Ist es gut oder schlecht, wenn ich introvertiert bin? Diese Frage stellen sich viele Menschen, wenn sie zum ersten Mal von Introversion hören.
Die Antwort ist einfach: Extrovertierte und introvertierte Menschen können gute oder schlechte Leben führen. Dass sie (in Teilen) unterschiedliche Bedürfnisse haben, heißt nicht, dass sie es grundsätzlich leichter oder schwerer im Leben haben.
Aber das ändert nichts daran, dass es bestimmte Vorteile und Nachteile mit sich bringen kann, wenn Du introvertiert bist. Wie stark diese ausgeprägt sind, hängt von Deinem Lebensstil, Deinen Erfahrungen und vor allem von Deiner Umwelt ab.
Wir starten mit den Nachteilen, da ich ein Fan davon bin, die schlechten Nachrichten zuerst zu hören.
Welche Nachteile hat es, wenn man introvertiert ist?
Wie bereits erwähnt, können diese Nachteile für Dich relevant sein, sie müssen es aber nicht. Wer in einer verständnisvollen Umgebung aufwächst und Introvertiertheit als Teil der Persönlichkeit, nicht aber als Hindernis sieht, wird viele dieser Nachteile umgehen können.
Introvertierte werden oft missverstanden
Introvertierte sind nicht depressiv, ängstlich oder schüchtern. Ja, es gibt Introvertierte, die mit diesen Dingen zu kämpfen haben, doch grundsätzlich gehen sie nicht Hand in Hand mit Introversion. Leider denken das jedoch viele Menschen.
Die Zurückhaltung vieler Introvertierter wird als Angst interpretiert, die Stille als Schüchternheit oder das Desinteresse an Smalltalk als Unhöflichkeit. Andere sehen sich dann in der Rolle des Helfenden und empfehlen mehr Mut, mehr Sozialkontakte, mehr, mehr, mehr. Leider verstehen diese Menschen meist nicht, was es bedeutet, introvertiert zu sein und richten daher eher Schaden an.
Selbst die, die uns am nächsten stehen, wie Freunde oder Familie, können uns das Gefühl geben, wir wären komisch oder müssten mehr wie alle anderen sein.
Introvertierte sind anfällig für Stress
Umweltreize nehmen wir Introvertierten sensibler wahr als unsere ambivertierten oder extrovertierten Mitmenschen. Dadurch ist das alltägliche Leben für uns mit mehr Stress verbunden. Da viele Jobs und Hobbys Kontakt zu anderen verlangen, müssen Introvertierte ihre „sozialen Energietanks“ regelmäßig vollständig leeren. Das kann auf Dauer krank machen.
Sind soziale Berufe schwerer für Introvertierte?
Auch Introvertierte wollen in sozialen Berufen arbeiten. Leider gibt es dabei einige Aspekte, die es uns schwerer machen, diese Berufe auszuüben. So kann der Smalltalk zwischen den Stunden für einen Lehrer genau der Grund sein, warum er sich nicht wohlfühlt.
Auch in medizinischen Berufen, wo der Kontakt zum Patienten notwendig ist, geht für einen Introvertierten Energie verloren. Das nehmen viele in Kauf, weil sie für ihren Beruf brennen. Doch wer nicht vorsichtig ist und lernt, mit der Energie zu haushalten, der kann irgendwann den Antrieb verlieren oder außerhalb des Jobs auf Probleme stoßen.
Introvertierte erfahren Ablehnung
Es gibt Menschen, die Dir ins Gesicht sagen, dass es krank ist, wenn man mehr Zeit alleine als unter Menschen verbringt. Andere provozieren Dich immer wieder, nur um zu sehen, ob Du irgendwann durchdrehst. Das sind die offensichtlichen Idioten.
