Gib mir mehr Aufmerksamkeit. Leiste mehr. Sei besser. Hab dich nicht so. Diese und ähnliche Sätze passen sehr gut zu Menschen, die viel fordern. So gut wie jeder kennt solche Charaktere, die scheinbar nie genug kriegen und Ansprüche an ihre Mitmenschen (und manchmal auch an sich selbst) stellen, die kaum zu erfüllen sind. Sie rauben Kraft und Nerven.
Fordernde Menschen kommen in allen möglichen Varianten daher. Deshalb ist es auch schwer, sie alle in einem Artikel zu fassen. Versuchen wir es trotzdem? Ja. Unterschieden wird zwischen fordernden Menschen, die positiv wahrgenommen werden, und den Persönlichkeiten, die gemeinhin als toxisch und bevormundend gelten. Gleichzeitig soll der Umgang mit ihnen betrachtet werden – das gilt besonders für die Menschen, die anderen mit ihrer fordernden Art schaden.
Fordernde Persönlichkeit: Psychologie und Merkmale
Menschen, die viel von anderen fordern, haben meist höhere Ansprüche als der Durchschnittsmensch. Das Einfordern von Leistung und Aufmerksamkeit unterscheidet sie also von den Personen, die man nicht als fordernd beschreiben würde.
Anspruchsvoll ist das Merkmal, das wohl am ehesten als Begleiter für fordernde Persönlichkeiten gelten kann. Allerdings muss unterschieden werden: Es gibt auch anspruchsvolle Menschen, die an ihre Umwelt keine Forderungen stellen. Sie bilden sich ein Urteil über andere, wollen aber keinen Einfluss auf diese Personen ausüben. Fordernde Personen formulieren ihre Ansprüche. Manchmal direkt und rechtzeitig, manchmal auch nur in Form von Sanktionen, wenn diese Ansprüche nicht erfüllt wurden.
Beispiele für hohe Anforderungen:
- Ein Chef, der von seinen Mitarbeitern stets Überstunden erwartet.
- Eine Mutter, die nur bei guten Noten Zuneigung gewährt.
- Ein Freund, der erwartet, dass man zu jeder Tages- und Nachtzeit für ihn da ist.
- Eine Partnerin, die eine größere Wohnung, ein zweites Auto oder Schmuck will, um sich geliebt zu fühlen.
- Ein Kommilitone, der zwar beim Lernen hilft, aber dafür auch volle Aufmerksamkeit und Einsatzbereitschaft erwartet.
Wie an diesen Beispielen schon deutlich zu erkennen ist, gibt es nicht die eine fordernde Person. Somit kann auch nicht behauptet werden, dass es eine Patentlösung für den Umgang gibt. Menschen, die zu viel einfordern, sind ein Problem. Doch es gibt auch diejenigen, die viel fordern, um zu helfen, und die gleichzeitig sehr nett sind.
Fordernde Menschen: die positiven Charaktere
Bevor es um die ständig fordernden Menschen geht, die ihren Mitmenschen das Leben schwer machen, soll auf die positiven Charaktere geschaut werden. Bei ihnen ist das Anspruchsdenken keine Überheblichkeit und keine Waffe, um Druck auszuüben – es ist ein Mittel, um dem Umfeld Fortschritte zu ermöglichen.
Der fordernde Lehrer
Wählen wir das Beispiel in der Schule: Die besten Lehrer waren nicht die, die nur Spiele gespielt oder stundenlang von ihrem Privatleben erzählt haben. Für die meisten Schüler sind diese Lehrer zwar eine nette Abwechslung, aber wer ehrlich ist, der muss auch eingestehen, dass bei ihnen nicht viel gelernt wurde. Daher nennen viele Menschen andere Lehrer, wenn sie sich zurückerinnern. Nämlich diejenigen, die Ansprüche gestellt haben und gleichzeitig die Mittel an die Hand gegeben haben, um diese Ansprüche auch zu erfüllen.
Diese Lehrer haben die guten Noten nicht unbedingt gratis verteilt, aber sie haben sich stets die Mühe gemacht, Dinge zu wiederholen, zu erklären und zur Not auch noch einmal ein Einzelgespräch zu suchen. Wenn jemand mal eine Klausur in den Sand gesetzt hat, wurde nicht gemeckert oder gelacht, es wurden Anreize geschaffen. Diese positiv anspruchsvollen Lehrer schaffen es auch stets, dass sich Schüler gut fühlen, wenn sie sich ein wenig verbessert haben.
