Der Mensch ist ein soziales Wesen, so sagt man, und somit ist es für viele eine Katastrophe, wenn jemand zugibt, dass er nicht wirklich Lust auf soziale Kontakte hat. Wie kann das sein? Da stimmt doch was nicht!
Es ist schon möglich, dass da etwas nicht stimmt – immerhin ziehen sich viele Menschen mit einer Depression zurück. Aber: Das muss nicht sein. Nicht immer ist jemand krank, nur weil er sich zurückzieht beziehungsweise eher weniger Begeisterung zeigt, wenn andere Menschen in der Nähe sind. Das zeigen die folgenden Ursachen sehr deutlich.
7 Ursachen dafür, dass du keine Lust auf soziale Kontakte hast:
- Du magst Menschen einfach nicht
- Du hast eine temporär leere soziale Batterie
- Du hast eine dauerbelastete soziale Batterie
- An dir hängen schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit
- Du befasst dich mit schlechten Erfahrungen aus der Gegenwart
- Du bist Menschentyp Einzelgänger
- Empathie wird für dich zum Nachteil
Menschenhass: Soziale Kontakte müssen einfach nicht sein
Möglicherweise hasst du andere Menschen einfach. Das ist zwar die extremste Ursache auf dieser Liste, doch es ist nun mal ein möglicher Grund dafür, warum du keine Lust auf soziale Kontakte hast. Menschen findest du blöd, rücksichtslos, nervig oder anstrengend – also suchst du auch nicht ihre Nähe. Ob du daran etwas ändern möchtest oder nicht, liegt ganz bei dir.
Ich finde: Solange du andere nicht aktiv angehst oder heruntermachst, hast du auch jedes Recht, kein Menschenfan zu sein. So unpopulär diese Meinung auch sein mag.
Temporär leere soziale Batterie
Eine viel sanftere Erklärung dafür, dass du keine Lust auf soziale Kontakte hast: Deine soziale Batterie ist vielleicht leer. Die sogenannte Social Battery beschreibt die Energie, die wir für Kontakte zu Mitmenschen übrighaben.
Für extrovertierte Menschen ist es so, dass sich die Energien im Umgang mit anderen aufladen. Introvertierte Menschen verlieren hingegen Energie. Das heißt, wenn du gerade lange oder viel unter Menschen warst, brauchst du einen Ausgleich, eine Pause. Ergo: Dir vergeht die Lust, Menschen zu sehen. Das ist nicht das Ende der Welt. Wir „Intros“ müssen nur lernen, damit richtig umzugehen.
Dauerbelastete soziale Batterie
Etwas schwieriger ist der Fall, wenn du dich permanent mit deinen sozialen Kontakten überfordert fühlst. Dann reicht eben keine kleine Pause, es muss eine echte Veränderung her. Das ist bei hochsensiblen und introvertierte Menschen oft der Fall, wenn sie sich ihrer Bedürfnisse nicht bewusst sind.
Sie orientieren sich an ihren extrovertierten Mitmenschen. Und daher wollen sie auch morgens Zeit mit der Familie verbringen, auf Arbeit mit Kollegen quatschen, im Hausflur Smalltalk machen und dann am Abend noch Freunde treffen. Nur können sie das eben nicht, ohne völlig auszubrennen.
Du könntest also deine soziale Batterie zu lange überlastet haben, weshalb dein Körper nun nach echter Ruhe schreit. Das äußert sich dann darin, dass du eben gar keinen Bock mehr auf soziale Kontakte hast, weil diese dich einfach nur noch stressen.
Schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit
Soziale Kontakte sind nicht immer nur schön. Wer beispielsweise in der Schulzeit gemobbt wurde, der ist meist sehr vorsichtig im Umgang mit Fremden oder neuen Bekanntschaften. Auch ein hartes Familienleben oder gar Gewalt sind oft Ursachen dafür, dass soziale Kontakte immer auch als Risiko wahrgenommen werden.
Es ist sehr schwer zu erkennen, ob der Verzicht auf die meisten sozialen Kontakte etwas Negatives ist oder einfach eine bewusste Entscheidung. Da muss jeder in sich selbst hineinhören oder gegebenenfalls auf professionelle Hilfe setzen. So oder so kann es eben sein, dass die Lust auf Menschen vergeht, wenn in der Vergangenheit eh nie was Gutes bei rumgekommen ist.
