Menschen die nicht merken dass sie nerven: Was tun?

Die deutsche Sprache bietet viele Möglichkeiten, um nerviges Verhalten zu umschreiben. So kann dir jemand auf den Sack gehen. Dir den letzten Nerv rauben. Jemand hat wohl den Knall nicht gehört. Plagegeister, Störenfriede und Nervensägen kennen wir wohl alle.

Aber nur selten fragen wir uns, woher das eigentlich kommt. Sind Menschen einfach so? Warum stören sie sich nicht daran, wie sie sind? Gerade zurückhaltendere Menschen, die nicht sofort auf andere zugehen und schon gar nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen wollen, wissen gar nicht, wie man anderen einfach auf den Keks gehen kann, ohne sich dabei schlecht zu fühlen.

Also gehen wir jetzt mal auf Ursachenforschung. Interessanterweise gibt es nämlich etliche Ansatzpunkte, die alle wichtig sind. Denn wenn du bei jemandem Rücksichtslosigkeit vermutest, der es nicht besser weiß, richtest du vielleicht Schaden an. Und wenn du glaubst, jemand wisse es nicht besser, der dich aber bewusst übergeht, dann gibst du zu viel Freiraum. Eine verzwickte Situation!

menschen die nicht merken dass sie nerven
Wir alle treffen mal auf Nervensägen – aber was ist, wenn jemand einfach nicht aufhört zu nerven?

Gründe für fehlendes Verständnis der eigenen Wirkung auf fremde Nerven

Je mehr wir wissen, umso eher können wir eine gute Entscheidung treffen. Somit musst du erst wissen, warum jemand nervt, bevor du wissen kannst, was du dagegen tun kannst oder solltest.

Fehlendes Verständnis von sozialen Hinweisen

Der allererste Punkt ist eigentlich gleich der wichtigste. Wenn wir von Menschen sprechen, die nicht merken, dass sie nerven, dann geht es manchmal um Personen, die das gar nicht bemerken können. Besonders zu nennen sind hier Menschen mit Autismus. Aber halt: Autismus ist ein Spektrum und somit wird das nicht auf alle Menschen zutreffen. Bitte nicht die einfachste Antwort wählen, wegklicken und alle, die dich nerven, direkt als autistisch bezeichnen.

Aber es gibt eben auch Menschen mit Autismus, die keinerlei soziale Hinweise lesen können. Wenn du schon auf deine Uhr guckst, tief durchatmest oder sogar weitergehst, um ein Gespräch zu beenden, dann sagt das für Menschen mit fehlenden Social Skills rein gar nichts über deinen Gemütszustand aus. Viele Menschen mit Autismus sind selbst sehr direkt. Sie würden von dir also erwarten, dass du ihnen sagst, wenn sie nerven. Solange du das nicht tust, gehen sie davon aus, dass sie weiter deine Aufmerksamkeit haben.

Soziales Feedback ist nicht so wichtig

Es gibt Menschen, die könnten theoretisch bemerken, dass sie dich nerven, aber sie nehmen sich nicht die Zeit dafür, das zu prüfen. Da die meisten von uns versuchen, möglichst höflich zu sein, knallen wir ja niemandem vor den Latz, dass er mal die Futterluke schließen oder abdampfen soll. Wir erwarten, dass jemand selbst darauf kommt, wenn wir das Gespräch nicht am Laufen halten und nie Kontakt initiieren.

Wer sehr mitteilungsbedürftig ist, kümmert sich vielleicht nicht um diese Signale. Das ist dann kein bösartiges Verhalten. Aber es ist eben auch kein rücksichtsvoller Umgang mit anderen Menschen. Wenn solche Personen mal tief durchatmen und sich besinnen, fällt ihnen früher oder später auf, dass sie mehr Zeit in Anspruch nehmen, als angemessen wäre.

Überlegenheitsdenken

Manchen Nervensägen ist schlicht egal, was du willst. In ihrem Kopf herrscht ein Bild von der Welt, in der sie immer wichtig und interessant sind. Alles andere hat sich bitte drumherum zu drehen. Ihnen ist nicht nur oberwichtig, was sie selbst zu sagen haben. Sie wollen auch, dass sie jemand hört. Das perfide dabei: Sie sprechen dir das Recht ab, selbst zu entscheiden, was wichtig ist.

