MBTI ist ein beliebter Internettrend und somit überall zu finden. Natürlich will also jeder schnell wissen, welche vier Buchstaben ihn oder sie am besten beschreiben. Da bin ich keine Ausnahme.
Persönlichkeitstests mag ich sehr, egal ob MBTI oder „Welche Pizzasorte bist du?“. Allerdings habe ich mir keinen Gefallen getan, als ich mich tagelang in Myers-Briggs und die introvertierten Typen einlas. Denn für mich gibt es keinen klaren Typ – und für dich wahrscheinlich auch nicht. Keine Sorge, das ist nicht das Ende der Welt.
Was ist Myers-Briggs?
Der Myers-Briggs-Typenindikator ist eine Möglichkeit, die menschlichen Persönlichkeiten auf 16 verschiedene Arten aufzuteilen. Die Kategorien dafür sind:
- Introversion-Extraversion
- Sensorik-Intuition
- Fühlen-Denken
- Wahrnehmen-Beurteilen
Der MBTI Test findet heraus, welcher Seite du eher zugeneigt bist. Aus der Kombination der Vorlieben und dominanten Eigenschaften entsteht so einer der 16 Typen.
Falls du dich bisher nicht mit MBTI befasst hast, solltest du erst den folgenden Beitrag lesen, bevor du hierhin zurückkehrst: Myers-Briggs Guide für Introvertierte.
Warum wird Myers-Briggs kritisiert?
Der MBTI wird von der Wissenschaftsgemeinde stark kritisiert. Die zugrundeliegenden Untersuchungen und Studienbedingungen sind nach modernen Standards nicht tragbar. Außerdem wird die Aussagekraft des Testes bezweifelt.
Für einige gilt der Typenindikator als Phänomen der Popkultur und der amerikanischen Unternehmenskultur (der Test wird im Personalwesen eingesetzt). Andere sehen durchaus seine Vorteile, warnen jedoch gleichzeitig davor, größere Schlussfolgerungen für das eigene Leben zu ziehen.
Das größte Problem (aus meiner, nicht zwangsläufig aus wissenschaftlicher Sicht) ist der Dichotomie-Ansatz. Das heißt, dass jeder letztlich einer Seite zugeordnet wird. Jemand kann also als I gelten, wenn er 51% introvertiert ist, genauso wie jemand, der 99% introvertiert ist. Sicherlich führen diese Menschen sehr unterschiedliche Leben. Alle Ambivertierten werden sich schön veräppelt vorkommen. (Was heißt ambivertiert?)
Das gilt natürlich auch für alle anderen Kategorien. Ein Zusammenhangsfreak (N) kann selbstverständlich auch Sachen einfach mal hinnehmen und genießen (S). Struktur- und Prinzipienliebhaber (J) können sich durchaus an neue Situationen anpassen und abenteuerlustig sein (P).
Ich schwanke zwischen INTJ und INFJ, was heißt das?
Kommen wir zu meiner persönlichen Erfahrung mit dem Test. Er macht mich fertig. So, jetzt habe ich es gesagt, er macht mich wirklich fertig. Denn er ist exemplarisch für mein Leben. Obwohl ich einige Aha-Momente hatte (speziell bezüglich Ni), bleibe ich am Ende verwirrter zurück als vorher.
Das liegt daran, dass ich sowohl für INTJ als auch INFJ positiv testen. Wer sich ein bisschen auskennt, wird mich bereits auslachen, denn: Das sind die mit Abstand seltensten Persönlichkeitstypen nach MBTI, speziell als weiblicher INTJ.
Es ist nicht ungewöhnlich, zwischen INTJ und INFJ zu stehen. Viele Beiträge beschäftigen sich genau mit der Frage nach der Unterscheidung. Meine bisherige Erkenntnis: Ich bin entweder ein gefühlschaotischer INTJ oder eine INFJ-Arschgeige.
Doch der Reihe nach.