Der anspruchsvolle Freund
Ein zweites Beispiel ist der Freund, der Ansprüche stellt – und gleichzeitig viel gibt. Manche Menschen brauchen nun mal mehr Aufmerksamkeit. Entweder, weil es ihnen so besser geht, oder weil sie nun mal durch viele Lebenskrisen gehen. Das kann für die Freunde schon mal anstrengend sein.
Was den positiv fordernden Freund ausmacht, ist, dass er die gegebene Aufmerksamkeit auch immer zurückzahlt. Von besten Freunden wird nun mal erwartet, dass jedem geholfen wird. In diesem Fall können die Forderungen nach gemeinsamer Zeit und emotionalem Beistand mehr Nähe schaffen und die Freundschaft festigen.
Anspruchsvolle Menschen können die Welt besser machen
Mir war dieser kleine Einschub wichtig, um nicht generell zu behaupten, dass hohe Ansprüche oder ein fordernder Charakter ein Problem sind. Wenn sich diese Persönlichkeiten selbst auch an ihre eigenen Forderungen halten und gute Intentionen haben, dann erreichen sie viel Gutes.
Häufig fühlen wir uns zu diesen Personen auch hingezogen. In einer hochindividualisierten Gesellschaft kann es angenehm sein, wenn jemand motivierend ist und sich die Mühe macht, uns zu sagen, wie wir mehr aus uns machen können. Fordernde Menschen mögen nicht in jeder Situation die richtige Medizin sein, doch häufig verbessern sie das Leben, weil sie die Welt und die Menschen nicht einfach nur hinnehmen, sondern stets noch Schritte nach vorne sehen.
Ständig fordernde Menschen: die Probleme
Hier die schlechte Nachricht: Die positiv anspruchsvollen Menschen sind leider ziemlich selten geworden (oder waren es vielleicht auch schon immer). Die häufigere Variante, die vielen von uns so richtig den Tag vermiesen kann, sieht so aus: Hohe Ansprüche, schlechte Laune, niemals zufrieden, gerne bevormundend.
Ständig fordernde Menschen machen ihre Mitmenschen nicht besser oder glücklicher. Denn sie passen ihre Erwartungen nicht an die Umstände oder Personen an. Sie haben Ansprüche, die sie oftmals willkürlich definieren und auf andere übertragen – und leider halten sich viele von ihnen dann auch noch für starke Persönlichkeiten oder positive Antreiber.
Toxische Menschen, die nur nehmen und nicht geben
Wahrscheinlich hast du gerade an deinen Chef oder deine Chefin gedacht. Führungspersönlichkeiten sind sehr anfällig dafür, Ansprüche zu formulieren, ohne dabei einen echten Einblick in den Arbeitsalltag der Mitarbeiter zu haben. Alles soll besser werden – egal wie. Für Angestellte kann das frustrierend sein, wenn ein Dauerdruck aufgebaut wird, der realistisch gesehen auch nicht verschwinden wird.
Dann gibt es natürlich noch einen Klassiker, den viele von uns (früher) hören mussten: Was haben denn die anderen Schüler aus deiner Klasse? Diesen Satz dürfen Kinder über sich ergehen lassen, wenn sie eine gute Note mit nach Hause bringen. Das Grausame daran ist, dass er meist fällt, wenn ein Kind stolz auf eine verbesserte Note ist. Oder wenn der Test besonders hart war und die Note durchschnittlich. In solchen Momenten Vergleiche anzustellen, führt nicht dazu, dass Kinder sich mehr anstrengen – sie lernen nur, dass gefühlte Erfolge nichts wert sind, wenn sie nicht von anderen honoriert werden.
Ein letztes Beispiel wurde schon angeschnitten: fordernde Freunde und Partner. Wenn sie nicht auf gleiche Art für andere Menschen da sind, dann sind sie meist echte Energiefresser. Sie erwarten, dass sich jeder um sie sorgt. Manchmal emotional, manchmal finanziell, manchmal um das Ego zu streicheln. So oder so sind sie der Mittelpunkt des Universums und jeder, der das nicht anerkennt, ist (aus ihrer Sicht) undankbar, zickig, zu empfindlich oder soll sich mal nicht so haben.
Mit fordernden Menschen umgehen
Fordernde Persönlichkeiten können viel Kraft rauben. Denn ihren hohen Ansprüchen kann man gefühlt niemals gerecht werden. Da sie nicht situativ Erwartungen haben, sondern ständig mehr verlangen, sind sie eine dauerhafte Belastung für ihre Mitmenschen.
