In Memes und Kurzvideos wird gerne mal von idealen Jobs für Introvertierte gesprochen. Oder vom perfekten Wohnort. Dem besten Leben. Alles etwas vereinfacht, wie es online nun mal so ist. Aber gibt es auch etwas neutralere Gründe, die für oder gegen bestimmte Berufe sprechen, wenn Introvertierte auf der Suche sind?
Ja, die gibt es. Im Folgenden erhältst du zunächst eine lange Liste mit 21 potentiellen Berufen für introvertierte Menschen. Aber Achtung: Die Liste allein wäre eher kritisch zu betrachten. Nur mit den anschließenden Erläuterungen ergeben sie wirklich Sinn. Denn da es nicht nur eine Art „Intro“ gibt, gibt es logischerweise auch nicht nur die eine perfekte Arbeitsumgebung.
Jobs für Introvertierte:
- Gärtner
- Archivar
- Bibliothekar
- Lektor
- Grafikdesigner
- Autor
- Fotograf
- Übersetzer
- Tierpfleger
- Datenanalyst
- Softwareentwickler
- Förster
- Buchhalter
- Psychologe
- Mechaniker
- Berufskraftfahrer / LKW Fahrer
- Social Media Manager
- Mediendesigner
- Lehrkraft an Universität
- Sicherheitsdienst / Nachtarbeiten
- Lagerist
Im Folgenden werden die Berufe in drei Kategorien unterteilt. Manche Introvertierten wollen einfach keine Menschen um sich herum haben – da empfehle ich den Partnerartikel Jobs ohne Menschenkontakt. Aber auch gemäßigter Sozialkontakt ist möglich. Oder aber, eine Leidenschaft ist so groß, dass der Umgang mit Menschen kein Problem ist.
Berufe komplett ohne Menschenkontakt
Es gibt gute und schlechte Gründe dafür, nicht mit Menschen arbeiten zu wollen. Schlecht wäre beispielsweise, wenn es sich dabei um eine Hemmung handelt. Schüchterne Menschen oder Menschen mit sozialen Phobien sind hier ein gutes Beispiel. Häufig würden sie durchaus gerne auch mit oder für Menschen arbeiten, aber das bedeutet für sie riesigen Stress.
Dass das ein schlechter Grund ist, um unbedingt auf Menschenkontakt bei der Arbeit verzichten zu wollen, heißt nicht, dass du ein schlechter Mensch bist. Es heißt aber, dass die Wahl eines Jobs möglicherweise aus den falschen Gründen geschieht.
Zu den besseren Gründen für das Arbeiten ohne Menschen gehört, wenn du es ausprobiert hast und daran keinen Gefallen gefunden hast. Negative Erfahrungen sorgten vielleicht dafür, dass du hier gelandet bist und gedacht hast: Eigentlich bin ich nicht sozial genug, um jeden Tag mit Menschen zu arbeiten.
Introvertierte, die keinen Bock auf Menschen haben
Wichtige Info, damit du nicht mit einem typischen Denkfehler durch das Leben gehst: Introvertierte sind von Natur aus weder schüchtern, noch ängstlich, noch asozial. Wenn du dich für ein Leben mit weniger Sozialkontakten entscheidest, ist das total in Ordnung. Aber das ist dann eine Folge deines Persönlichkeitscocktails und niemals die alleinige Folge der Introversion, okay?
Jobs für Introvertierte ganz ohne Menschen:
- Archivar
- Lektor
- Grafikdesigner
- Tierpfleger
- verschiedenste Nachtdienste
Letztlich ist der einfachste Weg, keine Kollegen oder Kunden zu haben, freiberuflich zu arbeiten. Dank des Internets kann der Kontakt dann vollständig online ablaufen. Plattformen wie Fiverr sorgen dafür, dass du manchmal nicht mal den Namen einer Person kennst, für die du schreibst, übersetzt oder kreierst. Natürlich ist das immer noch eine Form von Kontakt.
Alternativ kannst du Jobs suchen, die ausschließlich nachts stattfinden. Die Vorteile: Weniger Menschen auf dem Weg zur Arbeit, weniger Menschen bei der Arbeit und weniger Menschen auf dem Weg nach Hause. Putzen, verräumen, Daten pflegen oder Sicherheit garantieren* – all das findet nachts meist still und heimlich statt.
*Hier kommt es ganz auf die Art des Jobs an. Natürlich gibt es auch Sicherheitsdienste, die extreme Situationen bewältigen müssen und sich ständig mit Menschen herumschlagen müssen.
