Menschen, die oberflächlich sind, haben weder Substanz noch Tiefgang. Daraus folgt: Niemand mag oder braucht Oberflächlichkeit – eine Aussage, die ironischerweise sehr oberflächlich ist.
Viele Menschen glauben, dass die Welt immer oberflächlicher wird. Oder eher: Dass Menschen immer oberflächlicher werden. Das empfinden sie als große Belastung. Denn ohne Substanz, gibt es keine Verlässlichkeit, wenig Weiterentwicklung und kaum etwas, was sich bedeutsam anfühlt.
Aber welche Eigenschaften haben eigentlich diese vermeintlich vielen oberflächlichen Menschen und wie erkennst du sie? Das versuchen wir mal gemeinsam herauszufinden. Spoiler-Alarm: Oberflächlichkeit kann manchmal sinnvoll und positiv sein. Manchmal.
Eigenschaften von Menschen ohne Tiefgang
In einem Anfall von Wut über den Zustand der Welt lassen wir uns schon mal dazu hinreißen, alle Menschen als oberflächlich zu bezeichnen. Die ganze Gesellschaft ist doch voll davon, oder? Ganz so einfach ist es nicht. Also gilt es erst einmal, die signifikanten Eigenschaften der Oberflächlichkeit zu definieren.
Oberflächliche Menschen führen oft billigen Smalltalk
Am häufigsten fällt uns Oberflächlichkeit wohl in persönlichen Gesprächen auf. Denn die meisten Kontakte, die wir haben, sind geprägt von Smalltalk. Also Gerede über so allgemeine Themen, dass die Chancen gut stehen, dass problemlos ein Gespräch zustande kommt. Das ist grundsätzlich erst mal gut, denn um mit Fremden oder Bekannten zu reden, ist Smalltalk praktisch.
Auf der anderen Seite ist ständiger Smalltalk auch richtig anstrengend. Denn er ist leeres Gerede. Du lernst nichts Neues, vertiefst keine Gedanken und kennst die andere Person danach nicht besser. Einige Menschen betreiben einfach immer und ständig Smalltalk – und dadurch wirken sie nun mal oberflächlich.
Um wirklich, wirklich diesen Stempel zu bekommen, braucht es aber (aus meiner bescheidenen Sicht) noch mehr. Solltest du mit so einer Person ein tieferes Gespräch beginnen und nach Tiefgang und einer Verbindung suchen, es kommt aber einfach nichts zurück – dann erst sollte wirklich klar sein, dass jemand dazu nicht in der Lage ist oder nicht gewillt ist. Smalltalk allein ist noch kein gutes Anzeichen von Oberflächlichkeit.
Es fehlt an Substanz
Oberflächlichkeit als Merkmal bedeutet ebenso, dass es jemandem an Substanz fehlt. Das heißt, es ist schwer zu erkennen, was jemanden eigentlich ausmacht. Die Persönlichkeit scheint sich entweder ständig zu ändern oder es mangelt überhaupt an klaren Eigenschaften.
Wer so jemanden trifft, könnte selbst nach mehreren Stunden mit Gesprächen nicht sagen, wofür der Mensch steht oder fällt. Was für Träume er hat oder wovor er sich fürchtet. Manchmal denken diese Personen über größere Fragen des Lebens einfach nicht nach – oder sie wissen nicht, wie sie ihre persönlichen Antworten kommunizieren sollen. Manchem fehlt auch schlicht das Bedürfnis danach, Tiefgründigkeit zu haben oder auszustrahlen.
Eitelkeit und Vergleich gehören dazu
Fehlender Tiefgang im Gespräch und in der Persönlichkeit reichen theoretisch schon, um jemanden als oberflächlich wahrzunehmen. Typischerweise wird der Begriff aber auch urteilend genutzt – dann geht es oft um Personen, die „unwichtigen“ Dingen große Bedeutung zuweisen. Unwichtig ist natürlich relativ, aber gesellschaftlich haben wir uns da doch auf ein paar Faktoren geeinigt.
Typisch oberflächlich sind Obsessionen mit:
- dem eigenen Aussehen
- Prominenten
- berühmten Bekanntschaften
- Klatsch und Tratsch
- Geld und Status
- romantischen Eroberungen
- dem Ansehen des sozialen Umfelds
Wichtig ist hierbei, dass diesen Dingen überzogen viel Bedeutung zugewiesen wird. Emma Watson auf Instagram zu folgen, mal ein wenig zu tratschen oder mit den eigenen Flirtkünsten anzugeben, macht noch niemanden oberflächlich. Aber wenn diese Dinge extrem viel Zeit und mentale Energie einer Person besetzen, wirkt das alles andere als gehaltvoll.
Mangelndes Verantwortungsbewusstsein
Ein typischer Nebeneffekt von Oberflächlichkeit ist, dass keine Verantwortung übernommen wird. Denn wer sich nicht tiefergehend mit den Problemen der Welt, den Sorgen seiner Freunde oder den Wünschen eines Partners befasst, der hat gute Chancen, nichts davon ernst zu nehmen.