Schlechte Erfahrungen aus der Gegenwart
Es muss immer unterschieden werden zwischen einer grundlegenden Ablehnung von Sozialkontakten und einem zeitweisen Rückzug. Wenn du aktuell gerade nur negative Erfahrungen machst, dann ist es ganz normal, dass du auch mal keine Lust auf Smalltalk, Nettigkeiten und ständige Treffen hast.
Die Ursache kann ein Streit sein oder eine unangenehme Situation auf Arbeit. Typisch ist auch, dass jemand einfach die falschen sozialen Kontakte hat – also somit keine Lust auf Menschen hat, die ihm oder ihr nicht guttun. Das wird dann leider fälschlicherweise oft so interpretiert, dass man gar keinen Bock mehr auf Menschen hat.
In Wahrheit muss nur nach den Personen gesucht werden, die zu einem passen. Das ist natürlich leichter gesagt, als getan. Aber in diesem Fall muss eben auch nicht der Kopf in den Sand gesteckt werden.
Menschentyp Einzelgänger
Manche Leute kommen super allein klar. Oder zumindest mit einer sehr kleinen Anzahl an Kontakten. Menschen vom Typ Einzelgänger sind selbstständig und oftmals sehr zufrieden. Ihnen fehlt es nicht an Gesprächen, Nähe oder Freunden.
Das ist natürlich einerseits ein Luxus – wer gut alleine klarkommt, ist nicht auf andere angewiesen. Aber es wird natürlich von der Gesellschaft auch komisch beäugt. Einzelgänger gelten oft als sonderbar oder manchmal sogar als gefährlich.
Die Ironie daran ist: Wer wirklich nicht aus Angst oder Überforderung zum Einzelgänger wird, dem ist es ziemlich egal, was die Gesellschaft denkt. Wahre Einzelgänger haben aus irgendeinem Grund nicht dasselbe Bedürfnis nach sozialen Kontakten wie andere Menschen und das ist okay.
Einfühlsamkeit kann einsam machen
Manche Menschen leben in den Tag hinein. Sie nehmen die Welt – und die Menschen darin – einfach so hin. Was passieren soll, wird passieren. Was sein muss, muss sein. Lieber nicht zu viel drüber nachdenken.
Und manche Menschen können das so überhaupt nicht. Sie können nicht wegschauen, wenn jemand fies ist. Sie können (oder wollen) ihre emotionale Reaktion nicht unterdrücken, wenn jemand sich unfair verhält. Und sie können nicht in die Welt schauen, ohne viel Leid, Missgunst und Probleme zu sehen.
Wenn du auch so tickst, dann ist es für dich wahrscheinlich angenehmer, lieber auf die meisten sozialen Kontakte zu verzichten. Empathie und Einfühlsamkeit sind nämlich Fluch und Segen. Sensiblere Menschen können im Alltag oft nicht wegschauen und schon gar nicht aufhören zu fühlen.
Rückzug ist da der logische Schritt. Manche arrangieren sich damit, eher einen kleinen ausgesuchten sozialen Kreis zu haben. Andere leiden aber auch darunter, dass sie sich nicht einfach auf andere einlassen können. Da wäre schon ein Grundbedürfnis nach mehr sozialen Kontakten, aber die tatsächliche Lust auf Treffen verfliegt ständig wieder.
Musst du etwas ändern, wenn du keine Lust auf Menschen hast?
Nun stellt sich die Frage, ob es Lösungen für die fehlende Lust auf Sozialkontakte gibt. Naja klar gibt es die. Doch vielleicht ist das gar nicht der richtige Ansatz. Eigentlich müsste die Frage eher lauten: Wer muss überhaupt etwas ändern?
Ja, du musst etwas verändern
Solltest du dich aktuell unwohl und unerfüllt fühlen, ja, dann musst du wohl etwas ändern. Es gibt nun mal nur sehr wenige Personen, die wirklich überzeugte Einzelgänger sind – die Chance, dass du zu ihnen gehörst, ist recht gering.
