Es gibt kaum ein schlimmeres Gefühl, als irrelevant zu sein. Wenn die Welt sich scheinbar für alle Menschen interessiert, nur nicht für einen selbst. Jeder scheint seine ganz besondere Geschichte zu haben, eine einzigartige Persönlichkeit zu sein und einen wichtigen Platz in der Gesellschaft einzunehmen – aber man selbst ist uninteressant.
Dieser Artikel wird nicht versuchen, dir in Form von Instagram-Bild-Motivations-Texten einzureden, du wärst unglaublich wichtig oder interessant. Diese Texte gibt es schon zu Genüge und mir persönlich helfen sie nicht, wenn ich mich selbst, die Welt und meine Optionen besser verstehen möchte. Eigentlich machen sie alles nur noch schlimmer. Also wird im Folgenden stattdessen darauf geschaut, was einen Menschen uninteressant macht, was man dagegen tun kann und wie man die Welt in einen richtigen Kontext setzt, um sich besser zu fühlen (ohne sich etwas vorzulügen).
Warum bin ich unbeliebt?
Das Gefühl, dass man uninteressant ist, hängt stark an dem Gefühl, dass man unbeliebt ist. Unbeliebtheit hat viele Ursachen: Wer sich schlecht verhält, andere heruntermacht, Gesetze bricht oder einfach schlechte Stimmung verbreitet, kann unbeliebt sein. Doch die traurige Wahrheit ist, dass diese Menschen trotzdem alles andere als uninteressant sind. Sie sind zwar aus den falschen Gründen interessant, aber sie verschwinden auch nicht einfach in einer Gruppe oder werden übergangen.
Ich würde behaupten, dass unbeliebt sein, weil man sich schlecht verhält, weniger schlimm ist, als wenn man unbeliebt ist, weil sich niemand für einen interessiert. Uninteressant zu sein, fühlt sich an, als würde man keinen Platz einnehmen und würde keine größere Bedeutung haben. Das Leben findet statt, man darf auch teilhaben, aber man beeinflusst es nicht aktiv und wird von anderen Menschen auch nicht als wichtig erachtet.
Nun gibt es zwei Szenarios: Die gefühlte Unwichtigkeit und die tatsächliche. Falls du dich uninteressant fühlst, kann es durchaus sein, dass du falsche Erwartungen hast (dazu später mehr) und eigentlich nur genauer hinschauen musst. Aber wie gesagt – es geht hier nicht darum, dir 0815-Floskeln vorzusetzen. Es kann also durchaus sein, dass du auf dein Umfeld uninteressant wirkst und dadurch auch unbeliebt bist. Schauen wir mal auf drei große Faktoren: Langweiligkeit, Unnahbarkeit und das falsche Umfeld.
Ich bin eine langweilige Person
Manche Menschen haben viel Charisma und jeder Raum, den sie betreten, leuchtet förmlich auf. Sie reden viel, haben auch etwas zu sagen und Menschen suchen ihre Aufmerksamkeit. Wieder andere haben eine unglaublich spannende Lebensgeschichte, die sie interessant macht. Noch andere haben Geld und Ruhm, was sowieso immer anziehend wirkt.
Und manche Personen sind langweilig. Zumindest aus Sicht ihres Umfelds. Wer keinen Aufriss um sich selbst macht, nicht mit Geld oder Erfolgen prahlen kann und auch keine natürliche Ausstrahlung hat, der wird nun mal – im Kontext seines Umfelds – als weniger interessant und somit langweilig wahrgenommen.
Positiv-Ratgeber sagen nun: Aber nein! Jeder ist interessant, sei bloß nicht so negativ! Ich sage dazu: Netter Versuch, stimmt aber so nicht. Ja, jeder Mensch ist einzigartig, komplex und ich bin auch der festen Überzeugung, dass ein tiefgründiges Gespräch an jedem Menschen interessante Facetten hervorbringt. Das ändert aber nichts daran, dass manche Menschen für eine breite Mehrheit ihres Umfelds langweilig wirken.