I steht für introvertiert. Da muss nichts diskutiert werden. Ich bin zwar kein extremer Introvertierter, doch ich neige auf jeden Fall weit genug nach I, um das nicht hinterfragen zu müssen.
N steht für intuitiv. Ich will also in meiner Umwelt immer Zusammenhänge erkennen, anstatt die Sachen einfach so zu nehmen, wie sie sind. Dass das ein Persönlichkeitsmerkmal ist, wusste ich bis vor Kurzem nicht, aber ja, ich muss alles in einen Kontext bringen, sonst bin ich unglücklich.
J steht für urteilend. Soll heißen, mein Lebensstil ist eher strukturiert und eindeutig. Auch hier lässt sich streiten, da ich zwar am besten funktioniere, wenn ich Strukturen habe, aber auch sofort unruhig werde, wenn diese mir zu wenig Freiheiten lassen, was mich eher als wahrnehmend einstufen würde.
T und F sind jedoch die kompliziertesten Buchstaben im MBTI-Chaos meines Hirns. Denn sie beschreiben, ob man eher denkend oder fühlend Urteile fällt. Ich versuche immer, eine logische Entscheidung zu treffen, doch wer mich kennt, weiß auch, dass mir meine Gefühle im Weg stehen können.
INFJs sind die unklarsten Charaktere und fühlen sich oft missverstanden. Sie haben kein Problem damit, die Probleme anderer zu lösen, wenn sich ihnen jemand nähert, wissen sie allerdings nicht, wie sie ihr Inneres vernünftig kommunizieren.
INTJs haben ebenfalls Probleme dabei, ihre Emotionen zu zeigen, jedoch auf einem höheren Level. Viele INTJs versuchen, Gefühle so weit es geht auszuklammern. Gleichzeitig sind sie sehr strukturiert und ergebnisorientiert.
Wer sich weiter ins Unglück stürzen möchte, kann auch die dominanten und niedrigeren Eigenschaften seines Typs erforschen. Kleine Warnung, falls ihr zur obsessiven Recherche neigt, solltet ihr am nächsten Tag nichts vorhaben.
Ein emotionales Chaos zu haben und fehl am Platz sein? Check. Gefühle ausklammern, um eine Sache zu verstehen und so effektiv wie möglich zu erledigen? Check.
Mein Kopf explodiert
So wie typische xNxJs das nun mal tun, konnte ich mich stundenlang im Kreis drehen und wieder und wieder nach Antworten suchen. Dass es keine klare Antwort für mich zu geben schien, ließ mir keine Ruhe.
Jetzt sehe ich das anders. Denn gerade weil ich nicht zu den leicht einzuordnenden gehöre, kenne ich die Grenzen des MBTI umso besser. Was nicht heißt, dass ich nicht noch immer grübeln würde. Ich gucke auch weiterhin jedes Video zu INTJs und INFJs, nur um sicher zu gehen, dass die Antwort nicht doch noch irgendwo verborgen liegt.
Auch dass ich scheinbar zu den seltensten Typen gehöre, hat mich verwirrt. Nicht weil es nicht stimmen würde, sondern weil ich Angst davor hatte, als Trendchaser gesehen zu werden. Wer einen Test jedoch nach bestem Gewissen und mehrfach durchführt, der darf dem Ergebnis auch trauen. Und ganz besonders, wenn er oder sie danach noch stundenlang alles überprüft hat, um sicher zu gehen, dass er auch wirklich kein anderer Typ sein könnte…
Mein ENFP-Mitbewohner lässt auf jeden Fall keinen Zweifel daran, dass ich INTJ bin und zum Aushängeschild des Persönlichkeitstyps werden könnte wie das DFB Team einst für Nutella.
Kann man mehr als ein MBTI-Typ sein?
Natürlich kann man sich mehr als einem MBTI zugehörig fühlen. Wie bereits erwähnt, ist Myers-Briggs keine definitive Wissenschaft – es lässt sich sogar darüber streiten, ob es überhaupt eine Wissenschaft ist.
