Einsamkeit, Gewalt, Fremde: Wer alleine reist, steht vor einigen Herausforderungen. Viele Ängste sind berechtigt, doch sie sollten uns nicht davon abhalten, unseren Auslandstraum zu leben. Hier kommen also die Ängste und ihre Gegenmittel für diejenigen, die nicht alles einfach wuppen und auf Leute zugehen wie andere auf süße Hundewelpen.
Dieser Beitrag besteht aus zwei Teilen: Im ersten Abschnitt werden die möglichen Ängste beschrieben (und nicht ins Lächerliche gezogen). Danach folgen die Tipps, die dafür sorgen sollen, dass wir trotzdem reisen können.
Angst vor dem Reisen ist berechtigt
Es gibt absolut legitime Ängste, die man vor einer Reise oder auch während einer Reise haben kann. Wer das Gegenteil behauptet, ist entweder naiv oder hat bisher einfach Glück gehabt, überhaupt keinen Gefahren begegnet zu sein.
Viele Reisende (oder Reiseblogger) trauen sich jedoch nicht, vor tatsächlichen Gefahren zu warnen, weil sie Angst haben, dass sie zu negativ wirken. Ich sage: Weicheier, immer her mit der Negativität (die eigentlich nur Realismus ist)!
Kriminalität und Gewalt
Zum einen gibt es Länder, in denen die Kriminalität besonders hoch oder außergewöhnlich ausgeprägt ist. Das heißt, in Ländern, in denen Kartelle oder die Mafia das Sagen haben, ist die Angst vor anderen Menschen nicht eingebildet, sie ist natürlich.
Wer in ein Land ohne starke Polizei (oder mit überstarker Polizei) reist, der muss sich darüber im Klaren sein, dass er immer aufmerksam sein muss und einen Plan B braucht. Religiöse oder politische Spannungen können zu Aufständen, Straßenkämpfen oder sogar gezielten Mordanschlägen führen.
Ähnlich verhält es sich mit gefährlichen Situationen. Die müssen gar nicht in einem Land mit hoher Kriminalität oder mangelnder Polizeisicherheit auftreten, die sind überall zu finden. Überfälle, Übergriffe und im Allgemeinen Menschen, die die Schwächen anderer ausnutzen wollen, sind nicht länderspezifisch.
Besonders für Alleinreisende und Frauen gibt es daher wichtige Vorkehrungen, die getroffen werden sollten, wenn man sich aus seiner gewohnten Umgebung herauswagt. Mehr zu den Tipps weiter unten.
Schüchternheit
Nicht alle Introvertierten sind auch schüchtern. Einige schon. Auch viele Extrovertierte sind eigentlich schüchtern und können es nur besser verstecken. So oder so, wer schüchtern ist, der kann beim Reisen auf Probleme stoßen. Denn besonders in abgelegenen Gegenden ist man immer mal wieder auf die Hilfe von Einheimischen oder anderen Reisenden angewiesen.
Reifen geplatzt? Den muss einer wechseln. Verlaufen? Wenn Google Maps nicht funktioniert, muss man sich durchfragen. Ungutes körperliches Gefühl? Man sollte jemanden Bescheid geben können.
Ist es also besser, gar nicht zu reisen? Natürlich nicht. Das ist ein Reise- und Wanderblog (falls dich das überrascht, dann hast du dich verirrt und solltest nach dem Weg fragen) und wer reisen möchte, wird hier immer Tipps finden, um es zu tun.
Die besten Tipps folgen zwar weiter unten, aber erst einmal bleibt festzuhalten: Wer Bedenken hat, weil er schüchtern ist, der ist nicht überempfindlich oder ein Angsthase – Schüchternheit ist ein Faktor, den man bei der Reiseplanung beachten sollte.
Einsamkeit
Eine der größten Sorgen für Menschen, die alleine reisen wollen oder müssen, ist die Angst vor der Einsamkeit. Da dies ein Blog für Introvertierte ist, könnte man meinen, dass wir kleinen Eigenbrötler damit kein Problem haben sollten. Falsch gedacht. Introvertierte sind nämlich nicht grundsätzlich gerne alleine und schon gar nicht gerne einsam.
Alleine sein bedeutet, niemanden um sich herum zu haben. Einsamkeit hingegen ist ein Gefühl, das mit dem Alleinsein einhergeht und uns im Alltag oder beim Reisen psychisch und sogar physisch schaden kann. Selbst umgeben von tausenden Menschen in einem Touristenort kann man Einsamkeit spüren.