Neben ihnen gibt es aber auch noch diejenigen, die mit kleinen Spitzen das Selbstwertgefühl von Introvertierten nach und nach zu Staub zerbröseln. Ach, Du kannst ja auch mal reden. Ach, ich wusste ja nicht, dass Du auch was sagen wolltest. Ach, huch, da habe ich vergessen, Dich einzuladen, weil Du doch nicht so sozial bist…
Selbsthass und falsche Versprechen
Ein Grund, warum Introvertierte häufig als schüchtern gesehen werden, ist dass sie es mit der Zeit tatsächlich werden können. Denn wenn sie übersehen werden, ihre Meinung übergangen wird, weil sie nicht laut und auffällig genug sind, wenn sie zum Außenseiter erklärt werden, dann macht es ihnen wirklich keinen Spaß mehr, unter Menschen zu gehen.
(Ob das dann Schüchternheit ist oder nicht, erfährst Du hier: Ruhige Menschen werden unterschätzt)
Leider richten viele Introvertierte ihren Hass nach innen. Sie glauben auch, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Sie schauen auf YouTube Videos von Möchtegern-Selbsthilfe-Gurus, die verkünden, dass man einfach aufhören sollte, introvertiert zu sein. Sie lernen, ihre eigene Art zu verteufeln.
Welche Vorteile hat es, wenn man introvertiert ist?
Jeder Mensch kann auf Ablehnung stoßen, jeder Mensch kann an sich zweifeln. In Wahrheit gibt es nun mal Dinge, bei denen sich Introvertierte etwas mehr anstrengen müssen – soziale Kontakte pflegen oder wichtige Informationen aus oberflächlichen Gesprächen zu filtern.
Wer sich und seine Bedürfnisse jedoch erst einmal verstanden hat, kann alles meistern, was auch die Extrovertierten hinkriegen. Außerdem lernen wir Introvertierten dann zusätzlich, wie wir unsere Stärken ausspielen können.
Energiereserven managen
Haben Introvertierte erst einmal verstanden, was ihnen Energie raubt und wo und wann sie die Energie wieder auftanken können, haben sie schnell kein Problem mehr damit, besagte Energie gezielt einzusetzen.
Wenn die Party am Samstag ist, dann wird der Sonntag freigehalten – nicht nur für einen potentiellen Kater, sondern auch, weil Partys anstrengend sind. Steht hingegen ein großes Projekt auf Arbeit an, dann vergräbt sich der Introvertierte darin und vergeudet keine Zeit mit Smalltalk oder Belanglosigkeiten.
Qualität vor Quantität stellen
Die überwiegende Mehrheit der Introvertierten zieht Qualität der Quantität vor. Soll heißen, sie mögen Dinge, die gut funktionieren, gut durchgedacht sind, einen Sinn ergeben. Zeit zu verschwenden oder viele Dinge halbgar zu machen anstatt richtig, gefällt ihnen nicht.
Introvertierte erledigen etwas lieber gleich richtig. Das gilt auch für Freundschaften: Wer zu viele Freundschaften auf einmal hat, der kann nicht jede ausreichend pflegen. Daher haben Introvertierte wenige sehr gute Freunde, statt viele oberflächliche.
Introvertierte sind wundervolle Freunde und Partner
Introvertierte lieben es, zu beobachten, zuzuhören und zu verstehen. Das macht sie zu tollen Partnern und Freunden. Denn sie nehmen sich mindestens so viel Zeit für Dich wie für sich selbst. Das mag nicht immer so wirken, doch wie gesagt, Introvertierte verteilen ihre Aufmerksamkeit selten auf viele verschiedene Dinge oder Personen. Hast Du einen Intro erst einmal in Deinem Leben, kannst Du damit rechnen, dass er auch bleibt.
Noch nicht überzeugt? Hier sind 7 weitere Gründe, einen Introvertierten zu lieben.
Unter dem Radar fliegen
Nicht aufzufallen, kann eine tolle Sache sein. Der Hintergrund ist ein wundervoller Ort, an dem man beobachtet und sich aus den meisten Dramen raushält. Introvertierte operieren hier optimal und können effektiv sein.