Daher sollte man MBTI als das sehen, was es ist: Eine Möglichkeit, sich selbst und seine Bedürfnisse besser kennenzulernen und einzuordnen.
Mir hat es sehr geholfen, herauszufinden, dass mein ständiges Suchen nach Zusammenhängen einer Kategorie zuzuordnen ist. Denn dadurch ist mir aufgefallen, wie sehr ich darauf bestehe. Mir wurde mal gesagt: „Du hast aber auch für alles eine Theorie, oder?“, weil ich es nie bei den gegebenen Informationen belassen kann, sondern immer mehr daraus mache.
Gleichzeitig gelte ich als jemand, der Dinge knallhart analysiert und das Ergebnis dann präsentiert – auch wenn Menschen es nicht hören wollen. Ich bezeichne mich dann selbst gerne als gemein oder einfach als A-Loch, doch mit dem Bedürfnis nach Klarheit bin ich zumindest nicht alleine.
Mein mangelndes Verständnis für Inkompetenz ist ebenfalls etwas, was mich mein ganzes Leben begleitet. Etwas einfach irgendwie machen und dann mal sehen, was passiert? WIESO? Man kann es doch auch gleich richtig machen und ja, es ist problematisch und rücksichtslos, eine Sache nicht richtig zu machen, wenn andere davon negativ beeinflusst werden! Effektivität ist kein Schimpfwort, Leute…
MBTI hilft dabei, sich nicht ganz so alleine zu fühlen und zu verstehen, wie verschieden Menschen doch ticken können. Als ich meinen Beitrag über ISFPs geschrieben habe, hat die Recherche lange gedauert und es war schwierig, gute Beispiele zu finden. Gleiches galt für die ISTPs, die ebenfalls weit von mir entfernt sind. Jetzt verstehe ich sie besser.
Wichtiger Hinweis für alle, die sich für MBTI interessieren
Macht den Test, informiert euch und dann lasst es bleiben. Freut euch über Memes, analysiert sie nicht zu Tode. Dieser Beitrag ist im Vergleich zu anderen geradezu lächerlich kurz, doch ratet mal, wie viel Zeit ich darin investiert haben – richtig, viel zu viel.
Denn wenn etwas unsere Persönlichkeit beschreibt, nehmen wir es selbstverständlich sehr ernst. Einige Menschen sehen MBTI geradezu als Religion und beziehen absolut alles nur auf ihren Persönlichkeitstyp oder beurteilen jeden Menschen nach seinem Typ. Gesund ist das nicht.
Hier noch eine Leseprobe für einen Text, der dir noch einmal unterstreichen kann, dass Kategorien und Typen-Bestimmungen hilfreich aber nicht erschöpfend sind:
„[…] wenn jemand selbstbewusst ist und behauptet, er sei gleichzeitig introvertiert. Unmöglich! So hat uns die Gesellschaft das nicht beigebracht! Aber sehr beliebt ist auch folgende Situation: Jemand hält sich für introvertiert, passt aber irgendwie nur in den nervösen, menschenmeidenden Teil der Beschreibungen, zu den Memes und Anekdoten, aber weniger zu den anderen Faktoren … Was steckt dahinter? Meist liegt ein scheinbarer Widerspruch vor, bei dem Introversion und Selbstbewusstsein oder Extraversion (auch Extroversion) und Schüchternheit aufeinandertreffen.“ Aus: Schüchterne Extrovertierte und selbstbewusste Introvertierte.
Der Myers-Briggs-Typenindikator ist ein zusätzliches Werkzeug für all diejenigen, die auf der Suche nach sich selbst sind, er ist jedoch nicht die Antwort. Zwischen zwei Typen zu stehen, ist okay. Deine Persönlichkeit ist nicht perfekt in vier Buchstaben zusammenzufassen. Und in wahrer INTJ/INFJ-Manier sage ich dazu: Gott sei Dank, aber auch irgendwie schade, lass uns darüber diskutieren.