Die meisten Vielreisenden und Reiseblogger behaupten, dass man unterwegs nicht einsam sein kann, weil man ständig neue Leute kennenlernt. Bitte, liebe Menschen, ihr meint es nur gut, aber für uns sind flüchtige Bekanntschaften im Flugzeug oder auf dem Parkplatz häufig mit Stress verbunden. Wir mögen keinen Smalltalk und brauchen eine Weile, um mit anderen warm zu werden.
Ganz besonders, wenn wir uns einer großen Gruppe gegenübersehen, wollen wir schnell wieder für uns sein. Was für euch das Tollste am Reisen ist, ist für uns eine echte Sorge und kann uns sogar die Zeit im Ausland verderben oder zumindest erschweren.
Was kann ich gegen Angst vor dem Reisen tun?
Hier kommen die Tipps, die ich in Recherche und durch eigene Erfahrung gesammelt habe. Alleine unterwegs zu sein ist immer schwierig. Aber wenn wir Introvertierten eines sofort erkennen, dann ist es doch Folgendes: Mit Menschen reisen ist auch immer schwierig.
Planung kann die Angst ins Verhältnis setzen
Wie sieht es im Zielland politisch aus? Gibt es starke Konflikte, die auf den Straßen ausgetragen werden? Diese und weitere Fragen können den ersten Weg zur Gefahreneinschätzung ebnen. Falls sich dann herausstellt, dass die Gefahr wirklich hoch ist, dann bleiben drei Möglichkeiten übrig:
1. Mit einem Reiseunternehmen oder einem Reiseführer (Achtung: Person, nicht Papieransammlung) reisen. Das ist zwar häufig teurer und steifer, aber die Mitarbeiter kennen sich vor Ort meistens bestens aus und werden euch von gefährlichen Situationen fernhalten.
2. Außerhalb der Städte unterwegs sein. Politische und religiöse Konflikte werden häufig in Ballungszentren ausgetragen. Wer also dieses Risiko meiden möchte, kann einfach an ruhigere Orte des Landes reisen – allerdings entsteht dadurch eine neue Unsicherheit, weil man abgeschiedener ist und andere Gefahren entstehen (wilde Tiere, Kälte, Hitze etc.).
3. Gar nicht an diesen Ort reisen. Für diesen Tipp würden mir viele Abenteurer wahrscheinlich gerne den Hintern versohlen, aber ich stehe dazu. Wer sich unsicher fühlt, gar Angst oder Panik bekommt, der wird seinen Aufenthalt auch nicht ordentlich genießen können. Die Unversehrtheit von Leib und Seele sollte für jeden eine Priorität sein dürfen.
Auf Extremsituationen vorbereitet sein
Nehmen wir aber erst einmal an, dass wir ein Land nicht vollständig meiden wollen. Wer alleine reisen möchte, der sollte auf Extremsituationen vorbereitet sein. Diese Tipps gelten übrigens nicht ausschließlich für Alleinreisende, auch zu zweit oder in Gruppen, kann ein bisschen Vorsicht nicht schaden.
Pfefferspray und Taschenmesser
Vor Menschen und wilden Tieren kann man sich durch Pfefferspray schützen. Ein Taschenmesser ist immer hilfreich, also kann man das zur eigenen Beruhigung auch dabei haben. Jeder Angreifer muss einschätzen, ob es sich lohnt, euch auszurauben oder zu verletzen. Macht ihm die Entscheidung leicht, indem ihr auf Reisen das Pfefferspray und Taschenmesser immer zur Hand habt und somit nicht wie leichte Beute ausseht.
Auch vor wilden Tieren muss man sich in vielen Ländern schützen können. In Kanada wird Bärenspray ausdrücklich empfohlen. Übrigens auch empfohlen: Sich vorher zu überlegen, wie das Pfefferspray funktioniert. Da gab es schon die dämlichsten Unfälle.
Notfallkontakte
Krankheiten, Verletzungen, platte Reifen – alles Ereignisse, die nach Hilfe verlangen (es sei denn, ihr könnt Reifen selbst wechseln, was die meisten von euch wahrscheinlich können, während ich auf die Frage nach der Marke meines Autos noch immer mit „ein gelbes“ antworte). Also informiert euch vorher, wo und wie ihr an Hilfe gelangen könntet.