Nicht wie alle anderen sein
Ja, es ist ein Klischee, doch Introvertierte sind halt nicht wie alle anderen. Sie sind auch nicht alle super individuelle und perfekte Schneeflocken. Doch es gibt schon Dinge, die heutzutage Normalzustand zu sein scheinen, bei denen Introvertierte einfach nicht mitmachen.
Stille auszuhalten, ist etwas, was viele nicht können. Diese Menschen reden lieber völligen Unsinn, als auch nur eine Minute mit ihren Gedanken alleine zu sein. Auch erst nachzudenken und dann zu reden, wird kaum noch praktiziert. In der Schule soll die Antwort aus der Pistole geschossen kommen und nicht etwa erst nach 10 Minuten.
Manch einer verliert gar seine Persönlichkeit, da er permanent von anderen umgeben ist und ständig eine Rolle spielen muss. Wer sich keine Zeit für sich nimmt, kann sich selbst nicht mehr erkennen. Ein selbstbewusster Introvertierter reflektiert regelmäßig und versteht sich gut genug, um eben nicht anhand seiner Gesellschaft seine Persönlichkeit zu verändern.
Wer einen Introvertierten nicht für seine Art liebt, der muss gehen. Künstlich Freundschaften am Leben zu erhalten, kostet sie nur Energie, also machen viele genau das nicht. Stattdessen halten sie zu den guten Freunden, zu dem treuen Partner und zu ihrer liebenden Familie.
Ist introvertiert sein nun gut oder schlecht?
Ja. Introvertiert sein, kann schlecht sein, wenn man nicht weiß, wie man sich verhalten soll, oder wenn die Mitmenschen kein Verständnis aufbringen. Ja, introvertiert sein, kann sehr gut sein, wenn es darum geht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und nicht mit dem Strom zu schwimmen.
Doch was wir wirklich mit unserer Introversion machen, bleibt eine individuelle Frage. Also gibt es keine eindeutige Antwort. Nur eines muss klar gesagt werden: Introversion ist eine innere Ausrichtung, die nichts Schlechtes ist. Wer Dir sagen will, dass Du „falsch“ bist oder extrovertiert werden musst, hat entweder keine Ahnung oder möchte nur an Dein Geld.
Hier ein schönes Lied von Kopfstimme zu dem Thema: Introvertiert Song.
Danke für diesen tollen Post! Ja, introvertiert sein ist definitiv erstmal nichts schlechtes, oft ist es auch etwas wundervolles. Ich bin selbst auch introvertiert und hab es erstmal als etwas gesehen, das ich gerne ändern wollte, aber mittlerweile hab ich es echt zu schätzen gelernt!
Hi Anna,
super Nachricht! Mir ging es genauso – am besten wollte ich der selbstbewussteste Extrovertierte der Welt werden. Dann habe ich gelernt, meine introvertierte Art zu schätzen und zack! ging es mir direkt besser. Es ist immer schön, wenn mehr Menschen Introversion mit all ihren Vorteilen und Nachteilen verstehen.
Liebe Grüße
Jennifer
Hallo Jennifer, ich hab dein Bericht gerade gelesen und finde mich da wieder. Jahrelang wusste ich nicht, dass ich introvertiert bin, das weiß ich erst seit letztem Jahr. Häufig dachte ich auch, dass mit mir was nicht stimmen würde oder ich mehr unter Leute sollte, was ich oft in dieser Zeit zu hören bekam. Das introvertiert sein hab ich jetzt immer mehr akzeptiert und das ist gut so. Wünsche dir und allen, die das lesen, alles Gute.
Hi Claudia, es freut mich sehr, dass du deine introvertierte Art nun zu schätzen weißt! Und danke auch, dass du deine Gedanken teilst – das ist für Leser und natürlich auch für mich eine Bereicherung! Liebe Grüße