Das geht unter anderem mit anderen Introvertierten. Wenn du ein wenig Anschluss finden und diskutieren möchtest, dann geht das zum Beispiel auf dem Discord-Server für Introvertierte (oder in Foren). Dort haben wir sogar einen eigenen Kanal für das Thema MBTI.
Hi Jennifer,
ich habe eine ähnliche Erfahrung gemacht. Eigentlich war jedes Testergebnis INTJ bei mir. Zwischen P und J war es aber immer ziemlich knapp. Grundsätzlich passen die Funktionen der Typbeschreibung auch besser als beim INTP doch es gibt auch klare INTP Tendenzen. Im Enneagram komme ich auf 5w4, was angeblich auch bei INTP’s häufiger ist. Ich sehe es auch so, dass 4 Buchstaben nicht alles erklären können.;)
Trotzdem bin ich nach häufiger Recherche heute mal wieder auf einem INTJ-Blog-Post gelandet. So ist das. Irgendwie wollen wir ne klare Antwort, oder?
So, das war wahrscheinlich mein längster Kommentar, den ich seit langem gemacht habe, wenn ich überhaupt mal einen irgendwo mache haha.
Alles Gute wünsche ich dir und einem Projekt 😉
Kevin
Moin Kevin, erst einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit für den Kommentar genommen hast – glaube mir, ich weiß das zu schätzen 🙂
Ich bin auch jemand, der klare und direkte Antworten mag, aber seien wir ehrlich, MBTI ist eine Orientierungshilfe (und eine super Grundlage für Memes), aber aus wissenschaftlicher Sicht limitiert und kein Allheilmittel. Muss es auch gar nicht sein. Gelegentlich mal wieder in das Thema reinzuschnuppern, macht aber einfach Spaß!
Liebe Grüße
Jennifer
Hallo! Unbedingt mit kognitiven Funktionen beschäftigen und deren Stacks! Diese bieten Aufschluss darüber über INFJ/INTJ/INTP. Alle diese Typen nutzen zum Teil grundverschiedene Funktionen.
Hallo Jennifer,
ich bin beim Googlen nach der Fragestellung „INTJ oder INFJ“ hier gelandet und habe festgestellt: Du schreibst, was ich denke. Natürlich hast Du Recht, man muss nicht seine Persönlichkeit in vier Buchstaben ordnen, aber ich wüsste es schon auch gern genau. 😉 Danke für Deinen Beitrag (spannend, von einer ebenso „seltenen Frau“ zu lesen) und ja, auch ich werde weiter recherchieren. Nur noch ein bisschen… 😊
Ja, ja „nur noch ein bisschen“, wer kennt es nicht? 😛
Liebe Grüße!
Hallo Jennifer,
die besseren Online-Tests, welche den 8 kognitiven Funktionen Prozentpunke zuweisen, sehen mich zwar als INFJ, aber mit einer gewissen Nähe zu INTJ. Ein zertifizierter Test ergibt da aber eindeutig INFJ.
Grund für die INFJ-INTJ Verwirrung könnte daran liegen, daß wir INFJs durchauch unsere dritte Funktion Ti nutzen, wenn der Kontext es hergibt. Will heißen: wenn es keinen Konflikt zwischen Fe und Ti gibt. Doch auch wenn es den mal gäbe, manche Ausnahmesituationen erfordern einfach eine logische Entscheidung… die dann auch unendlich schwer fällt.
Lustigerweise bin ich Informatiker, und meine INTJ-Freundin hat Psychologie studiert. Hätten wir Berufe gemäß unseren MBTI-Typen, müßte es eigentlich andersherum sein. Das zeigt nur, daß wir INFJs durchaus in MINT-Fächern und INTJs in Fächern, die das Verstehen der Emotionen Anderer erfordern, erfolgreich sein können.