Erinnerst du dich noch an deine Schulzeit? An die stickige Luft in den überfüllten Klassenräumen, an das gänsehauterzeugende Quietschen der Kreide an der Tafel und an das laute Geschrei deiner Mitschüler?
Vielleicht ist die Schulzeit bei dir schon lange her oder du stehst gerade erst vor dem Abschluss.
So oder so bleiben die Erlebnisse dieser Zeit jedem von uns meist lebhaft in Erinnerung.
Ich erzähle euch heute von meiner – nicht ganz so typischen – Schullaufbahn und wie ich diese so prägende Zeit als introvertierter Mensch wahrgenommen habe.
Ein Gastbeitrag von Alina Krause
Der Intro und die Schule
Jeder, der selbst introvertiert ist oder mit Menschen zu tun hat, die es sind, kann es sich vermutlich bereits denken: Die Schule ist für uns Intros oft kein Zuckerschlecken. Es beginnt schon mit dem Umfang der Klassengemeinschaften: Meistens befinden sich allein in der Grundschule 25 – 30 Kinder in einer Klasse. Der Schulalltag geht laut, bunt und häufig ziemlich rabiat zu. Die ruhigen, zurückhaltenden Kinder gehen da schnell unter.
Auch mir erging es in der Grundschule nicht anders. Ich war das ruhige, blasse Mädchen mit der uncoolen Brille, das sich kaum traute, etwas zu sagen und in den Pausen oft allein auf dem Schulhof stand. Mit meinen Mitschülern konnte ich nichts anfangen, sie waren zu aufgedreht, zu hektisch, zu übertrieben. Nicht mal für die klassischen Schulhofspiele wie Völkerball oder „Jungen fangen Mädchen“ konnte ich mich begeistern. Nichts davon fühlte sich richtig an. Je mehr ich mich zurückzog, desto unbeliebter wurde ich.
Leider fällt uns Intros die Beliebtheit nicht gerade in den Schoß, nicht wahr? Mehr dazu im Beitrag: Warum werden ruhige Menschen abgelehnt?
Zu meinem Glück fand irgendwann im Laufe der ersten Klasse ein Mädchen zu mir, das fast ebenso still war wie ich, und sprach mich an. Wir wurden augenblicklich Freunde und bestritten den anstrengenden Schulalltag von da an gemeinsam. Eine unzertrennliche Einheit, die sich gegenseitig unterstützte und ergänzte. Immer wieder beklagten Lehrer, wie still ich sei und dass ich doch auch mal auf andere Mitschüler zugehen solle. Aber ich mochte sie nicht – und sie mochten mich nicht. Nur das schlaksige Mädchen verstand mich.
Damals war mir das noch nicht so richtig bewusst, aber heute bin ich sehr froh darüber, dass sie an meiner Seite war.
Das Gymnasium
Doch nach der vierten Klasse kam es, wie es kommen musste – wir gingen auf unterschiedliche weiterführende Schulen und ich musste mich abermals allein durchschlagen. Der Teufelskreis ging von vorne los: keine Freunde, blöde Sprüche, wenig Selbstbewusstsein.
In der sechsten Klasse bekamen wir einen Neuzugang: rote Haare, auffällige Ohrringe, Emo-Look. All das, womit ich nie etwas zu tun haben würde. Dachte ich. Anfangs sah es auch danach aus, als ob sie sich besonders gut mit den quirligen Pferdemädchen verstehen würde, die mir das Leben zur Hölle machten. Aber irgendwann verging die anfängliche Neugier an der Neuen und sie stand genauso allein da wie ich. Wir kamen ins Gespräch und verstanden schon bald, dass wir die Außenseiter in dieser Klasse waren. Also machten wir das Beste daraus und taten uns zusammen. Unter ihrem Schutz traute ich mich endlich, aus meinem steinernen Kokon auszubrechen.
Schminke, Jungs, ein neuer Look, die erste Zigarette – all diese Dinge erlebte ich mit ihr. Obwohl ich gegenüber Autoritäten immer noch recht schüchtern war, schaffte ich es mit ihrer Hilfe doch, auch ab und zu mal zu rebellieren. Schule schwänzen, zu spät kommen, die Hausaufgaben vergessen … all das hätte ich mir früher in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Wir verbrachten jeden Tag miteinander, nicht nur in der Schule, sondern auch außerhalb. Es gab uns immer nur im Doppelpack.