Merkt euch beim Hineinfahren in einen Nationalpark, wo die nächstbeste Hütte mit Menschen steht. Schreibt euch auf einen Zettel, welche Nummer in eurem Zielland die Polizei oder Feuerwehr rufen kann. In fast allen Ländern Europas ist das beispielsweise die 112 und in Nordamerika die 911. Auch die Nummer eures nächsten Hotels, der Autovermietung oder eurem Kontakt vor Ort solltet ihr aufschreiben. Auf Papier? Wie so Leute von früher oder die CDU, wenn sie junge Leute erreichen will?
Schreibt die Nummer auf Papier, in ein Notizbuch oder sonst wohin. Denn wenn euch euer Smartphone abhanden kommt, es von einem Bären gefressen wird oder der Akku leer ist (oder der Bär es frisst und sich der Akku dabei entlädt) wollt ihr die Hilfe von anderen Menschen in Anspruch nehmen und kennt die Nummer nicht aus dem Kopf.
Einfache Sätze übersetzen
Wieder ein Tipp zum Aufschreiben: Nach dem Weg fragen, um Hilfe bitten, wissen wollen, wo die nächste Toilette ist … All diese Dinge kann sich ein jeder Alleinreisender vor seinem Trip übersetzen (oder übersetzen lassen), wenn er die Sprache seines Ziels nicht spricht. Natürlich kann man auch einfach ein Wörterbuch mitnehmen oder sich eine Wörterbuch-App herunterladen (aber denkt an die Sache mit dem Bären).
Langeweile und Einsamkeit bekämpfen
Gut, nun haben wir die realen Ängste und Sorgen behandelt, die eigentlich jeder hat. Aber meist stört die Menschen beim Solo-Travel (Boar, voll auf Englisch eh!), dass sie niemanden haben, mit dem sie die Erfahrung teilen können und sich dann vielleicht langweilen. Dagegen 3 Tipps.
1. Ausführliches Tagebuch führen. Wer jeden Abend (oder Morgen) seine Erlebnisse und Gedanken ausführlich niederschreibt, der kann seine Reise verarbeiten, ohne mit Menschen direkt darüber sprechen zu müssen. Wer ungern schreibt, kann auch ein Videotagebuch führen.
2. Zu Hause anrufen. Freunde und Familie wundern sich vielleicht, wenn ihr an einem Traumstrand liegt und trotzdem Heimweh habt oder mit jemandem sprechen wollt. Aber wenn ihr ihnen erklärt, dass ihr einfach die Erfahrung mit jemandem teilen wolltet, dann überwiegt bei eurem Gesprächspartner meist der Stolz, dass es ihn getroffen hat.
3. Lesen, Netflixen und Zocken sind keine Schande. Viele denken (auch mir ist das passiert), dass man einen Knall hat, wenn man ins Ausland reist und trotzdem dieselben Dinge tut wie zu Hause. Wie jetzt, man übernachtet in einem Ski-Resort in den Alpen und will am Game Boy daddeln (ja, ihr merkt, ich bin alt)? Das ist doch Unsinn! Ist es das? Wenn ihr vor Langeweile oder Einsamkeit fliehen wollt, dann ist die Art und Weise egal, mit der ihr das hinter euch lasst. Niemand sollte euch einreden, dass ihr den ganzen Tag nur unterwegs sein müsst. Pausen sind okay, Pausen sind sogar notwendig.
Als Introvertierter Menschen kennenlernen
Da die Reiseindustrie (scheinbar) von extrovertierten Superreisemenschen dominiert wird, denken viele, sie würden genauso einfach beim Reisen auf Leute treffen wie alle anderen. Hier wäre ein Beispiel für einen eigentlich sehr guten Artikel, der aber schreibt, dass man die Schüchternheit zu Hause lassen muss: Diese 7 Dinge musst du als Alleinreisender beachten.
Da wir Introvertierten allerdings nicht gerade jedem die Hand schütteln, beste Freunde in der Hostelküche finden oder einfach fremde Menschen anquatschen, müssen wir etwas kreativer sein.
Im Bekanntenkreis fragen
Auch wenn ihr weitestgehend alleine reist, könnt ihr euer soziales Umfeld mobilisieren. Entweder ihr kennt bereits jemanden, der im Zielland lebt oder ihr fragt eure Freunde und Bekannten, ob sie Kontakte haben.
