Wer seine Ruhe haben will, muss sich rechtfertigen? Wieder und wieder werden Menschen dafür angegriffen, dass sie sich zurückziehen. Das ist an Absurdität kaum zu überbieten. Hier kommt das Manifest der Ruhe, damit endlich geklärt wird, warum wir alleine sein wollen, warum wir Ruhe brauchen und vor allem: Weshalb Euch das überhaupt nicht zu interessieren hat.
Für diejenigen, die nicht verstehen, warum wir uns gelegentlich (oder ständig) zu Hause verstecken, wird zunächst erklärt, wie unterschiedlich die Gründe dafür sein können. Dann zeigen wir, warum wir geradezu angegriffen werden, wenn wir ehrlich mit diesem Thema umgehen. Letztlich endet dieser Beitrag, wie er begonnen hat.
Manchmal muss ich allein sein: die Gründe
Es gibt verschiedenste Ursachen dafür, warum jemand von uns denkt oder sagt: Ich will alleine sein und meine Ruhe haben. Leider fragt selten jemand nach, es wird sofort angenommen, mit uns würde etwas nicht stimmen. So einfach ist das nicht.
Misanthropie
Es gibt Menschen, die andere Menschen hassen und/oder ablehnen. Das kann sich auf die gesamte Menschheit beziehen und auch auf eine große Gruppe von ihnen. Ausnahmen sind möglich, aber selten. Misanthropen sind nicht grundsätzlich gewalttätig oder beleidigend, viele ziehen sich einfach so weit es geht zurück.
Es kann gut sein, dass sich Misanthropen mit ihrer Ablehnung von Sozialkontakten selbst schaden. Allerdings ist es genauso schädlich, wenn sie sich immer wieder in Situationen zwingen müssen, in denen sie Kontakt zu Menschen haben, die sich nicht mögen oder für die sie kein Interesse übrig haben. Auf der „Ich will meine Ruhe haben“-Skala stehen die Misanthropen ganz weit oben.
Introversion
Introvertierte Menschen meiden Sozialkontakte, weil sie ihnen Energie rauben. Das bedeutet nicht, dass sie Menschen hassen oder niemals rausgehen. Es bedeutet schlicht und ergreifend, dass sie mehr Zeit in einer ruhigen Umgebung brauchen, um sich wohlzufühlen.
Viele Introvertierte zwingen sich selbst dazu, mehr unter Leute zu gehen, obwohl sie sich damit schaden. Sie sind daher für viele weitere Dinge wie Depression, Sozialängste oder Schüchternheit anfällig.
Hier sind 10 Sprüche, die Introvertierte nicht mehr hören wollen!
Mentale Gesundheit
Es gibt psychische Krankheiten wie Depression oder Sozialphobien, die es Menschen unmöglich machen, ihrem Alltag nachzugehen. Das schließt mit ein, dass man das Haus nicht verlassen kann und es wie ein Weltuntergang klingt, wenn jemand auf einen Kaffee vorbeikommen möchte.
Erfahrungen
Neben der Veranlagung für ein größeres Ruhebedürfnis haben einige Menschen auch Erfahrungen gemacht, die sie zum Rückzug bewegen. Das können Kindheitserfahrungen sein oder andere Stresssituationen, die sich eingebrannt haben.
Auch introvertierte Menschen können in diese Gruppe hineingezählt werden, da ein erfahrener Introvertierter seine eigenen Grenzen bereits kennt und sich nicht mehr dazu zwingen lässt, die Ruhe und das Alleinsein aufzugeben, wenn es nicht unbedingt nötig ist.
Situativ
Last but not least kann absolut jeder Mensch in die Situation kommen, dass ihm alles zu viel wird. Zu viel Stress, zu wenig Liebe, keine Pausen oder Traumata können alle dazu beitragen, dass jemand sagt: Halt Stopp, ich brauche jetzt meine Ruhe. Manchmal ist alleine sein die einzige Lösung, um dieser lauten und hektischen Welt zu entkommen und wenn sich jemand diese Zeit nicht nimmt, kann das zu mentalen Zusammenbrüchen oder Suizid führen.