Es ist daher in vielen Situationen sinnvoll, sich diesen Ansprüchen zu entziehen. Leider geht das oftmals nicht so leicht. Doch wenn es möglich ist, dann sollte dieser Ausweg gewählt werden. Die toxischen Freunde, die ständig nehmen, aber niemals geben. Der Partner, der nur auf Geschenke und Lob aus ist, aber selbst weder etwas leistet noch viel zurückgibt. Die Firma, in der man nur auf die Mütze bekommt und in der keine Leistung jemals gut genug ist.
Jeder, der schon mal solche ständig fordernden Personen aus dem eigenen Leben geworfen hat, wird bestätigen können, dass es sich gelohnt hat. Denn erst, wenn man nicht mehr ständig unter dem Druck steht, verfügbar, besser oder präsenter zu sein, wird klar, wie viel Energie diese Menschen verlangen. Und die frei gewordene Zeit kann stattdessen für Personen genutzt werden, die dich zu schätzen wissen.
Fordernde Personen im privaten Umfeld
Aber was machst du, wenn du nicht einfach einen Schlussstrich ziehen kannst? Nicht jeder kann seinen Job kündigen, einen Partner einfach gehen lassen oder sich von Familienmitgliedern lossagen. Das macht die Sache viel komplizierter.
Ein erster Weg kann sein, das Gespräch mit der fordernden Person zu suchen. Du kannst ruhig erklären, warum es dich stört, wenn du ständig unter Strom stehen musst. Sag deinem Freund, dass du gerne für ihn da bist, er aber auch mal dir zuhören muss, wenn es dir schlecht geht. Oder rede mit deinem Chef darüber, dass du gerne Einsatz zeigst, es aber frustriert, wenn keinerlei positives Feedback zurückkommt.
In manchen Situationen hilft das schon. Denn viele fordernde Menschen bekommen einfach nicht die nötigen Rückmeldungen, um sich mal zu hinterfragen. Sie halten sich für motivierend – waren es vielleicht in der Vergangenheit auch – und müssen nun lernen, dass bestimmte Situationen mehr Feingefühl oder Ruhe gebrauchen können.
Leider wird das nicht immer so sein. Die Chancen stehen ziemlich gut, dass das Ansprechen der Probleme nur dazu führt, dass man von oben herab behandelt wird. Du sollst dich mal nicht so haben, es hat sich sonst auch keiner beschwert, du musst dir ein dickeres Fell zulegen, … das sind beliebte Antworten auf Kritik an fordernden Menschen.
Selbstschutz im Umgang mit fordernden Menschen
Ist bei den besonders anspruchsvollen Charakteren in deinem Leben auch nach einem Gespräch keine Veränderung zu sehen, muss der Selbstschutz beginnen. Einerseits bedeutet das: Abstand. Sowohl räumlich als auch emotional.
Räumlicher Abstand bedeutet zum Beispiel, Treffen mit Freunden abzusagen, wenn die fordernde Person schon wieder nach Aufmerksamkeit schreit. Im Beruf solltest du dich darüber informieren, was der Chef wirklich einfordern darf und was nicht – speziell im Blick auf Verfügbarkeit außerhalb der Arbeitszeit. Ständig fordernde Familienmitglieder besuchst du vielleicht seltener oder nur, wenn noch andere Personen dabei sind, die als Puffer dienen.
Emotionaler Abstand heißt, dass du nicht mehr allzu viel von dir preisgibst. Eltern, die ständig deine Entscheidungen kritisieren, brauchen sich nicht wundern, wenn du ihnen nichts von deinem neuen Partner oder einer Beförderung erzählst. Freunde, die immer nur nehmen und nicht geben, dürfen nicht mehr von dir erwarten, dass du für jedes noch so kleine Problemchen Mitleid verteilst.
Wenn andere Menschen niemals zufrieden mit dir, der Welt oder sich selbst sind, dann ist das deren Sache. Du darfst für dich selbst definieren, wann du genug leistest. Die Forderungen können andere gerne weiter formulieren, aber wenn du dich in Zufriedenheit übst und deinen eigenen Weg gehst, dann können sie sich den Mund fusselig reden – du weißt, was du an dir hast. Und die Chancen stehen gut, dass du bereits jetzt Menschen kennst, die das genau so sehen und dir bestätigen werden, dass sie dich so mögen, wie du bist, anstatt dir ihre Vorstellungen aufzudrücken.
Der Artikel hat mir viel Klarheit gegeben. Danke!