Intelligenz ist ein schwieriges Thema. Denn kaum jemand möchte darüber sprechen – oder? Die Sorgen vor der eigenen Dummheit treibt viele Menschen um. Gleichzeitig sehen viele Dummheit als allgegenwärtig und ärgerlich an – weil andere Menschen ja so furchtbar dumm sind.
Schon diese drei Sätze zeigen auf, dass Intelligenz und Dummheit Themen sind, die viele beschäftigen und die doch schwer greifbar sind. Da kommt es wirklich ungelegen, dass sich viele von uns zu unüberlegten Aussagen hinreißen lassen.
Sprüche über Intelligenz und Dummheit:
- Mit leerem Hirn spricht man nicht.
- Das Licht ist an, aber keiner ist zu Hause.
- Dummheit kennt keine Grenzen, aber verdammt viele Leute.
- Große Leute sprechen über Ideen. Durchschnittliche Leute sprechen über Dinge. Kleine Leute sprechen über Leute.
Zu den Annahmen bezüglich Intelligenz gehört auch, dass intelligente Menschen weniger reden und häufiger das Alleinsein bevorzugen. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – so beschreibt man gerne, dass Stille manchmal eher für Klugheit spricht als Worte. Aber was ist an all diesen Annahmen und Sprüchen wirklich dran?
Wie erkennt man dumme Menschen?
Zunächst einmal muss klargestellt werden, dass Dummheit und Intelligenz keine Naturgesetze sind, sondern Wahrnehmungen oder Messwerte. Werkzeuge wie IQ-Tests können Menschen einschätzen, aber auch diese Tests messen bestimmte Fähigkeiten, die als wichtig erachtet wurden – von anderen Menschen, die persönliche Präferenzen und Prägungen mitbringen.
Im persönlichen Gespräch kann uns jemand dumm vorkommen, aber das ist dann ebenfalls nur unsere Wahrnehmung. Intelligenz kann analytisch, emotional oder gedächtnisbasiert betrachtet werden. Was gesellschaftlich und privat als dumm oder klug gilt, wird individuell ausgehandelt und ist auch wandelbar.
Leseempfehlung: Warum gibt es so viele dumme Menschen?
Woher kommt die Idee, dass intelligente Menschen weniger reden?
Es gibt etliche Ursachen beziehungsweise Gründe dafür, dass man ruhigen Menschen mehr Intelligenz nachsagt. Allerdings gibt es auch viele Leute, die mit Stille eher Dummheit verbinden. Also kann nicht behauptet werden, dass kluge Menschen generell als wortkarg oder Einzelgänger gelten.
Auf leere Phrasen und Smalltalk verzichten
Ein Merkmal ruhiger Menschen ist, dass sie weniger sagen. Somit suchen sie selten oder nie aktiv nach Gesprächsmöglichkeiten. Das heißt nicht, dass sie stumm sind. Es reizt sie nur nicht, lockere Gespräche zu fördern und sie genießen auch keinen Smalltalk.
Das führt oftmals dazu, dass sie nur reden, wenn sie etwas zu sagen haben. Sie filtern ihre Gedanken, Gefühle und Ideen somit stark. Wer so lebt und kommuniziert, kann sinnlose und falsche Aussagen reduzieren. Idealerweise erhöht sich dadurch der Anteil bedeutsamer und gehaltvoller Aussagen. Logischerweise nimmt die Umwelt das auch wahr und geht davon aus, dass die Person intelligenter ist – es wird eine mentale Verbindung zwischen der ruhigen Art und Intelligenz geschaffen.
Es ist eine Kunst, mit wenigen Worten viel zu sagen
Stille Menschen filtern nicht nur, sie haushalten auch mit ihren Worten. Als hätten sie nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung, suchen sie sich ihre Gelegenheiten und Worte gut aus. Wer das lange genug macht, der lernt auch, mit wenigen Worten viel zu sagen.
Das ist heutzutage sehr selten. Wir sind es gewohnt, ständig zu reden oder jemanden reden zu hören. Stille wird seltener. Onlinekommunikation ist günstig und flüchtig – die meisten Menschen schicken schnell einen Text, ohne darüber nachzudenken, ob er sich lohnt oder nicht. Kostet ja schließlich nichts.