Ich bin gerne zuhause: das Stigma
Wir wissen nun also, dass es verschiedene Gründe dafür gibt, dass sich Menschen zurückziehen. Manch einer braucht nur ein ruhiges Wochenende zu Hause, manch anderer zieht mitten ins Nirgendwo und lässt die Gesellschaft hinter sich.
Auf diese Tatsache reagieren Menschen auf drei verschiedene Arten. Eine davon ist gut, eine ist verbesserungswürdig und die dritte ist schwer problematisch.
- Menschen, die es nicht verstehen
Es gibt Menschen, die nicht verstehen, warum wir alleine sein wollen. Das sind vor allem extrovertierte Personen, die aufblühen, wenn sie Kontakt zu anderen haben. Auch Kinder aus Großfamilien sind es häufig so sehr gewohnt, dass um sie herum etwas los ist, dass sie alleine überhaupt nicht existieren können.
Viele von ihnen belassen es dabei, uns Ruheheinis zu sagen, dass sie „das nicht könnten“. Das ist okay, denn wir sind uns darüber im Klaren, dass ein starkes Ruhebedürfnis nicht der Norm entspricht. Es gibt trotzdem zahlreiche Gemeinsamkeiten, also kein Grund für Streit.
Leider sind jedoch nicht alle damit zufrieden, Verschiedenheiten anzuerkennen und es dabei zu belassen. Diejenigen, die ständig Unruhe und Kontakt suchen, können geradezu herablassend oder sogar aggressiv werden. Dann fallen schon mal folgende Sätze:
„Du bist ein Freak.“
„Das ist doch nicht normal, mit dir stimmt etwas nicht.“
„Du bist sowas von arrogant!“
Dass das nicht in Ordnung ist, muss an dieser Stelle leider erwähnt werden, obwohl es selbstverständlich sein sollte. Meist fühlen sich diese Menschen angegriffen, weil sie unser Ruhebedürfnis als Ablehnung begreifen. Weil wir Zeit alleine und nicht mit ihnen verbringen, mögen wir sie nicht oder halten uns für etwas Besseres. Das ist eine beeindruckend engstirnige Sicht und sie strotzt ironischerweise vor Arroganz.
- Menschen, die es verstehen
Es ist immer eine Freude, wenn wir auf andere Menschen treffen, die uns verstehen. Manche suchen selbst gelegentlich die Flucht vor den Menschen, andere sind sogar genauso häufig alleine wie wir. So oder so, an dieser Stelle ein Dank an alle, die unsere Eigenart akzeptieren.
- Menschen, die es verstehen sollten, aber ignorant sind
Die letzte Gruppe nennen wir die Heuchler. Viele von uns sind selbst schon in diese Falle getappt. Denn selbst diejenigen, die gerne alleine sind, nehmen es anderen übel, wenn sie dasselbe wollen. Das kann passieren, wenn eine introvertierte Person nicht zu einer Gruppenveranstaltung kommt, auf die man sich gefreut hat. Oder jemandem geht es kurzfristig nicht gut und deshalb zieht er oder sie sich zurück, was unsere Pläne zerstört.
Obwohl wir selbst in dieser Situation waren, werden wir wütend. Denn plötzlich durchkreuzt die Ruhe der anderen unser Leben. Und wir können nichts dagegen tun. Nochmal: Wir können nichts dagegen tun! Doch leider bringen auch wir immer wieder andere dazu, ihre Zeit alleine aufzugeben, damit es uns besser geht. Das ist doppelt traurig, denn wir wissen es eigentlich besser.
Ich will Ruhe vor anderen Menschen: die Antwort
Wir leben in einem freien Land, daher dürfen wir uns zurückziehen. Das bedeutet auch, dass uns jeder sagen darf, wenn ihm das nicht passt. Doch wir wären alle besser dran, wenn wir aufhören würden, Menschen dafür anzugreifen, dass sie sich besser fühlen wollen.
Natürlich gibt es Situationen, in denen der Drang nach dem Alleinsein zum Problem wird. Wer eine Familie hat, kann nicht einfach Pause drücken. Auch können extreme mentale Probleme dazu führen, dass Hilfe von außen nötig wird. Doch das sind die Ausnahmen. In der Regel sind es ganz normale Menschen, die sich gerne mal zu Hause verstecken, die sich anhören müssen, mit ihnen würde etwas nicht stimmen.