Berufe mit Menschen, aber auch mit Pausen
Die allermeisten Introvertierten, die ich kenne, ordnen sich wahrscheinlich in dieser Kategorie ein. Menschenkontakt ja, aber bitte nicht rund um die Uhr. Das beschreibt introvertierte Menschen ohnehin ganz gut. Es geht nicht um Isolation, aber ohne Pausen geht es auch nicht. Deshalb würde ich die folgenden Jobs auch am ehesten als „ideal für Introvertierte“ beschreiben.
Jobs mit gemäßigtem Menschenkontakt:
- Gärtner
- Bibliothekar
- Berufskraftfahrer
- Lagerist
- Mediendesigner
- Softwareentwickler
- Social Media Manager
Gemeinsam haben diese Jobs, dass Kunden- und Kollegenkontakt existiert, aber viele Arbeiten selbstständig und allein durchgeführt werden. Somit wird man hier nicht einsam, Überforderung ist aber auch nicht zu erwarten. Natürlich ist das hier nur eine winzige Auswahl an potentiellen Berufen.
Deshalb ist die Berufswahl für Introvertierte keine Kleinigkeit
An dieser Stelle muss noch einmal kurz erläutert werden, warum du als introvertierter Mensch (wahrscheinlich) nicht jeden Job machen kannst oder solltest. Erlaubt ist es natürlich – aber ist es sinnvoll? Das kommt auf deine persönlichen Umstände an.
Manche introvertierten Menschen sind Kindergärtner oder Lehrer. Das sind Berufe mit viel Menschenkontakt. Da sind die Kinder, ihre Eltern, die Kollegen – das erschöpft jemanden, der nur begrenzte soziale Energien zur Verfügung hat. Somit muss nach der Arbeit ein Ausgleich stattfinden. Jeden Tag Freunde und Familie treffen, soziale Hobbys ausüben oder anderweitig unter Menschen sein, ist oftmals einfach nicht drin.
Daher muss jeder selbst entscheiden, wie viel soziale Energie für den Job verwendet werden darf. Manch einer sagt: Mein Job ist es wert, ich bin dann halt nach der Arbeit für mich und tanke Energie. Manch anderer sagt: Meine Energie ist für Hobbys, Freunde und Familie bestimmt, im Beruf kann ich keine Menschen gebrauchen.
Für die meisten Introvertierten ist ein Mittelweg ideal. Sie fühlen sich im Job sozial stimuliert, aber nicht überfordert. Somit bleibt für andere Aktivitäten noch etwas Energie übrig.
Menschenkontakt, der es wert ist
Es gibt viele empathische Introvertierte. Somit kann es gut sein, dass du dich zu sozialen Berufen hingezogen fühlst. Andere zu verstehen und ihnen zu helfen, liegt dir einfach im Blut. Umso tragischer ist es, dass du nur begrenzte Energie für soziale Kontakte hast.
Viele Intros sagen, dass es ihnen das wert ist. Sie haben kein Problem damit, ihre Energie nach der Arbeit aufzutanken, sich kleine Pausen einzurichten oder auch mal überfordert zu sein – ihr Beruf erfüllt sie genug, um das mitzumachen.
Soziale Berufe für introvertierte Menschen:
- Lehrer
- Erzieher
- Psychologe
- Tierarzt
- Sozialarbeiter
- Vollzeit-Elternteil
Die große Gefahr bei all diesen Berufen ist, dass sich Erschöpfung und Überforderung einschleichen und Spuren hinterlassen. Wie gesagt: Ich spreche niemandem seine Wahl ab. Ich bewundere es sogar. Doch die Erfahrungsberichte von Menschen, die mit Kollegen und Kunden auf Dauer überfordert sind, findet man auch an allen Ecken und Enden und sie sollten eine Warnung sein.
Das passiert, wenn Introvertierte den falschen Beruf wählen
Es gibt viele Wege, die Berufswahl in den Sand zu setzen. Du kannst in eine aussterbende Branche gehen, schlechte Bezahlung bekommen oder auch einfach in einer Firma voller … weniger netter Menschen landen und keine Alternativen haben.
Für introvertierte Menschen kommt nun noch die Sache mit dem Ruhebedürfnis dazu. Kurzgesagt: Introvertierte haben eine nach innen gerichtete Wahrnehmung, empfinden Reize stärker und brauchen für ein zufriedenes Leben Ruhephasen und Zeit für sich.