In einer dopamingesteuerten Gesellschaft, in der ständig Ablenkungen verfügbar sind und Prominente wie Götter idealisiert und verehrt werden, haben einige Menschen keine Chance, sich auszuzeichnen. Die Beschreibung langweilig ist hart, aber wenn du hierhergefunden hast, benutzt du den Begriff wahrscheinlich, um dich selbst zu beschreiben. Und das werde ich dir nicht verbieten. Ich würde nur empfehlen, einen entsprechenden Kontext zu schaffen, um damit umzugehen.
Ich wirke unnahbar
Bevor es darum geht, wie man interessanter wird (und Menschen dazu bringt, sich für einen zu interessieren – was nicht deckungsgleich ist), muss auch erwähnt werden, dass manche Menschen keinen Anschluss finden, weil sie zu kühl oder unnahbar wirken. In diesem Fall ist das Problem nicht, dass sie nichts zu bieten hätten, sondern dass niemand an sie herankommt.
Ob das bei dir der Fall ist, ist schwer zu entschlüsseln. Ursache und Wirkung lassen sich oft beliebig anordnen. Außerdem bestimmt das Umfeld, was als unnahbar gilt und was nicht. Dann dreht sich die Gedankenspirale: Wirke ich unnahbar und deshalb uninteressant? Oder hat mich das mangelnde Interesse meiner Umwelt erst unnahbar gemacht?
Bevor man nach Lösungen sucht, um interessanter zu werden oder sich einredet, dass einen keiner haben will, sollte erst einmal geschaut werden, wie man auf andere wirkt. Kollegen, Freunde, Familienmitglieder und sogar Fremde können dieses Feedback geben, wenn man sie darauf anspricht – auch wenn sich das etwas komisch anfühlt. Unter Umständen erkennst du so, dass viele Menschen nicht nach dir fragen, weil sie einfach nicht wissen, wie du drauf bist und was du willst.
Ich bin immer für alle da, aber keiner für mich
Manche Menschen halten sich für uninteressant, weil sich niemand nach ihren Gefühlen erkundigt. Sie sind oft die Helfertypen, die gerne zuhören und Tipps geben. Das ist auch aller Ehren wert, doch mit der Zeit wird klar, dass niemand fragt, wie es ihnen denn geht.
Dann liegt das Problem im Umfeld. Es gibt Energiefresser, die nur nehmen und nicht geben. Sie suchen sich (oft unbewusst) Menschen, bei denen sie ihren Ballast abladen können – geben aber nichts zurück. Dadurch fühlst du dich dann, als wärst du ständig für sie da, aber keiner tut das Gleiche für dich.
Achtung: Dann bist du nicht uninteressant. Das ist fehlerhaftes Verhalten deiner Freunde, Familienmitglieder oder Kollegen. Wer sich deine Aufmerksamkeit nimmt, aber nicht nach dir erkundigt, der weiß nicht, was er an dir hat. Und es ist eine Schande, dass dir eingeredet wird, du wärst nicht wichtig. Sprich das ruhig an – manche Menschen ändern ihr Verhalten dann. Andere nicht.
Ich bin uninteressant: Was kann ich tun?
Die Lösung für das Problem kann nicht ohne die Ursache gefunden werden. Hast du das Gefühl, du bist nicht interessant, obwohl du ständig anderen zuhörst und hilfst? Das passt nicht zusammen. Offensichtlich hast du eine tolle Begabung dafür, anderen zu helfen, damit bist du automatisch interessant. Denn das kann nicht jeder. Deine Lösung ist also, um mehr Interesse zu bitten – und wer dir das nicht geben kann, der verspielt deine Zuneigung.
Aber was ist, wenn du Menschen in deinem Leben hast, mit denen du sprichst, die dir auch zuhören und dir wichtig sind – du aber trotzdem langweilig wirkst? Dann kannst du was ändern, musst du aber nicht. Gleich folgt ein ganzer Absatz darüber, warum wir alle uninteressant sind – aber erst mal Lösungsansätze.
Möchtest du interessanter sein, dann musst du dich selbst definieren. Wofür soll man dich kennen? Was widerspricht deinem Charakter? Wie willst du kommunizieren? Das ist ein Prozess, der Zeit braucht. Aber er gibt dir auch Selbstbewusstsein und klare Optionen.