Wir sind nicht arrogant oder gemein – auch wenn es Ausnahmen gibt. Doch viele von uns haben die wundervolle Fähigkeit, auch mal mit unseren Gedanken allein sein zu können. Statt ständig nur zu funktionieren, drücken wir Pause. Wir hören erst darauf, was unsere Körper sagen und ignorieren dann, was ihr uns zuruft.
An alle, die allein sein wollen und ihre Ruhe haben wollen: Schämt euch nicht. Lasst euch nichts einreden. Es ist absurd, wie viele Menschen wütend werden, weil wir uns gut kennen. Versucht aber auch, euch zu erklären. Leider wird es diejenigen geben, die noch wütender werden. Doch wahre Freunde, ein guter Partner und liebende Familienmitglieder werden zuhören und es entweder verstehen oder zumindest akzeptieren.
(Kauftipp: Noise Cancelling Headphones. Die helfen mir im Alltag sehr, wenn die Reizüberflutung zu viel wird.)
Und nun zisch (bitte) ab, ich will meine Ruhe haben.
Wenn Dir langweilig wird, lies doch diesen Beitrag, der sehr beliebt ist und genau zum Thema passt: Lieber allein als unter Menschen!
Und weil mir das alles bewusst ist und ich meinem Partner diese Freiheit, allein sein zu wollen, von Herzen gönne, hab ich ihn gehen lassen. Diesmal ist er nicht charmant lächelnd zurückgekommen; diesmal ist er gestorben…..
So ein wohltuender Artikel!!Endlich jemand, von dem ich mich verstanden fühle. Ich hab keinen Partner und keine Kinder, bin jetzt im Ruhestand und wünsche mir nur Alleinsein, Ruhe, keinerlei „Verpflichtungen„, und habe permanent ein schlechtes Gewissen, weil ich nur auf Unverständnis in meiner Umgebung stoße. Das löst mehr und mehr depressive Phasen bei mir aus, weil bei mir ankommt, dass ich nicht normal bin. Aber ich sehne mich nach diesem zurückgezogenen Leben, ich vermisse da nichts!
Dann lass dir auch nicht anderes einreden, liebe Eva-Maria! Viele Menschen glauben, sie hätten es irgendwie „verdient“, dass wir ihnen unsere Zeit und Aufmerksamkeit widmen. Andere haben wahrscheinlich ernsthaft Angst davor, herauszufinden, wer sie noch sind, wenn sie nicht permanent von Menschen umgeben sind. Introvertierte haben da eine wundervolle Gabe 🙂 Ich freue mich von Menschen wie dir zu hören.
Liebe Grüße
Danke liebe Jennifer für den Artikel und für Deine Rückmeldung!
Ich kenne niemanden, der das bisher so ausgedrückt und weitergegeben hat! Das ist sehr wohltuend!
Liebe Grüße Und gute Tage
Eva-Maria
Ich habe 40 Jahre gearbeitet, Kinder Familie immer stressig gewesen, heute bin ich 59 kurz vor der Pension bin viel unterwegs jedoch wenn ich eine Woche hinter mir habe so wie die letzte, geniesse ich paar Tage alleine daheim..mal nix tun..mir gut gehen lassen. Schön was gutes kochen gläschen wein .. mit meinen miezis kuscheln und Musik hören. Das brauche ich sehr danach gehts mir wieder gut habe Energie für alles Weitere..ich denke da hat man kein psychisches Problem jeder kennt seinen Körper und hört auf ihn…in der Ruhe liegt die Kraft.. genauso ist es…alles Liebe für euch Alle gaby
Dass dein Partner dir damit viel Leid zugefügt hat verstehe ich und es tut mir für dich unendlich leid. Es hört sich zumindest so an, dass er freiwillig aus dem Leben gegangen ist…
du hättest das nicht verhindern können! Es ist sein eigener Wille und seine Freiheit gewesen, das zu tun und ich kann das gut nachvollziehen. Ich würde genau dasselbe tun, wenn es für mich soweit ist und nichts und niemand könnte mich davon abhalten.
