In der Provinz Tarragona liegt eine kleine Stadt namens Riba-roja d’Ebre. Dort ticken die Uhren anders und wer möchte, stellt sie einfach ganz ab.
In den Jahren 2015-2017 lebten meine Eltern für eine Weile an eben diesem Ort in Spanien. Aber auch nicht genau dort, sondern noch ein Stück weiter. In einem winzigen Angelcamp mitten im Nirgendwo.
Ich habe sie in dieser Zeit bestimmt 10 Mal besucht, wenn nicht sogar häufiger. Obwohl ich froh bin, dass sie wieder in Deutschland sind, vermisse ich die langen Wandertouren durch die Berge Kataloniens und die Stille des Stausees, an dem sie gelebt haben.
Hier kommt also meine Reiseempfehlung für eine Region, die vom großen Barcelona gleich nebenan überstrahlt wird.
PS: Es gibt etliche Schreibweisen für diesen Ort: Ribarroja, Riba Roja, Riba-roja d’Ebre oder Ribarroja de Ebro. Sucht euch eine aus. Die Aussprache nehmen wir hier gar nicht erst in Angriff.
Der Ebro, die Berge, die Stille
Wer Stille liebt, wird auch Riba Roja und seine Berge lieben. Stundenlang war ich dort unterwegs. Straßen, die eigentlich keine sind, und Trampelpfade, die nur alle paar Tage mal einen Menschen sehen.
Ich hatte das große Glück, Socke* immer dabei zu haben. Er durfte sich frei bewegen und ich musste vor der völligen Einsamkeit auf einem Berg keine Angst haben – oder viel mehr musste ich keine Angst davor haben, was passiert, falls sich doch mal jemand verirrt oder Monster echt sind und genau dort leben.
*Das ist Socke, falls ihr jetzt verwirrt wart
Die Wege sucht man sich selbst. Klar gibt es auch ausgeschilderte Wanderwege, doch egal in welche Richtung man läuft, es gibt genug Natur, um niemals satt zu werden.
Hier ein paar Eindrücke:
Kritik an mir selbst: Zu viel geflogen
Weil ich die Region so geliebt habe – und vielleicht auch, weil ich meine Eltern vermisst habe -, war ich sehr oft „unten“. Das war natürlich eine riesige Fliegerei. Meist ging es von Berlin Schönefeld nach Barcelona und dann nach Riba Roja.
Aus heutiger Sicht hätte ich mir die ein oder andere Tour gespart. Ich bin aber auch ehrlich: Ich hätte nicht darauf verzichtet, meine Eltern zu sehen. Doch damals fehlte mir noch ein echtes Bewusstsein für das Fliegen.
Ich bin kein Fan davon, den Klimawandel zu einem persönlichen Problem zu machen – darüber freuen sich nur die großen Unternehmen, die froh sind, dass sie keiner direkt angreift -, aber es stimmt schon, wer Verbesserung fordert, sollte als gutes Beispiel vorangehen.
Rückgängig machen kann ich es nicht mehr. Und aus etwas selbstsüchtiger Sicht muss ich auch sagen, dass es mir nach meinem Australien Abenteuer 2015 noch einmal mehr Routine beim Reisen gebracht hat.
Aber wir sollten aufhören, jeden, der sich einem Problem verschlossen hatte (oder es auch einfach nicht erkannt hatte) zu verurteilen, denn das bringt niemanden weiter. Heute fliege ich weniger – ein Schritt in die richtige Richtung. Es geht nicht immer von 0 auf 100 oder umgekehrt. Wir sollten uns erlauben, gelegentlich auch auf kleine Veränderungen stolz zu sein.
Fakten über den Ebro und den Panta de Riba-roja
Der Panta de Riba-roja ist ein Stausee des Ebros. 1969 wurde der See angelegt, um Elektrizität zu gewinnen. Das Besondere war, dass die Stadt Fayón dabei vollständig geflutet wurde – man baute sie einfach an anderer Stelle wieder auf.
Doch bis heute liegen unter Wasser die Ruinen der Stadt. Der Kirchturm ragt allerdings noch immer aus dem Wasser. Viele Angler kommen an den Stausee, um ihr Hobby auszuüben. Genau deshalb durfte ich in einem Wohnwagen schlafen und direkt auf das Wasser schauen.
Hier ein Bild des Kirchturms der Stadt Fayón:
Die Bewohner der Region Tarragona
Wer nicht gerne auf Menschen zugeht, für den sind Sprachbarrieren noch größer als für jemanden, der sich selbst als Menschenfreund bezeichnen würde.
Daher muss ich sagen, dass ich mit den Einheimischen nicht viel Kontakt hatte. Nur beim Einkaufen oder beim gelegentlichen Besuch im Restaurant. Doch da mir in den Bergen oder beim Lesen (oder seien wir ehrlich, beim Serien gucken) nie langweilig wurde, fehlte auch der Anreiz, loszugehen und Kontakte zu knüpfen.
Meine paar Brocken Schul-Spanisch konnten mir ohnehin nicht weiterhelfen, da in Riba Roja natürlich ganz eisern katalanisch gesprochen wird. Doch man merkt mit der Zeit schon, wie der Hase läuft.
Und zwar läuft er gar nicht. An der Supermarkt-Kasse wird der Kassiererin erst einmal vom Enkel erzählt, der jetzt einen neuen Job hat. Fährt man mit dem Auto durch eine enge Gasse und entdeckt jemanden, den man kennt, dann hält man an und unterhält sich – egal, ob dahinter jemand wartet oder nicht.
Alles läuft langsamer und entspannter ab. Zunächst ist das eher lästig. Wer deutsche Pünktlichkeit und Effizienz gewohnt ist, der verzweifelt hier. Doch es dauert nicht lange und man passt sich an. Plötzlich ist man nicht mehr so gestresst beim Einkaufen. Man bremst für jeden, der über die Straße möchte – egal, ob er Vorfahrt hat oder nicht.
Dauerhaft wäre es mir persönlich wahrscheinlich alles etwas zu locker. Doch man kann ja aus anderen Kulturen auch nur Kleinigkeiten mitnehmen, die man für das eigene Wohl braucht. Ich bin immer noch genervt, wenn es an der Lidl-Kasse aus unnötigen Gründen nicht voran geht. Doch ich bin mittlerweile nur noch leicht irritiert statt heftig angepi***.
Gesünder ist diese Einstellung definitiv.
Irgendwann in Zukunft möchte ich wieder dorthin reisen. Berge, Flüsse und Seen liegen mir auf Dauer einfach mehr als Großstädte. Für den nächsten Spanien-Urlaub empfehle ich also einen Tagestrip nach Barcelona und für den Rest der Zeit: Eine Finca irgendwo in Tarragona.