Wer jetzt Vollzeit in einem Beruf arbeitet, in dem er viele Kollegen und Kunden hat, der ist auch ständig von Reizen umgeben. Wenn du in so einem Beruf arbeitest und es nicht schaffst, einen Ausgleich zu finden, wirst du darunter leiden. Selbst dann, wenn du deinen absoluten Traumjob gefunden hast, kann das passieren. Ein ziemlich mieses Gefühl, wenn theoretisch alles stimmt, du aber praktisch weniger und weniger Zufriedenheit spürst.
Genau deshalb ist die Berufswahl so wichtig. Du hast zwei Optionen: Du kannst einerseits einen Job wählen, in dem du Phasen hast, in denen du ganz alleine arbeitest. Als Mechaniker, Lagerist oder Softwareentwickler ist das zum Beispiel der Fall. Dein Beruf fordert dich, nimmt aber nicht alles in deinem Leben ein. Die zweite Option ist, den Ausgleich außerhalb des Jobs zu suchen.
Wie Introvertierte in einem sozialen Beruf bestehen
Die folgenden Tipps sind nicht nur für Intros in extrem sozialen Berufen hilfreich. Auch dann, wenn du gar nicht rund um die Uhr mit Kollegen oder Kunden Kontakt hast, können sie dir Vorteile bringen.
Tipps für Introvertierte in sozialen Berufen:
- Schaffe dir Pausen.
- Du musst die Zeit vor und nach der Arbeit ruhig verbringen.
- Du solltest die Kollegenwahl nicht auf die leichte Schulter nehmen.
- Optimiere andere Faktoren wie Schlaf oder Ernährung.
- Bitte um Hilfe.
Acht Stunden oder mehr Vollgas zu geben, ist für fast niemanden möglich, aber schon gar nicht für Introvertierte. Du musst dir also Pausen nehmen. Zum Frühstück, Mittag, zwischen Terminen – selbst fünf Minuten durchatmen und für dich sein, kann schon helfen. Aber diese Pausen fallen dir leider nicht in den Schoß, du musst sie dir nehmen. Manchmal auch auf Kosten komischer Blicke von Kollegen.
Tipps gegen soziale Erschöpfung
Wichtiger noch als Pausen während der Arbeit ist Ruhe vor und nach der Arbeit. Wohnst du allein, ist das einfach. Hast du Familie oder Mitbewohner, musst du auch hier aktiv werden. Schon das Schließen der Badezimmertür für 30 Minuten ungestörte Vorbereitung des Tages kann Wunder wirken. Nach der Arbeit musst du dir erlauben, richtig herunterzufahren. Wenn dich dein Job fordert, brauchst du nicht versuchen, jeden Tag Leute zu treffen oder auch noch Zeit mit sozialen Hobbys zu füllen. Das wird irgendwann zu viel, tut mir leid.
Apropos zu viel: Augen auf bei der Kollegenwahl. Halt Stopp! Noch nicht zu den Kommentaren scrollen und mir den Vogel zeigen. Natürlich kannst du dir deine Kollegen nicht generell aussuchen. Aber solltest du einen tollen Job haben, bei dem vor allem Kollegen dich erschöpfen, dann musst du etwas ändern. Hinterhältige Kollegen, die dich auch noch ausnutzen, werden es dir irgendwann unmöglich machen, deine Arbeit zu lieben. Wechsle die Abteilung oder den Arbeitgeber, so schwer es dir auch fallen mag.
Dein Körper hat viele kleine Stellschrauben, an denen du drehen kannst. Ein anstrengender Job verlangt, dass du andere Faktoren der Zufriedenheit optimierst. Schlaf, Ernährung, Persönlichkeitsentwicklung, Freunde, Familienleben – wagst du die Herausforderung eines anstrengenden Berufs, musst du deinem Körper und deinem Geist die nötigen Mittel geben, um das zu schaffen.
Zu guter Letzt kannst und sollst du um Hilfe bitten. Auf Arbeit kannst du beispielsweise nach einem ruhigeren Arbeitsort fragen. Oder nach mehreren kleinen Pausen statt einer langer. Zu Hause kann ein Partner, Familienmitglied oder Mitbewohner zur Hilfe werden – gemeinsame Zeit kann mit Karten spielen, Filme gucken, spazieren oder anderen ruhigen Aktivitäten gefüllt werden.
Fazit: Introvertierte können alles, aber sie müssen nicht
Jeder Job kann ideal für Introvertierte sein, wenn Introvertierte auf ihre natürlichen Bedürfnisse hören und auf sie Rücksicht nehmen. Genauso kann jeder Job zur Belastung werden, wenn man sich zwanghaft extrovertiert verhalten möchte. Scheint so, als wäre die Antwort mal wieder: Es kommt ganz darauf an…