Es ist nicht untypisch, dass wir Verantwortung zurückweisen oder Fehler nicht eingestehen wollen – das geht vielen so. Aber im Zusammenhang mit Oberflächlichkeit kann das so schlimm sein, weil sich einfach nicht mit den Hintergründen befasst wird. Die Gefühle und Gedanken anderer Menschen sind diesen Personen zu anstrengend, zu kompliziert, zu unbedeutend. Also können sie auch drauf rumtreten, denn sie verstehen nicht (oder wollen nicht verstehen), was eigentlich das Problem ist.
Anzeichen für eine oberflächliche Beziehung
In allen persönlichen Beziehungen kann Oberflächlichkeit auftreten. In einigen ist das kein großes Problem. Unter Kollegen muss nicht das Kindheitstrauma besprochen werden und man darf auch immer wieder auf Smalltalk als Hilfsmittel zurückgreifen. Aber in Freundschaften und Liebesbeziehungen ist das weniger schön.
Anzeichen für Oberflächlichkeit in einer Beziehung:
- Es werden immer dieselben Themen besprochen.
- Die Außendarstellung der Beziehung ist wichtiger als die Beziehung selbst.
- Stille ist unangenehm und wird mit Smalltalk oder dem Smartphone überspielt.
- Für Gefühlsbekundungen wird nur auf Phrasen zurückgegriffen.
- Gespräche über tiefergehende Fragen und Probleme werden abgeblockt oder enden im Streit.
In manchen Situationen ist es nicht schlimm, eine oberflächliche Beziehung zu jemandem zu haben. Manchmal kommt das zum Beispiel vor, wenn man eigentlich nur einen gemeinsamen Freundeskreis hat und sonst nie etwas miteinander zu tun gehabt hätte. Und romantische Beziehungen dürfen (wenn beide davon wissen) auch nur für Dinge genutzt werden, die keinerlei tiefere Gefühle verlangen.
Problematisch wird es, wenn oberflächliche Beziehungen schon lange halten und plötzlich die Erkenntnis durch die Haustür poltert: Verdammt, auf diese Person könnte ich mich nie verlassen und wir wissen eigentlich nichts Wichtiges voneinander.
Mit oberflächlichen Menschen umgehen
Sagen wir mal, all die Relativierungen und Anmerkungen sind völlig irrelevant – weil du definitiv oberflächliche Personen in deinem Leben hast, mit denen du nicht umzugehen weißt. Dann helfen hoffentlich die folgenden drei Tipps.
Ihre Existenz akzeptieren
Als allererstes solltest du Oberflächlichkeit als Teil des Lebens akzeptieren – und dann auch oberflächliche Menschen einfach als gegeben annehmen. Denn: Flüchtige Gespräche und inhaltsleere Interessen sind manchmal notwendig. Manch einer begeistert sich für Trash TV, weil er den Ausgleich braucht. Manch anderer führt Smalltalk, weil er sozial gehemmt ist und nur so klarkommt.
Versuche nicht zu sehr darüber nachzudenken, wie schlimm Oberflächlichkeit ist. Das hilft dir nicht. Im Gegenteil: Du gerätst in einen Strudel der Verzweiflung. Gerade empathische Menschen können sich hier selbst schaden. Und das Schlimmste daran ist, dass es den oberflächlichen Personen nicht egaler sein könnte.
Also atme tief durch und nimm einfach hin, dass es immer Menschen geben wird, die dir mit ihrer Oberflächlichkeit auf den Sack gehen. Versuche es weniger an dich heranzulassen und stattdessen andere Kontakte und Beziehungen zu fördern.
Emotionale Distanz wahren
Wie kann man sich überhaupt distanzieren? Verstehe, dass du nicht in der Lage bist, aus einem oberflächlichen Menschen einen tiefgründigen Menschen zu machen. Zumal das auch nicht deine Aufgabe ist. Ich verstehe ja das Bedürfnis – gerade dann, wenn die Person stark mit deinem Leben verworren ist.
Aber zur persönlichen Freiheit gehört auch dazu, dass manche Menschen sich über die Followerzahl auf Instagram definieren und niemals jemanden daten würden, der nicht zu ihrem Image passt. Diese Menschen sind ironischerweise oft glücklicher als diejenigen, die sich viele Gedanken über alles und jeden machen. Also lass sie machen – je weniger du dich aufregst, umso weniger Macht haben sie über dich.
Nicht auf Spielchen einlassen
Trifft Oberflächlichkeit auf einen miesen Charakter, ist die Sache schwerer. Dann wollen diejenigen dich oft in ihr Drama mit reinziehen. Die Intriganz am Arbeitsplatz, die hinterhältigen Freunde, die Familienmitglieder, die dich dazu zwingen, ihre geistlosen Geschichten anzuhören – die verlangen von dir, dass du sie wahrnimmst.