Willst du ein Hobbyautor sein, der für tiefgründige Diskussionen zu haben ist und minimalistisch lebt? Dann los! Zeig deine Texte, vermeide Smalltalk und berichte über deine Erfolge mit einem einfacheren Lebensstil. Du musst damit nicht jeden Menschen ansprechen – das darf nicht das Ziel sein. Doch für andere Hobbyautoren und Minimalismusinteressierte bist du plötzlich nicht uninteressant, wenn du lernst, über deine Leidenschaften zu sprechen.
Eine andere Möglichkeit ist, einfach anders zu kommunizieren. Wenn du schüchtern bist, hältst du dich vielleicht nur deshalb für uninteressant, weil du es gar nicht schaffst, anderen deinen Charakter zu zeigen. Du bist also nicht langweilig, du musst „nur“ lernen, mehr von dir selbst zu zeigen. Und wieder gilt: Du bist nicht plötzlich der interessanteste Mensch der Welt, musst du aber auch nicht sein.
Warum du nicht interessant sein musst
Jetzt der angekündigte Absatz dazu, dass diese ganze Diskussion vielleicht an dir vorbeiführt. Denn unter Umständen bist du nicht interessant für andere Menschen – und solltest das so akzeptieren. Die Welt hat kaum noch Zeit, um Einzelpersonen genau zu betrachten. Das ist eine harte Realität. Aber wer sie annimmt, lebt oft ruhiger.
Denn grundsätzlich sind wir alle uninteressant und langweilig. Ja, die Gesellschaft definiert aktuell Erfolg, Geld, Reichweite und Charisma als erstrebenswert und interessant. Aber das sind Konstrukte, keine Naturgesetze.
Hier mal einige Beispiele für Menschen, die uninteressant sein können:
- Jemand, der acht Stunden arbeitet und danach zum Zocken in seiner Wohnung verschwindet.
- Jemand, der keine Hobbys hat.
- Jemand, der nicht gerne mit anderen redet.
- Jemand, dem Geld egal ist, solange seine Grundbedürfnisse gedeckt sind.
- Jemand, der nicht auf Partys geht.
Das Geheimnis, das dir kein Guru oder Coach verraten wird: Keiner dieser Menschen muss unglücklich sein. Wir brauchen sozialen Anschluss und wir müssen uns bis zu einem gewissen Grad wichtig fühlen. Doch wo die Messlatte für Wichtigkeit liegt, das muss schon jeder selbst bestimmen.
Oftmals wirken wir uninteressant auf andere, weil wir einfach nicht den Standards entsprechen, die sie haben. Da stehen die Chancen gut, dass wir diesen fremden Standards viel zu viel Bedeutung zuweisen. Aber schauen wir doch mal auf das andere Extrem: Menschen, die sich wichtiger machen, als sie sind.
Online wimmelt es nur so von ihnen. Auch ich gehöre in gewisser Weise zu ihnen: Um meine Texte vor Menschen zu bringen, muss ich sie anbieten, mich selbst auch mal präsentieren. Was habe ich gelernt? Es macht mir keinen Spaß. Doch diese Erkenntnis kommt nicht jedem. Stattdessen wollen diese Menschen beweisen, dass sie super wichtig und super interessant sind – nach Standards einer Internetgemeinde, nicht nach Standards der Menschen, die ihnen tatsächlich wichtig sind. Freunde und Familienmitglieder sind die Menschen, denen man so viel von seiner wahren Persönlichkeit zeigen sollte wie möglich, um die Eigenheiten (das, was uns interessant macht) zu vermitteln.
Doch „die Gesellschaft“ sollte nicht der Grund sein, warum du dich unwichtig, uninteressant oder langweilig wahrnimmst. Wir reden uns gegenseitig ein, dass Ruhm, Aufmerksamkeit und viele Freunde das höchste der Gefühle sind – aber warum gibt es dann so viele zufriedene und glückliche Menschen, die keine zehn Millionen Follower auf Instagram haben, sich nicht zum Mittelpunkt jeder Party machen und die stattdessen unglaublich authentisch wirken?
