre, wenn wir nur Option B gewählt hätten.
Selbstüberlistung
Wer die Heilung der Angst vor dem Verpassen in einem einzigen Blogbeitrag vermutet, für den hier ein Weckruf: Das kann niemand leisten. Für eine Menge Leute ist FOMO schon ein solch fester Teil des Lebens und des Denkens, dass es Jahre dauern wird, das wieder halbwegs aus den Knochen zu bekommen.
Aber man muss ja irgendwo anfangen. Wie wäre es also mit ein bisschen Selbstüberlistung? Wann immer ihr einen Anflug von FOMO spürt, zerstört das Bild von der Sache, die ihr gerade nicht erlebt.
Die Party, die ihr gerade verpasst? Überall Prolls und Junkies. Nach zehn Minuten wäre euch das eh zu viel. Zum Glück seid ihr nicht da.
Das Treffen mit Argus? Würde heute überhaupt nicht passen, weil es regnet und du eigentlich total müde bist. Das wird nächste Woche viel besser, Gott sei Dank hast du nicht heute zugesagt.
Mallorca? Da ist es kälter als in Deutschland!
Anstatt euch vorzustellen, wie toll es woanders wäre, stellt euch vor, wie der schlimmste Fall aussieht. Das Worst-Case-Szenario wird euch deutlich weniger FOMO geben, auch, wenn es nur eingebildet ist – aber eingebildet ist das Best-Case-Szenario dem wir uns sonst hingeben ja auch.
Für Introvertierte gibt es einen Trick, den Ellen vorgeschlagen hat: FOBSAAP. Fear of being stuck at a party, also die Angst, auf einer Party festzuhängen. Ihr wisst schon, wenn man gerade erst angekommen ist und schon keine Lust mehr hat, aber noch nicht gehen kann. Oder wenn man Fahrer ist und bleiben muss. Wenn die Freunde dir ein schlechtes Gewissen machen, weil du nicht mittrinkst, nicht mitfeierst, schon um 2 Uhr nach Hause willst. Wer daran denkt, freut sich schnell, dass er nicht dort ist.
FOBSAAP, jetzt im Kühlregal.
Qualität vor Quantität
Mittlerweile sollte klar sein, was gegen FOMO hilft: Mehr Fokus. Auf die wichtigen Dinge oder auch auf die Dinge, die schiefgelaufen sind. Denn nicht immer kann man sich einreden, dass es richtig war, das achte Mal Harry Potter zu lesen, wenn auf der Party von Gellert nun mal jemand einen Topf voll Gold gefunden hat.
Dumm gelaufen, aber passiert. Also lieber auf die aktuelle Situation konzentrieren. Harry Potter lesen macht nicht weniger Spaß, weil irgendwo ein Topf voll Gold umfällt – das redet man sich nur ein.
Also voller Fokus auf die Reise in den Harz, auf das neue 200€ Smartphone oder den Netflix-Abend. Sonst wird FOMO zu einer selbsterfülllenden Prophezeiung: Ihr verpasst etwas, weil ihr an zehn Orten gleichzeitig sein wollt, anstatt den einen zu genießen, an dem ihr euch gerade befindet.
Social Media Ängste stumm schalten
Auch wenn die Angst vor dem Verpassen nicht nur im Internet stattfindet, sorgt es doch dafür, dass wir uns der Angst häufiger stellen müssen.
Die Lösung ist so einfach und doch so kompliziert: Einfach mal abschalten. Beim Kaffeetrinken mit Oma ständig auf das Smartphone schulen, weil irgendwer ein witziges Katzenbild gepostet hat? Uncool.
In Kanada auf einem Berg sitzen und nebenbei Podcasts über Australien hören? Unnötig. (Es sei denn, ihr macht das nicht, um euch zu vergleichen, sondern habt Spaß daran, dann überlest dieses Beispiel ruhig.)
Man muss das Internet nicht komplett abschalten, aber man sollte Pausen machen und sich häufiger vor Augen führen, dass auch alle anderen nur einen Teil ihres Lebens – meistens nur den guten – präsentieren. Im Alltag kämpfen die meisten mit ähnlichen Problemen wie ihr.
Und selbst wenn Fred und George in 80 Tagen um die Welt fliegen, bringt es nichts, dem nachzueifern, wenn ihr eigentlich gerade unter eine Decke gekuschelt seid und eure Lieblingsfolgen (also alle) von Brooklyn Nine Nine guckt. Wenn ihr wirklich Lust auf Weltreise habt, dann könnt ihr das machen. Aber doch nicht schlecht fühlen, wenn ihr darauf eigentlich gar keine Lust habt.
FOMO bekämpfen
Das Leben ist zu kurz, um ständig darauf zu hoffen, dass irgendetwas Cooles passiert. Das Internet sagt uns, wir müssten jeden Tag einen Berg oder einen neuen Partner besteigen, jede Küche der Welt probieren, reich sein, aber trotzdem am Boden bleiben, auf Partys gehen, aber auch Familienmensch sein.
Hier mal ein fun fact: Das Internet hat euch gar nichts zu sagen. Keiner wird glücklich, weil er die Leben anderer kopiert. Also schreibt jetzt eine Liste, mit den Dingen, die ihr in eurem Leben auf keinen Fall verpassen wollt und streicht alles, was dabei von Instagram oder Facebook kommt.
Hier ein Anfang:
– Work and Travel Kanada
– Ein Buch veröffentlichen
– Nach Bali reisen
– Millionär werden
– In einem Haus auf dem Land leben
– ???
Leidet ihr unter FOMO? Habt ihr schon einen Weg gefunden, damit umzugehen? Dann schreibt es in die Kommentare, damit andere von euch lernen können.