Für sie sind die Dinge, die du als oberflächlich empfindest, total wichtig. Erlaube es ihnen, dreh dich um und geh. Oder widersprich ihnen, ohne dich zu erklären. Gerade hinterlistige Menschen wollen oft, dass du dich mit ihnen streitest. Aber denk dran: Du wirst sie nicht ändern, also musst du dich nicht mit ihnen herumschlagen. Sag deine Meinung, erkläre maximal noch, woher sie kommt, aber das war es dann auch. Jede Minute, die du an einen oberflächlichen Menschen gibst, ist eine verlorene Minute – denn du könntest sie mit wichtigeren Dingen verbringen.
Gibt es nur noch oberflächliche Menschen?
Viele von uns glauben, dass die Gesellschaft immer oberflächlicher wird. Influencer, Konsumwahn und eine ziemlich stark von Hass geprägte Kommunikationskultur im Internet (und im realen Leben) lassen das vermuten. Aber was ist dann mit Klimaprotesten junger Menschen, Herzlichkeit durch Social Media und den ganzen Menschen, die sich in Achtsamkeit und Minimalismus üben?
Die moderne Welt macht es leichter, nur auf Aussehen und Ansehen zu schauen. Gleichzeitig ist die Welt so unglaublich komplex geworden, dass es völlig überfordernd sein kann, sich mit allen vermeintlich wichtigen Themen zu befassen. Zur selben Zeit ist der Zugang zu Wissen einfacher denn je. Neue Gemeinschaften entstehen durch das Internet und Social Media.
Ich würde nicht behaupten wollen, dass Menschen generell oberflächlicher werden. Eher würde ich es so ausdrücken: Wir sind mit so vielen Themen und Menschen konfrontiert, dass wir unmöglich über alles und jeden Bescheid wissen können – das sorgt dafür, dass wir oft einfach nicht verstehen, warum jemand anderes sich nicht für die wichtigen Dinge des Lebens interessiert. Nur was die wichtigen Dinge sind, sieht nun mal für jeden anders aus.
Leider führen Stress und Überforderung bei vielen Menschen dazu, dass sie sich einfach mit gar nichts mehr tiefergehend befassen wollen, sondern sich mit Mediengedöns berieseln lassen und Meinungen nachplappern, anstatt sie selbst zu entwickeln. Aber das kommt meist in Phasen, trifft nicht auf jeden zu und ist somit nicht genug, um Oberflächlichkeit zur Volkskrankheit zu erklären.
Ist es okay, oberflächliche Menschen zu hassen?
Viele Menschen verabscheuen Oberflächlichkeit mit jeder Faser ihres Körpers. Allerdings haben sie dabei meist einen konkreten Ansatzpunkt. Es gibt unzählige Arten von Oberflächlichkeit – nicht jede empfinden wir dabei gleich schlimm.
Das verstehen Menschen oft unter hassenswerter Oberflächlichkeit:
- Gleichgültigkeit gegenüber den Leiden von Minderheiten
- Unreflektierte Wiedergabe von nicht belegbaren Informationen
- Hinterhältiges Verhalten und Lästereien
- Karrieregeilheit auf Kosten anderer Menschen
- Dummheit auf einem absurd hohen Level
Das ist alles verdammt subjektiv. Ja, das gilt selbst für die unreflektierte Wiedergabe von Bullshit aus dem Internet – natürlich sind Fakten da oftmals objektiv falsch. Aber ob das als Problem und als Oberflächlichkeit verstanden wird, das ist eine Wahrnehmungssache. Darüber, ob Dummheit eigentlich hassenswert ist, habe ich hier geschrieben: Warum gibt es so viele dumme Menschen?
Ich kann dir nicht sagen, ob deine Form von Abneigung gegen Oberflächlichkeit richtig oder falsch ist. Es lassen sich Argumente dafür finden, dass Oberflächlichkeit zu den am einfachsten zu ignorierenden menschlichen Eigenschaften gehört – zum Beispiel im Vergleich zu Hinterhältigkeit. Genauso gut lässt sich sagen, dass Oberflächlichkeit ja jederzeit ablegbar wäre und es deshalb umso perverser ist, wie präsent sie zu sein scheint.
Menschen sind manchmal wie Chipstüten: Drinnen ist mehr Luft als erwartet
Einfache Antworten auf die Fragen über oberflächliche Menschen wären in diesem Artikel wohl definitiv fehl am Platz gewesen. Hoffentlich konntest du dich trotzdem etwas weiter in das Thema einarbeiten und verstehen, wie kompliziert es eigentlich ist, jemandem – oder der Gesellschaft – den Stempel „oberflächlich“ aufzudrücken. Ich kann nur empfehlen, die bedeutsamen Menschen und tiefgründigen Gespräche zu fördern – das lässt automatisch weniger Zeit für all den oberflächlichen Mist in deinem Leben.