Tipps, um interessanter zu werden (und nicht zu erscheinen)
Wenn du dich aktuell für uninteressant hältst, dann kann das stimmen oder auch nicht. Aber wenn ich dir einen Tipp mitgeben kann, dann ist es der, dass dir die meisten Ratgeber nicht helfen werden. Ja, du kannst anders sprechen, anders leben, anders auftreten, anders sein. Aber wenn du dafür etwas verbiegen musst, was fest in deinem Inneren verankert ist, wirst du nicht glücklicher. Das ist ziemlich blöd, denn das heißt, es gibt gar keine einfache Lösung.
Wenn du interessanter sein und nicht nur wirken möchtest, muss du selbst bestimmen, was einen interessanten Menschen ausmacht – und darauf hinarbeiten. Nicht Ruhm, Geld oder Followerzahl sollten dabei herauskommen. Sei ehrlich: Ist jemand mit einer Million Follower auf Instagram automatisch interessant für dich? Nein. Ist ein Blog mit 100 Lesern potentiell mehr wert als jeder Millionär, der in seinem Luxusauto auf der Autobahn an dir vorbeibrettert? Ich denke schon.
Die Frage ist am Ende, für wen willst du interessant sein und zu welchem Preis? Es ist – sorry – zum Kotzen, wenn man das Gefühl hat, dass sich keiner für einen interessiert. Aber die Gesellschaft ist nun mal aktuell in einem ziemlich kaputten Zustand. Dein Umfeld ist nicht perfekt. Du kannst nicht jedem gefallen. Also stehen die Chancen gut, dass du noch dem Denkfehler unterliegst, dass „relevant sein“ ein höheres Ziel wäre, das jeder erreichen muss. In Wahrheit leben die meisten von uns ein ziemlich durchschnittliches Leben und wir werden unser Glück nicht darin finden, nach den Standards der Gesellschaft zu leben, die die Kardashians zu Milliardären gemacht hat.
Abschließende Worte
Ich kann dir nicht sagen, ob sich wirklich niemand für dich interessiert. Was ich dir sagen kann, ist, dass du dir selbst überlegen musst, was interessant ist und was nicht. Dann kannst du auch an dir arbeiten. Probiere ruhig die klassischen Tipps aus: Such dir ein neues Hobby, suche Gespräche mit Kollegen, suche nach Möglichkeiten, eine größere Rolle im Leben anderer Menschen zu spielen. Aber verlier dich dabei nicht in der Suche nach oberflächlicher Relevanz, die unsere Gesellschaft gerade ohnehin zerfrisst.
„Aber verlier dich dabei nicht in der Suche nach oberflächlicher Relevanz, die unsere Gesellschaft gerade ohnehin zerfrisst.“
Leider schreibst Du, in meinen Augen den wichtigsten Punkt, als aller aller letztes. =)
Hallo Jennifer,
zuallererst, es freut mich, trotz des angekündigten Endes des Blogs, neue Artikel/Beiträge von Dir zu lesen!
Lange Zeit war ich auch in diesem Gedanken gefangen, dass mein Leben, egal was ich unternommen oder getan habe, uninteressant war/ist. Es ist leider in der aktuellen Gesellschaft verdammt schwer, zu erkennen, zu verstehen und zu akzeptieren, dass sehr viele ein doch „ziemlich durchschnittliches Leben“ führen, weil man in den Medien natürlich nur die Highlights, das große Abenteuer etc. dargestellt bekommt.
Es wird besser! 😛
Auch dieser Beitrag hilft dabei, den Fokus von den Oberflächlichkeiten wegzulenken und trifft mal wieder unterschwellig den Nagel auf den Kopf, verspricht kein Allheilmittel und regt zum eigenen Denken und zur Selbstreflektion an.
Ein großes Danke an Dich, für diese wertvollen Beiträge.
Ein Power-Abschluss ist nun mal wichtig für Artikel wie diese, damit sie interessant wirken 😀 Aber ohne Hinleitung besteht immer die Gefahr, dass ich ein Insta-Mantra verfasse und nichts, was zum Nachdenken anregt.
Und ja, ich habe mich heimlich zurückgeschlichen. Es reizt mich einfach zu sehr. (Und ist – wie ich feststellen durfte – auch für meine mentale Gesundheit förderlich, so lange ich zu meinen Bedingungen schreibe.) Liebe Grüße!