Warum das helfen kann? Weil ihr nicht auf einen völlig Fremden zugehen müsst. Gemeinsame Freunde oder gar Familienmitglieder sind ein guter Gesprächsaufhänger und viele Menschen werden bereit sein, euch eine ganz besondere Urlaubserfahrung zu bieten, indem sie ihren Ort oder ihr Land präsentieren.
Nicht nur, dass ihr nicht vereinsamt, ihr bekommt eine Reiseerfahrung, um die euch viele beneiden werden und die nicht von der Stange kommt.
Gleichgesinnte
Da sprechen wir natürlich von einer Luxussituation. Viel häufiger besteht die Angst vor dem Reisen, ganz besonders dem Alleinreisen, weil man eben niemanden kennt. Wie also Kontakte knüpfen in einem fremden Land?
So wie es zu Hause auch funktionieren könnte – an Orte gehen, an denen sich Menschen tummeln, die ähnliche Interessen haben. Museen, Bars oder sogar Bustouren bringen Personen mit gleicher Leidenschaft zusammen.
Ihr steht auf Sportwetten? Geht in eine Bar, die Sport zeigt. Ihr liebt klassische Musik? Sucht ein Konzert auf. Ihr lest gerne? Ab in die Bibliotheken, Büchereien und ruhigen Cafés.
Das ist natürlich kein Allheilmittel. Für stark Introvertierte oder Schüchterne wird es trotzdem schwierig, mit Menschen ernsthafte Kontakte aufzubauen. Aber indem man überlaufene Orte meidet, an denen es zu laut, zu wild oder zu touristisch ist, macht man sich das Projekt „mit Menschen reden“ schon etwas leichter.
Online suchen
Das Internet hat viele dunkle Seiten, aber es bietet auch mindestens genauso viele Möglichkeiten. Wenn ihr also alleine losreist, dann steht dazu – ihr müsst nicht 1000 Menschen treffen und so tun, als wären die Verbindungen für’s Leben entstanden.
Qualität statt Quantität. Sucht auf Instagram, in Facebook-Gruppen oder in Foren nach Menschen, die ebenfalls alleine reisen oder die zumindest ähnliche Reiseschwerpunkte legen wie ihr. Wenn ihr introvertiert seid, dann wird euch ein Beitrag über die 5 besten Clubs in Barcelona nicht viel weiterhelfen.
Sucht stattdessen in Gruppen wie „Wandern in Spanien“ oder folgt ein paar Leuten auf Instagram, die bereits in eurer Zielregion unterwegs sind und nicht nur auf das perfekte Foto aus sind, Partys feiern oder an einem Tag 3 Städte besuchen.
Die Hemmschwelle für Internetkontakte ist häufig niedriger. Also warum das Wunder der Onlinekommunikation nicht nutzen, um die eigenen Sorgen etwas zu mildern?
So kann man Erfahrungen austauschen und vielleicht einige Reiseabschnitte mit jemandem teilen. Danach geht es alleine weiter, aber manchmal bleiben die Kontakte bestehen.
Unfairer Tipp zum Schluss: Reisen mit Hund
Es gibt dutzende Gründe, die euch daran hindern, mit einem Hund zu reisen. Impfungen, Gesetze, lange Flüge, hohe Kosten – oder ihr habt einfach gar keinen Hund. Aber da ich selbst so auf die Vierbeiner stehe, musste ich den Tipp noch anfügen.
Wenn ihr einen Hund habt, dann nehmt ihn mit! Man fühlt sich sicherer, geborgener und man ist niemals allein und muss trotzdem nicht mit Menschen reden. Wie geil ist das denn?
Soll ich alleine reisen?
Wer keinen Reisepartner hat oder keinen haben möchte, der tut gut daran, etwas mehr Zeit in die Planung seines Auslandsaufenthaltes zu stecken. Nur überhaupt nicht zu reisen, weil man alleine ist, das ist Unsinn.
Hoffentlich konnten meine Tipps euch ein wenig helfen und das Gefühl geben, dass eure Sorgen nicht lächerlich oder ausgedacht sind. Es nervt nämlich so richtig, wenn Extrovertierte oder sogar Leute, die selbst gar nicht wirklich reisen, einem erzählen wollen, dass man zu empfindlich ist oder sich zu viele Sorgen macht.
Was ist eure größte Angst, wenn ihr daran denkt, alleine zu reisen? Oder seid ihr sogar schon alleine unterwegs – wie geht ihr dann mit Gefahren oder dem Gefühl von Einsamkeit um?