Denn wenn du offensichtliche Anzeichen von Desinteresse oder Genervtheit zeigst, dann ist das ja, weil du es nicht besser weißt. Wie kannst du es wagen, einem solchen Prachtexemplar nicht deine Aufmerksamkeit zu schenken? Bist du blöde? Dir entgeht da was!

Diese Menschen können dich nicht nerven, weil das bedeuten würde, sie lägen falsch oder wären unbeliebt. Das ist so weit von ihrer Selbstbetrachtung entfernt, dass sie auch nicht eingestehen können, dass sie nerven. Wirklich faszinierend. Das wäre in etwa so, als würde ich meine Website so programmieren, dass du jeden Artikel zu Ende lesen musst – egal, ob du ihn interessant findest oder nicht.

Du bist schneller genervt

Nun habe ich dir gerade das ultimative Beispiel für nervige Menschen geliefert, denen du echt nicht zuhören musst. Und als nächstes setze ich hinterher: Vielleicht bist du doch das Problem. Manchmal glauben wir, jemand wäre übermäßig anstrengend, aber in Wahrheit haben wir eine kürzere Zündschnur.

Das kann an persönlichen Umständen liegen. Stress, Krankheiten oder auch Unsicherheit sind Gründe, weshalb uns vermeintlich kleine Dinge schneller belasten. Es kann aber auch sein, dass du Vorurteile hast. Wenn dich jemand nervt, frag dich bitte, ob dich das genauso stören würde, wenn dieser Mensch hübscher oder reicher wäre.

Hoffentlich hat das wenig bis keinen Einfluss. Doch in Wahrheit lassen sich viele von uns unbewusst von solchen Faktoren beeinflussen. Also sei ehrlich: Ist da jemand wirklich furchtbar anstrengend oder bist du von dieser speziellen Person aus irgendeinem Grund schneller genervt? Das ist ja nicht das Ende der Welt, aber es sollte dir schon bewusst sein.

menschen die immer nerven
Katzen geben gerne zu, dass sie genervt sind – und sie nehmen auch keine Rücksicht auf Gefühle.

Umgang mit distanzlosen Menschen

Gut, wir sind alle vielschichtige kleine Persönchen und vorschnelle Urteile sollten wir uns sparen. Die Chancen stehen gut, dass du das bereits wusstest. Aber wie gehst du nun mit Menschen um, die keine Distanz wahren, Nerven rauben und anstrengend sind?

Schön höflich bleiben und keine bösen Intentionen vermuten

Wenn du Fehlverhalten bei anderen beobachtest, darfst du erst einmal schauen, ob du es selbst besser machst. Du wirst aufdringliches Verhalten und nervige Menschen wahrscheinlich als unhöflich oder anstrengend wahrnehmen. Deine Aufgabe ist es, jetzt selbst nicht auch negative Eigenschaften zu zeigen.

Gehe erst einmal davon aus, dass da jemand nicht ganz mitschneidet, dass er oder sie nervt. Dann kannst du möglichst sanft erklären, dass du die Situation so nicht angenehm findest.

Mögliche Ideen, um auf nerviges Verhalten hinzuweisen:

  • Ich komme überhaupt nicht zu Wort, so entsteht kein Gespräch. Ich möchte bitte nicht nur zuhören, sondern auch etwas beitragen.
  • Wir haben nicht die Art von Beziehung, bei der ich so viel Energie für dich übrighabe. Das ist nicht böse gemeint, aber ich habe noch andere Dinge zu tun.
  • Du meinst das bestimmt nett, aber ich habe nicht nach deiner Hilfe/Meinung gefragt. Es ist unhöflich, die Zeit von Menschen ungefragt in Anspruch zu nehmen.
  • Für dieses Gespräch bin ich gerade nicht bereit, tut mir leid.
  • Ich habe kein Problem mit dir, möchte aber unsere Beziehung auch nicht vertiefen und auch nicht mehr Kontakt haben.

Das sind alles Tipps für Menschen, die systematisch Zeit in Anspruch nehmen. Fast jeder von uns hat wohl schon mal eine Situation falsch gelesen oder unerwartet einen Redeschwall losgelassen, mit dem jemand etwas nicht anfangen konnte. Hier geht es wirklich um Menschen, die wiederholt den Absprung verpassen.