Das gilt halt doppelt, wenn du hierher gekommen bist, um Hilfe zu finden. Fehlt dir nicht die Lust auf soziale Kontakte, sondern der Antrieb, muss dringend deine Persönlichkeit unter die Lupe kommen – genauso wie dein Lebensstil. Introvertiert oder extrovertiert? Hochsensibel oder nicht? Neurodivergent oder neurotypisch?
Am besten schaust du, ob einige Menschen und Situationen dich mehr belasten als andere. Kannst du diese vielleicht meiden? Wenn dir das gelungen ist, kannst du nach den Momenten und Kontakten suchen, bei denen du eben danach nicht total erschöpft bist. Das achtsame Gestalten des sozialen Kreises ist etwas, was wir nicht unbedingt in der Schule lernen. Dabei ist es so wichtig. Hier gibt es ein paar weitere Artikel, die helfen könnten:
Vielleicht, vielleicht auch nicht
Viele Menschen machen sich vor allem Sorgen, weil sie nicht genauso ticken wie ihr Umfeld. Das ist eine Grauzone. Grundsätzlich kann es jedem helfen, mal achtsamer auf die regelmäßigen Kontakte und die eigene Zufriedenheit zu schauen.
Aber es sollte auch nicht gleich Panik geschoben werden. Für viele Menschen ist der Alltag schon anstrengend genug, ohne sich ständig darüber Gedanken zu machen, ob sie nun sozial genug sind oder nicht. Wer gerade nicht unter Einsamkeit leidet, der muss auch keine großen Sprünge machen.
Nein, alles ist gut so
In zwei Situationen musst du überhaupt nichts ändern, obwohl du komischerweise keine sozialen Kontakte mehr suchst. Situation 1: Du bist nur hier, weil dich jemand kritisiert hat. Manche Menschen können es nämlich nicht lassen, ihren eigenen Lebensstil als „den richtigen Lebensstil“ zu propagieren.
Wenn dir jemand sagt, dass du komisch bist, weil du dein Ding machst und nicht aktiv auf Leute zugehst, dann lass diese Person links liegen und such dir einen hübschen Stein für ein sinnvolleres Gespräch.
Situation 2: Du bist glücklich, so wie du bist. Natürlich wird Einzelgänger sein von vielen als komisch beäugt, weil es komisch (im Sinne von der Norm abweichend) ist. Dass sich der eine oder andere Sorgen macht, ist auch okay. Aber wenn dir nichts fehlt, dann lass dich nicht wuschig machen. Es gibt viele zufriedene Menschen, denen die Lust auf (neue) soziale Kontakte total fehlt.
Fazit: Stressen wir uns mal nicht so
Wie eingangs erwähnt wurde, gibt es sehr negative Gründe für sozialen Rückzug. Solltest du vermuten, dass du unter einer Depression leidest oder Traumata aus der Vergangenheit nicht überwunden hast, dann suche dir bitte professionelle Hilfe. Ich kann hier immer nur anstoßen.
Liegt sowas bei dir nicht vor, dann lass dir auch nicht einreden, dass mit dir etwas nicht stimmt. Menschen können anstrengend sein, das Leben lässt manchmal keine Zeit für Sozialkontakte und nicht jeder ist ein sozialer Schmetterling. Wer all das abstreitet, soll einfach mit jemandem drüber reden, der gerade auf der Suche nach neuen sozialen Kontakten ist, aber dich lieber in Frieden lassen.
Sehr schöner Beitrag. Es steht viel drin, was zu mir passt. Und irgendwie bin ich erleichtert, diese Dinge auch mal als etwas ganz Normales zu lesen.
… ich such mir dann mal meinen hübschen Stein zum quatschen 👍😁
Das ist einfach mega gut geschrieben!
Und ja – es ist einfach alles völlig ok, wenn man sich ohne Menschen sauwohl fühlt!!!
Vielen Dank!
Es passiert mir selten, dass mich ein Artikel oder sonstiger Beitrag so ergreift, dass ich mir direkt das Buch bestelle.
Liebe Jennifer, dein Artikel hat es geschafft und ich freue mich schon sehr darauf, per Buch weiter in deine Gedanken eintauchen zu dürfen 🤗
Herzliche Grüße,
Martina