Auf der Suche nach Themen, die für introvertierte Menschen relevant sind, erwartet man einiges. Die Liebe, die Kindheit, die Herausforderungen des Berufslebens – es gibt so viele Sachen, über die Introvertierte mehr erfahren wollen. Und scheinbar ist ein Thema: Globuli für introvertierte Menschen.
Da schrillen bei jemandem, der sich ständig kritisch mit Texten über Introvertierte auseinandersetzt, sofort die Alarmglocken. Das Fazit dieses Artikels steht in diesem Fall schon am Anfang: Mit dem Begriff introvertiert wird auch bei einigen Homöopathie-Anhängern nicht richtig umgegangen, weshalb zu vermuten ist, dass hier mehr Schaden als Nutzen entsteht.
Alternativen zur klassischen Medizin
Homöopathie ist ein Streitthema. Dieser Artikel kann daher nicht sinnvoll gestaltet werden, ohne vorher einmal ein Grundverständnis zu vermitteln. Fakt ist: Für vielerlei Leiden greifen Ärzte und Patienten sehr schnell zu den krassesten Methoden. Es werden hochdosierte Medikamente genommen oder gar die OP einer weniger aggressiven Behandlung vorgezogen, einfach, weil es praktischer ist. Das ist kein guter Zustand – allerdings gibt es auch genug Gegenbeispiele.
Alternative Heilmethoden haben ihren Platz in der Medizin und der Gesellschaft. Viele Dinge, die einst eher als Spielerei galten, haben mittlerweile einen besseren Ruf, weil die Wirksamkeit auch durch wissenschaftliche Studien bewiesen wurde. Yoga, Meditation oder auch Kräutertees können beispielsweise Schlafprobleme bekämpfen, die sonst per Pille behandelt werden müssten. Mal ganz zu schweigen von der unglaublichen Wirkung, die individualisierte Ernährungspläne für allerlei Krankheiten (wie beispielsweise Epilepsie oder Neurodermitis) erzielen können.
Aber: homöopathische Mittel bestehen den wissenschaftlichen Test nicht. Somit sind sie eben nicht auf der gleichen Ebene wie Ernährungsumstellungen, Sport oder eine Therapie mit Medikamenten zu sehen. Wer sich dieser Tatsache verwehrt, wird diesen Artikel nicht mögen.
Aber 2: Homöopathie schadet auch nicht. Sofern durch das Einnehmen von Globuli oder anderen homöopathischen Mitteln nicht auf Operationen oder Medikamente verzichtet wird, die überlebensnotwendig sind, soll es jedem selbst überlassen sein, ob er Globuli nutzt oder nicht. Wenn sich ein Mensch nur entspannen kann, wenn er „Peaches“ von Justin Bieber hört, dann versteht man das nicht ganz, aber man sollte ihm diese Hilfe nicht absprechen. Dinge, die man nicht versteht, können trotzdem gut sein. Viele Menschen fühlen sich durch homöopathische Mittel besser, das ist eine gute Sache.
Globuli für introvertierte Menschen: das Problem
Nun sollte klar sein, dass die Prämisse dieses Artikels nicht lautet, dass Globuli verboten gehören. Was allerdings eine Schande ist, ist, dass Introversion seit neuestem Ziel von Menschen wird, die unreflektiert Globuli befürworten.
„Menschen, die das homöopathische Mittel [ENTFERNT] benötigen, sind häufig sehr verschlossene, reservierte und introvertierte Personen, die zu depressiven Verstimmungen mit Weinerlichkeit, Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit neigen und ständig auf der Suche nach Liebe und Anerkennung sind.“
Diese Worte stehen so im Internet, wenn man die Begriffe Globuli und introvertiert in eine Suchmaschine eingibt. Da platzt die Hutschnur aber ziemlich flott. Im Artikel über Introvertierte in den Medien wird bereits ausführlich darüber gesprochen, warum die fehlerhafte oder irreführende Verwendung des Begriffs „introvertiert“ ein Problem ist. Hier noch mal die Kurzfassung: Introversion negativ zu konnotieren, sorgt dafür, dass introvertierte Menschen sich selbst nicht akzeptieren können.
Auf der entsprechenden Website, von der das obere Zitat stammt, finden sich etliche Formulierungen, die leider jeglicher wissenschaftlicher oder auch einfach nur vernünftiger Grundlage entbehren. Da wurde jemandem eine Plattform gegeben, alles niederzuschreiben, was so in den Sinn kommt. Depression, Ängste, persönliche Neigungen und weitere Dinge werden wild in einen Topf geworfen. Das ist Teil der „Erfahrung Internet“. Leider.