Deinen eigenen Gemütszustand überprüfen

Zwischen dem höflichen Hinweisen und der klaren Ansage sollte immer dieser Schritt liegen: Wie bist du gerade drauf? Zum einen kannst du so schauen, ob du jemanden vielleicht etwas unfair behandelst, weil er irgendwelche anderen Eigenschaften hat, die du negativ wahrnimmst.

Einige Eigenschaften, die dazu verleiten, vorschnell zu urteilen:

  • Alter
  • Akzent
  • Status
  • Kleidung

Noch wichtiger ist aber, dass du Ruhe bewahren musst, um nicht gemein zu werden. Hätten manche Menschen das absolut verdient? Na klar. Aber wahrscheinlich willst du kein Mensch sein, der anderen absichtlich wehtut. Also hast du bestimmt auch den Anspruch, nicht zu emotional zu reagieren. Hunger, Stress, Müdigkeit und manchmal sogar die Raumtemperatur können dich negativ beeinflussen. Das gilt doppelt und dreifach, wenn die Person nach der klaren Ansage nicht aus deinem Leben verschwindet. Kollegen, Familienmitglieder oder Nachbarn lösen sich nicht in Luft auf, wenn du ihnen sagst, dass sie nerven.

Persönliche Bedürfnisse und Grenzen klar kommunizieren und deutlich werden

Hast du es auf die höfliche Art versucht, beginnt langsam so richtig der Selbstschutz. Der Wunsch nach mehr Distanz, Ruhe oder einer anderen Art der Kommunikation sollte dringend respektiert werden. Ist das nicht der Fall, kannst du auch deutlicher werden – oder musst es sogar.

„Ich möchte nicht mit dir reden oder mit dir Zeit verbringen.“ Ist die klarste Aussage, die du geben kannst. Hilft das nicht, wird kurzer Prozess gemacht.

Ein Nachbar bekommt ein Hallo, aber keine Antwort auf persönliche Fragen. Kollegen erhalten mit beruflichen Fragen Hilfe, werden aber bei Smalltalk stehen gelassen. Online-Profile werden blockiert. Was du auch tun kannst, um den Kontakt zu beenden, tu es!

person geht mir auf die Nerven
Dieses Schaf ist genervt und hat nicht vor, das zu verstecken.

Warum du anstrengende Menschen nicht einfach machen lassen solltest

Ist es nicht irgendwie zu krass, jemanden zu blockieren oder zu ignorieren, nur weil er nervt? Das ist sicherlich eine Ermessenssache. Allerdings gibt es viele, viele Menschen, die nur begrenzte soziale Energie zur Verfügung haben. Herauszustellen sind hier Introvertierte und Hochsensible.

Gespräche und sonstige soziale Interaktionen rauben ihnen Energie. Wie viel, richtet sich auch nach der Art der Kommunikation. Fremde und aufdringliche Menschen sind da ein großes Problem, denn sie saugen die soziale Batterie in Windeseile leer.

Die Folge einer leeren Batterie ist unter anderem, dass für andere Dinge keine Energie mehr übrig ist. Wer sich jeden Tag nach der Arbeit noch 20 Minuten mit der nervigen Kollegin unterhält, kommt erschöpft nach Hause. Gibt es aufdringliche Nachbarn, wird der Hausflur vielleicht gemieden. Und wer einem nervigen Menschen Raum gibt, kann auch immer Tür und Tor für weitere Grenzüberschreitungen wie sehr persönliche Fragen und ungewollten Körperkontakt öffnen. (Achtung: Tür und Tor öffnen heißt nicht, dass du Schuld an diesen Grenzüberschreitungen wärst. Aber leider gibt es nun mal Menschen, die sowas wahnsinnig schnell ausnutzen und darauf bauen, dass du zu höflich bist, um etwas zu sagen.)

Fazit: Nervige Menschen sind beeindruckend komplex

Deine Kraft und Zufriedenheit vor Energievampiren zu schützen, ist eine gute Idee – unter der Bedingung, dabei nicht selbst zu einem fiesen Menschen zu werden. Solange du erst einmal davon ausgehst, dass dich keiner nerven will, ist alles gut. Aber: Nur weil es Menschen gibt, die nicht merken, dass sie nerven, heißt das nicht, dass es nicht auch diejenigen gibt, die sich einen Dreck um dich scheren und dich als Auffangbecken für ihre gedanklichen Auswüchse benutzen.

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