Wenn Personen das nicht mitmachen, sondern aus jeder Kommunikation viel herausholen wollen, dann fallen sie damit schon auf. Das reine Schwimmen gegen den Strom kann somit ein Grund sein, weshalb ruhige Menschen als besonders gelten und für intelligent befunden werden.
Intelligenz und der soziale Kreis
Forscher versuchen natürlich, Intelligenz greifbarer zu machen. Vor einigen Jahren machte dabei eine Studie die Runde, die introvertierten und ruhigen Menschen wohl sehr gefallen haben dürfte. Norman P. Li und Satoshi Kanazawa untersuchten die Zusammenhänge zwischen Intelligenz, Bevölkerungsdichte und Freundschaft. Daraus ergab sich die Savannenglückstheorie (Quelle).
Heraus kam nicht, dass intelligente Menschen alle Einzelgänger wären, die auf dem Land leben. Was man aber bestimmen konnte, sind typische Wohnorte und die typische Anzahl der Sozialkontakte. Die Theorie besagt, dass intelligente Menschen unzufriedener werden, wenn sie zu viele Kontakte haben und in zu chaotischen Umgebungen leben.
Sie regulieren sich daher selbst, indem sie zwar in den Städten leben, aber den Stadtrand bevorzugen. Außerdem halten sie ihren sozialen Kreis kleiner, um sich nicht zu überfordern. Kluge Menschen betreiben also (oft unbewusst) Stressregulierung. Auch das kann als mögliche Ursache dafür gesehen werden, dass ruhige Menschen als intelligenter wahrgenommen werden.
Sind kluge Menschen gerne allein?
Ruhige Menschen können sozial sehr aktiv sein. Typischerweise sind sie allerdings nicht nur wortkarger, sie leben auch etwas zurückgezogener. Somit schließt sich an die Frage der Intelligenz oft sofort noch an, ob kluge Menschen denn einfach das Alleinsein bevorzugen.
Ihre Gehirne stehen selten still
Wer viel nachdenkt, ist nicht immer auch intelligent. Allerdings nehmen wir vieldenkende Menschen trotzdem oft als klug wahr. Ständig ratternde Gehirne sind so oder so vor allem eines: echte Energiefresser. Stehen die Rädchen nie still, fehlt es an Auszeiten und Erholung.
Somit müssen diese Pausen aktiv gesucht werden. Wer sich einfach treiben lässt oder überall dabei ist, der überfordert sich selbst. Manche Menschen verbringen so viel Zeit mit dem Grübeln, dass sie sich weiter und weiter zurückziehen müssen. So kann ein schlauer Mensch zum Einzelgänger werden.
Sie sind selbstständig
Aus dem Bedürfnis nach Auszeiten und Ruhe ergibt sich auch, dass Einzelgänger sich auf sich selbst verlassen können müssen. Selbstständigkeit ist somit wichtig. Und Selbstständigkeit kann zur Weiterentwicklung und Wissenszuwachs führen. Ruhige Menschen können also auch deshalb als intelligent wahrgenommen werden, weil sie gut allein klarkommen und viele Begabungen haben.
Außerdem scheinen sie weniger auf soziale Bestätigung angewiesen zu sein – immerhin laufen sie niemandem nach, sind nicht ständig unterwegs und stellen sich auch nicht groß in den Mittelpunkt. Alles gute Hinweise darauf, dass ihnen ihr Status nicht so wichtig ist. Aber Achtung: Auch stille Menschen wollen geliebt und geschätzt werden. Dass sich ruhige Personen generell nicht um ihr Ansehen oder ihren Status sorgen, ist also nicht wirklich richtig.
Intelligenz kann einsam machen
Ein dritter großer Grund für die Annahme, dass Intelligenz und Einzelgängertum im Zusammenhang stehen, ist fehlende Zugehörigkeit. Wer ständig nachdenkt, alles hinterfragt und viel beobachtet, der fühlt sich oft fehl am Platz. Solche Personen verstehen ihre Mitmenschen nicht und fühlen sich auch nicht verstanden.
Daraus ergibt sich oft Rückzug – oder eben die Wahrnehmung anderer Menschen, dass kluge Menschen irgendwie anders wären. Gerade dann, wenn sie nicht mit dem Strom schwimmen. Die Fähigkeit, einfach mal abzuschalten oder blind mitzumachen, ist vielen intelligenten Menschen nicht gegeben. Also wirken sie immer ein wenig verkrampft oder gar anti-sozial.
