Warum Introvertierte andere Introvertierte brauchen

Vor Kurzem erwähnte ich bei einem Skype-Treffen mit Freunden, dass ich auf Discord unterwegs bin, weil dort ein Server für Introvertierte existiert. Eine Freundin vermutete richtig, dass ich ihn ins Leben gerufen hatte und fragte (halbernst), ob sie nicht dabei sein könnte.

Das Problem? Sie ist nicht introvertiert, ganz im Gegenteil. Und während ich es hasse, wenn Introvertierte und Extrovertierte sich als völlig unterschiedliche Spezies sehen, die streng voneinander getrennt werden müssen, in dem Moment erklärte ich doch, warum das keine gute Idee ist.

Wie sich die Welt für Introvertierte anfühlt

Die meisten introvertierten Menschen erfahren in ihrer Kindheit, Jugend und im Alltag (als Erwachsene), dass sie „anders“ sind. Das bedeutet, sie lernen gewisse Regeln der Welt kennen, denen sie sich anpassen, obwohl es sich irgendwie komisch oder falsch anfühlt.

Beispiele für Regeln, die Introvertierte abschrecken:

  • Es ist immer gut, viele Freunde zu haben.
  • Wer am Samstagabend alleine zu Hause sitzt, ist komisch.
  • Alleine zu sein, heißt, einsam zu sein.
  • Wer sich gut verkauft, muss gar nicht qualifiziert sein.
  • Selbstdarsteller kommen weiter im Leben.

Einige dieser vermeintlichen Regeln werden laut ausgesprochen („Du brauchst mehr Freunde!“) und andere sind eher erfahrungsbasiert („Selbstdarstellung ist wichtiger als alles andere.“). Was sie gemeinsam haben, ist, dass sie Introvertierten vermitteln, dass ihre natürlichen Instinkte falsch sind.

Denn natürlich fühlt sich für viele Introvertierte eher Folgendes an:

  • Erst denken, dann reden.
  • Ein guter Freund ist mehr wert als fünf Bekanntschaften.
  • Zeit alleine zu verbringen, ist eine gute Sache.
  • Oberflächlichkeit nervt.
  • Stille ist gut.

Diese Diskrepanz führt dazu, dass Introvertierte auf der Suche nach „Orten“ sind, an denen ihre Regeln gelten. Das kann ein Buchclub sein, ein Freundeskreis oder auch die eigene Familie.

Brauchen Introvertierte „Safe Spaces“?

Safe Spaces sind Orte, an denen marginalisierte Gruppen zusammenkommen und unter sich sein können. Ich persönlich mag die Idee, sie ist aber für Introvertierte nur bedingt umzusetzen. Denn Introvertierte haben es zwar schwer, in der modernen Gesellschaft zu bestehen, das ist aber für mich persönlich auf keinen Fall mit Diskriminierung gleichzusetzen.

Was aber trotzdem richtig ist, ist, dass Introvertierte auch mal unter sich sein müssen. Das sieht man auf einer Party, wenn sich zwei Introvertierte in eine Ecke verkriechen und etwas hämisch auf die Selbstdarstellung und Extravaganz ihrer Umgebung schauen. Heutzutage lassen sich solche „Orte“ aber auch online finden.

Ich habe schon so häufig von Introvertierten gelesen, die sich hier auf dem Blog, in einem Forum oder in Social Media Gruppen unglaublich wohl fühlen. Warum? Weil sie unter Gleichgesinnten sind. Das heißt nicht, dass alle Introvertierten gleich sind, es heißt aber, dass typische Erfahrungen ausgetauscht werden können.

Und das hat nicht nur Auswirkungen auf Fragen zum Thema Introversion. Auch über Bücher wird hier etwas anders diskutiert, über Filme, über Politik. Da grätscht dann keiner dazwischen und meint: Du brauchst mehr Freunde. Hab dich mal nicht so. Etwas alleine zu machen, lohnt sich doch gar nicht.

unter introvertierten

Meine Empfehlung für Introvertierte, die andere Introvertierte suchen

Jeder Introvertierte sollte zumindest ausprobieren, wie es ist, unter Introvertierten zu sein. Das wird sich nicht für jeden dauerhaft lohnen. Manche Menschen sind mit ihrem Leben einfach zufrieden. Ein verständnisvolles Umfeld kann dafür sorgen oder ein erfolgreiches Berufsleben oder Liebe.

Aber es ist trotzdem mal ganz angenehm, Kommunikation zu sehen, die nicht extrovertiert geprägt ist. Meine Tipps für jeden, der es mal ausprobieren möchte: Facebook, Discord, Foren. 

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