Das traurige ist, dass es Menschen, die uns lieben und die wir zurücklassen sehr verletzt und dass es bei ihnen große Schuldgefühle auslöst. Die brauchst du aber nicht haben, du hast keinerlei Schuld daran, er hat seinen Frieden gefunden und dir wünsche ich, dass du ihm deinen Schmerz vergeben und deinen Frieden mit ihm machen kannst!
Alles Liebe für dich!
Anscheinend verbindet sich meine Antwort nicht direkt mit einem Beitrag, diese Nachricht war für Puzzle gedacht: „dass dein Partner…“
Liebe Eva-Maria! Leider habe ich gerade erst die Nachricht erhalten, dass hier eine Antwort gepostet wurde, bitte verzeih, dass ich nicht früher geantwortet habe!
Danke für deine mitfühlenden Worte.
Schuldgefühle hatte ich nicht, es war nur sehr schwer zu akzeptieren. Inzwischen ist es ein Jahr her. Langsam beginnt sich meine Welt wieder zu drehen… Ich wünsche allen hier vor allem innere Ruhe.
Danke, Puzzle
Ich bin nicht betroffen, da extrovertiert, aber ich bin froh, diese Seite gefunden zu haben, eben um introvertierte Menschen zu verstehen, sie nicht zu verurteilen und zu akzeptieren, wie sie sind, denn ich habe einen Bekannten der genauso ist, gerne ist er allein, ab und an sucht er mal einen Freund auf, das reicht ihm, und er wird sehr von der Umwelt verurteilt, weil er ja sooooooo anders ist.
Auch mir hilft es, ihn in der Zukunft noch besser verstehen zu können, deswegen ganz lieben Dank an dem Erfinder dieser Seite.
Hallo Hamstermama,
freut mich sehr, dass auch Extrovertierte den Weg hierher finden. Und wie Du sagst, Dein Bekannter hat eine bewusste Entscheidung getroffen und es ist schade, dass die Welt ihn dafür schief anschaut. Schön, dass Du es anders machst 🙂
Liebe Grüße
Hallo, Jennifer, danke, dass du etwas zu meinem Kommentar geschrieben hast. Ja, eigentlich habe ich 2 Bekannte, die hochgradig introvertiert sind. Auch ich fragte mich am Anfang warum das so ist, und fragte sie, danach beschäftigte ich mich mit dem Thema Introvertiert. Ich bin eh ein Mensch, der alles und jeden verstehen möchte, es erleichtert doch so manches, wenn man weiß, warum Dinge sind, wie sie sind und die Veranlagung introvertiert zu sein, ist ja angeboren und das gilt es zu respektieren.
Auch dir liebe Grüße
Hallo
Ich bin 36 jahre alt und seit 4 Jahren mit dem eigenen Unternehmen selbstständig. Ich war immer gern auf Feiern und habe gerne Leute um mich rum gehabt. Doch seit mein Sohn (3) auf der Welt ist ein Goldstück übrigens, Merke ich wie ich immer mehr Freizeit und Ruhe für mich haben will nicht ständig aber 2-3 Tage die Woche für ein paar Stunden was lese oder auch mal allein ein Abend ohne Frau eine Serie schaue. Ich habe jetzt auch Wochenend trips für mich entdeckt die ich gerne allein machen möchte alle 3 Monate ich habe ja auch Verantwortung zu tragen deswegen geht es nicht so oft. Ich denke das dieser extreme Wandel bei mir ausgelöst wurde durch die Frimengründung und die Geburt meines Kindes was Zeitgleich eine enorme Herausforderung war und mir sehr wenig Freizeiteit gelassen hat. Auch von Freunden die jetzt alle Familie haben und kaum noch Zeit für mich und damit gemeinsame dinge wie Urlaub oder Feiern ins Wasser fallen. Auch damit habe ich mich jetzt erst abgefunden. Nach Zahlreichen absagen und auch meine extremen Einstellung zum leben was auch in den letzten Jahren gekommen ist, hat mich wohl dazu bewegt immer mehr die Zeit und Ruhe allein zu sein, für gewisse Zeiten zu genießen. In dem Artikel erkenne ich mich in einigen Dingen wieder.