Kreativität entsteht im Austausch und in Isolation
Introvertierte Menschen gelten oft als kreativer. Beziehungsweise gelten kreative Menschen oft als introvertierter. Wie man es auch dreht und wendet, für die meisten kreativen Tätigkeiten ist ein Mindestmaß an Rückzug wichtig – und viele reizen den Rückzug zum Wohle des Schaffens auch aus.
Kreativität entsteht natürlich auch im Austausch. In Gruppen und durch Kooperationen kann viel entstehen, was ein Einzelner nicht geschafft hätte. Aber genauso gibt es Projekte, die von anderen Menschen gestört werden. Viele Autoren würden immer nur allein schreiben, viele Maler verkriechen sich stundenlang im Atelier und Musiker haben oft ganz bestimmte Orte, an denen sie sich dem Kreieren in völliger Isolation widmen.
Wer selbst nicht sonderlich kreativ ist (oder zumindest nicht aktiv kreiert), der hat keinen genauen Einblick, sondern sieht nur ein Endergebnis – ein Buch, eine Malerei, ein Song, ein Design. Oftmals folgt die Erkenntnis: Sich lange und allein einem solchen Projekt zu widmen, das könnte man selbst nicht. Die Bewunderung für diese Arbeit wird mit Qualifikationen gleichgesetzt, die auch als Intelligenz interpretiert werden können.
Was ist denn nun typisches Verhalten für intelligente Menschen?
Hoffentlich ist aus all diesen Absätzen deutlich geworden, dass es eben nicht darum geht, ruhige Menschen generell als intelligenter abzustempeln oder Einzelgänger zu Intelligenzbestien zu erklären. Das waren einfach nur mögliche Gründe für die Wahrnehmung. Du kannst somit schauen, wie viel davon du auch verinnerlicht hast – oder eben auch nicht.
Unter Umständen kannst du schauen, ob du vielleicht gar nicht Ruhe und Intelligenz verbindest, sondern Lautstärke und Dummheit. Wenn du laute, selbstdarstellerische Menschen als anstrengend, dumm und überflüssig wahrnimmst, dann sind dir ruhige und besonnene Menschen bestimmt lieber – und du machst mit ihnen positivere Erfahrungen.
Jeder kann sein Sozialverhalten anpassen
Muss man für Intelligenz Freunde aussortieren und ständig schweigen? Nein, natürlich nicht. Es gibt viele extrovertierte Labertaschen, die extrem klug sind und viel beizutragen haben. Genauso gibt es introvertierte Eigenbrötler, die sich morgens die Finger in die Schnürsenkel binden. Am Sozialverhalten allein wird der Intellekt sicherlich nicht festzumachen sein.
Und vor allem: Wie wichtig ist es wirklich, intelligent zu sein beziehungsweise als intelligent zu gelten? Eigentlich ist es doch wichtiger, zufrieden zu sein und als rücksichtsvoller Mensch zu gelten. Oder nicht?
Wer glücklich damit ist, viele Freunde und Kontakte zu haben, soll nichts ändern – schon gar nicht, um als ach so mysteriöser Einzelgänger zu gelten.
Wer das Gefühl hat, für Sozialkontakte persönliche Weiterentwicklung aufzugeben, sollte eher nach Ruhe suchen – vielleicht auch, wenn das soziale Umfeld ein bisschen doof guckt oder gar Kritik übt.
Wer vor Cleverness und Verstand nur so strotzt, aber unter Einsamkeit leidet, der muss raus und nach Glück suchen – vielleicht in Form von neuen Freunden.
Fazit: Allein und still ist nicht besser als unter Menschen und laut
Auf einem Blog für Introvertierte würde man sicherlich erwarten, dass es eine Lobeshymne für die Stille und die ruhigen Menschen gibt. Auch solche Artikel gibt es hier natürlich – Introvertierte haben viel zu lange gehört, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. (Leseempfehlung: Wie sind nachdenkliche Menschen?)
Aber grundsätzlich hoffe ich doch, dass wir hier diskutieren und Themen aus verschiedenen Richtungen betrachten. Mir persönlich stoßen Artikel böse auf, die eine einfache Antwort auf Fragen nach Intelligenz geben wollen. Was meinst du: Nimmst du ruhige Menschen eher als intelligent wahr? Oder vermeidest du Urteile über Intelligenz sowieso generell?
Danke für diese kluge und ausgewogene Darstellung.