Irgendwann wurde uns vermutlich genau das zum Verhängnis. Wir begannen, uns langsam, aber sicher in entgegengesetzte Richtungen zu entwickeln. Ich war letztlich immer noch das stille Mädchen, das nicht richtig aus sich herauskam und sich viel zu viele Sorgen um alles machte. Für sie hingegen war alles ein Spiel. Sie wollte auffallen, cool sein, mit allem, was sie tat und dachte, aus der Masse herausstechen. So kam es, dass unsere Freundschaft in der 10. Klasse mit einem schmerzhaften Knall zerbrach. Während sie bereits eine neue Freundin gefunden hatte, war ich wieder allein.
Neustart in einem alten, verhassten Umfeld. Ich fühlte mich zunehmend unwohler in meiner Haut, meine Noten wurden immer schlechter und phasenweise ging ich überhaupt nicht zur Schule. Wo war mein Ehrgeiz geblieben? Ich wusste, wenn ich zu diesem Zeitpunkt mein Abitur gemacht hätte, hätte ich es entweder in den Sand gesetzt oder nur mit Ach und Krach bestanden. Keine der beiden Möglichkeiten kam für mich infrage, dafür war ich tief in meinem Inneren viel zu zielstrebig. Also ging ich nach der 11. Klasse vom Gymnasium ab und fing eine Ausbildung zur Notarfachangestellten an.
Auf dem Weiterbildungskolleg
Aber auch diese neue Station sollte nicht die letzte für mich gewesen sein. Immer wieder sehnte ich mich danach, Abitur zu machen und zu studieren. Nach der eher mittelmäßig bestandenen Ausbildung machte ich mich daher auf die Suche nach einer Möglichkeit, mein Abitur nachzuholen. Durch Zufall fiel mir ein Weiterbildungskolleg in der Nachbarstadt ins Auge, die meinen Vorstellungen entsprach. Da der Weg mit Bus und Bahn von zuhause aus zu lang gewesen wäre, entschloss ich mich kurzerhand dazu, umzuziehen.
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, bin ich immer noch über mich selbst erstaunt, dass ich das so durchgezogen habe. Ich habe mich mit so einigen, ganz alltäglichen Dingen schwergetan – aber meine Zelte abzubrechen und irgendwo neu anzufangen, damit hatte ich noch nie ein Problem. Bestimmt hast du solche Situationen auch schon mal erlebt, in denen du dich über deinen eigenen Mut gewundert hast. Es ist doch immer wieder schön zu sehen, zu was man fähig sein kann, wenn man sich nur traut.
Damit zurück zu mir – ich war 20 und plötzlich war alles anders: eine neue Stadt, eine eigene Wohnung und der Plan, noch einmal die Schulbank zu drücken. Das war alles sehr überwältigend und anfangs machte ich mir auch noch Sorgen, ob ich mit den anderen Leuten dort zurechtkommen würde. Doch als es dann endlich losging, besann ich mich ganz auf mich selbst und nahm mir vor, mich einfach nur auf mich und meine Noten zu konzentrieren. Ich war vorrangig hier, um ein gutes Abitur zu machen und nicht, um Freunde zu finden. Vielleicht war genau das der Trick, der alles änderte. Ich setzte mich nicht unter Druck. Ich kam in die neue Klasse, in der sich an guten Tagen gerade mal 16 Leute zusammenfanden.
Und sie waren alle aus dem gleichen Grund da: Um etwas für sich zu erreichen. Plötzlich wurde ich für meine Mühen anerkannt, statt die uncoole Streberin zu sein. Meine Mitschüler waren größtenteils nett und umgänglich, die Atmosphäre ruhig und vertraut. Wir wuchsen als Klassengemeinschaft zusammen und auch ich fand meinen Platz. Es gab niemanden, der beliebter als der Rest gewesen wäre. Ich wurde akzeptiert, wie ich war. Und mit einem Mal kam alles wie von selbst: Ich ging gerne zur Schule, lernte viel und meldete mich nach der ersten Eingewöhnungszeit immer dann, wenn ich etwas zu sagen hatte.
So bestand ich mein Abitur mit einem Notendurchschnitt von 1,8. Und als Kirsche auf der Sahnetorte fand ich in dieser Klasse auch noch meinen Partner, mit dem ich bis heute zusammen bin.
Was ich dir damit sagen will, wenn du bis hierhin gelesen hast, ist – gib‘ nicht auf. Schule, Studium, Beruf … all das mag dir manchmal endlos und unveränderbar vorkommen. Aber das ist es nicht. Nimm all deinen Mut zusammen und ändere es, wenn du nicht zufrieden bist. Zweifel nicht an deinen Fähigkeiten, denn manchmal braucht es einfach nur das richtige Umfeld, um sie entfalten zu können. Vertraue deinem Bauchgefühl und tu es!
Be yourself – be intro.