Introversion und Behandlung
Introvertierte Menschen sind nicht krank. Es gibt Menschen, die leiden unter psychischen Krankheiten, die ein Zusammenspiel mit der Introversion bewirken. Eine introvertierte Persönlichkeit ist an sich aber nicht heilbar – weil sie auch einfach keine Krankheit und kein Mangelzustand ist.
Somit hat der Begriff „introvertiert“ auch bei Behandlungsmethoden nichts zu suchen. Es gibt zwar Kontexte, in denen die Verfeinerung einer Diagnose oder die Beschreibung eines Zustands auch das Merkmal der Introversion beinhaltet, aber es sollte niemals suggeriert werden, dass die Introversion Ursprung des Problems ist. Leider sind mehrere Negativbeispiele im Zusammenhang mit homöopathischen Mitteln mittlerweile leicht im Internet zu finden.
Die Gefahr, die unter anderem durch diesen Artikel minimiert werden soll, ist, dass sich durch die laxe Verwendung von Begriffen wie Introversion nur noch mehr Unsicherheit entwickelt. Das ist bei Blogbeiträgen, Zeitungsartikeln, Redebeiträgen und selbst bei Ärzten und Psychologen der Fall. Aufklärung ist daher wichtig. Globuli für introvertierte Menschen – das ist eine Wortkombination, um die niemand gebeten hat.
Ein Top Artikel zum Thema Introversion… Überall nur noch „Berater“ oder „Klugscheißer“, die alles besser wissen und für jedes „Problem“ eine „Lösung“ VERKAUFEN … so ist unsere Welt… Echt super, dass Du erklärst, dass Introversion weder Krankheit, noch Mangelzustand ist…
Man könnte, glaube ich auch sagen, dass Introversion Voraussetzung ist in einen Zustand zu kommen, um den hohlen Mist, der überall erzählt wird, zu durchschauen…
Introversion is not a disease, it´s a lifestyle
In der Tat ein TOP Artikel und der Kommentar von Oli M. setzt dem Ganzen noch die Krone auf – 200 %!!!
Meine Recherche zu diesem Thema hat ergeben, dass manche Menschen gar keine Laktose und hohlen Mist benötigen :-))
Ich machte mich vor ein paar Jahren auf die Suche nach Ursachen dafür, warum mir schnell alles zu viel wird. Warum ich die Ruhe und den Rückzug brauche. Dabei bin ich schnell auf die Begriffe Introvertiertheit und Hochsensibilität gestoßen. Beides bietet mir bei vielen Dingen die Möglichkeit, mich weiterzubilden, in Form „Warum bin ich so?“. Was mir aber sehr schnell auffiel: Es gibt Menschen, die suchen geradezu danach anders zu sein. Es wird mit aller Macht versucht, sich aus der Masse hervorzuheben und da kommen Dinge wie Homöopathie oder Hochsensibilität gerade recht. Ohne dabei aber wirklich auf das eigentlich Problem zu schauen, sofern überhaupt eins zu haben. Ähnlich wie es vor einigen Jahren schick war, eine Brille zu tragen. Viele Mädchen haben sich daraufhin eine Brille mit Gläsern ohne Seestärke machen lassen. Das geht mir alles irgendwie in immer obskurere Richtungen. Ähnlich wie eben mit den Globuli, mit denen man die „Krankheit“ Introvertiertheit besiegen kann.
Interessante Sichtweise. Ich denke aber, dass diese Beschreibungen nicht bedeuten sollen, dass das Globuli die Introvertiertheit heilen soll. Die ursprüngliche Homöopathie geht davon aus, dass jeder Mensch nur ein bestimmtes Mittel benötigt, um damit all seine Beschwerden zu heilen. Und dafür muss der Homöopath den Menschen komplett verstehen, also auch seine Wesensart kennen. Das bedeutet nicht, dass es als schlecht gewertet wird oder als krankhaft, was zu heilen wäre. Ich bin kein Homöopath, aber ich nutze Hoöopathie seit ein paar Jahren (ich war vorher ziemlich skeptisch und habe auch erst viel später verstanden wie es wirkt) und habe damit bessere Ergebnisse erzielt als mit jeglichen anderen Behandlungen, egal ob naturheilkundlich oder aus der Schulmedizin. Ich bin noch immer introvertiert und diese Wesensart werde ich auch nicht ablegen und ich bin äußerst zufrieden damit, aber ich denke diese Info hat meinem Homöpathen stark dabei geholfen, das für mich richtige Mittel zu finden.